Serie: Das Gemeentemuseum Den Haag vereint die alten Meisterwerke des Mauritshauses und die Moderne, Teil 1/5

 

Claudia Schulmerich

 

Den Haag (Weltexpresso) – Derzeit hat das Gemeentemuseum Den Haag noch sehr viel mehr zu bieten, denn bis zum 28. Mai läuft auch noch eine fulminante Alexander-Calder-Ausstellung. Aber die Augen richten sich alle auf die zwei neuen Ausstellungen, die am Samstag, 28. April gemeinsam eröffnen, aber ganz unterschiedlicher Herkunft und in unterschiedlichen künstlerischen Lagern spielen. Obwohl, das sieht man auch hier: Kunst unterscheidet sich quer durch die Jahrhunderte eigentlich immer nur im Qualitätsanspruch und der ist hier für Alte und Neue Kunst einfach geboten.

 

Das Mauritshaus muß generalüberholt werden und was liegt näher, statt die herrliche Sammlung ins Depot zu geben, diese ins benachbarte Gemeentemuseum einziehen zu lassen, in einen richtige Museumsbau mit gutem Oberlicht und opulenten Räumen. Denn das Mauritshaus war eigentlich nicht für ein Museum gebaut, hatte nur seit langem eine Sammlung aufgebaut, die zu den exquisitesten überhaupt gehört: die Namen Vermeer, Rembrandt, Rubens müssen erst einmal langen.

 

Solche Kunst kann man auch nicht gut auf lange Reisen schicken, nur ausgewählte Werke, die es durch den Materialbestand erlauben, dürfen nach Japan und sonst wohin. Aus der nun eröffneten Sonderausstellung im Gemeentemuseum machen die weite Reise beispielsweise die Ikone DAS MÄDCHEN MIT DEN PERLOHRINGEN von Johannes Vermeer um 1665. So lieblich das Bild ist, seine STADTANSICHT VON DELFT von 1660-61 ziehen hier – auch durch die exzellente Hängung und Lichtführung – alle Augen auf sich und werden so zum Höhepunkt der Präsentation im Gemeentemuseum.

 

Das muß man so verstehen, wie die Klimax auf hohem Niveau, denn tatsächlich erfüllt schon der erste Raum – nach dem Beginn mit den ‚eigentlichen‘ Bildern des Goldenen Zeitalters - mehr Erwartungen, als man überhaupt hatte. Sicher, die Sammlung ist hervorragend, aber wie hier die frühen Gemälde zusammenhängen, ergeben sie mehr als die Summe ihrer Teile. Rechts an der Querwand glüht es rot. Dort hängt in der Mitte Rogier van Weydens DIE BEWEINUNG CHRISTI von 1460-64(?).

 

Sicher, man darf dabei nicht an die Maria der KREUZABNAHME aus dem Prado denken, sein eigenhändiges Werk, während hier seine Werkstatt beteiligt ist, aber der Vergleich ist deshalb ungerecht, weil die Madrider Maria physisch ihren psychischen Schmerz so eindrücklich ausdrückt, wie vielleicht in keinem anderen Gemälde der Welt. Wichtiger ist, daß man auf einen Blick einfach van der Weydens Bildpersonal erkennt, weil es dieselben Personen, dieselben Gesten, dieselbe Kleidung sind und die innigliche Mimik dazu.

 

Hier zudem gefällt einfach die gemeinsame Hängung, die den Bildern Raum gibt und dennoch sie zusammen in den Blick nehmen läßt. ‚Großzügig‘ ist immer wieder eine Begrifflichkeit, die einem in den Sinn kommt, wenn man durch die Räume schreitet, die in der Regel auf dunklem edlen Grün die goldgerahmten Werke zeigt und dann mit voller Wucht auf Rot zwei Maler prunken läßt. Das ist im Kleinen Jan Steen und seine Genreszenen, prall und volksnah, und das ist im Großen Rubens und seine Schule. Eine gute Entscheidung. Denn zwischen den Holländern und den Flamen ist das Blut tatsächlich ein besonderer Saft. Fortsetzung folgt.

 

Katalog:

Masters from the Mauritshuis at the Gemeentemuseum the Hague, hrsg. Von Quentin Buvelot und Epco Runia, Royal Picture Gallery Mauritshuis Foundation, The Hague 2012, Der Titel täuscht, den der wahrlich tierisch schauende Stier, Detail von Paulus Potters Inkunabel der Tierlandschaft von 1647, entspricht zwar diesem besonderen Bild, hat aber mit der Feinsinnigkeit der meisten Gemälde nichts zu tun. Deshalb kommt auch als Gegenüber des Vorworts der Direktorin Emilie S.S. Gordenker Vermeers Stadtansicht von Delft im Ausschnitt, die sozusagen die gesamte Auswahl leuchten läßt. Noch in der Einleitung sieht man auch eine Aufnahme aus der gegenwärtigen Hängung im Gemeentemuseum, die zeigt, welche starken Kontraste diesen Bildern zu Gute kommen. Auf dunklem Grün die einen und leuchtend auf rotem Grund die anderen.

Erst einmal wird das Mauritshaus beschrieben, 1652 als Königliche Bibliothek erbaut, und die beabsichtigen baulichen Erneuerungen beschrieben sowie die Sammlung charakterisiert. Dann erfolgt ebenfalls eine Würdigung des 1935 erbauten Gemeentemuseum. Den Anfang machen aus der Sammlung das Goldene Zeitalter und die frühen Niederländer, einschließlich Hans Holbein d.J. und Joachim Beuckelaer. Das Prinzip dieses Handbuches versteht man sofort, daß nämlich erst eine kurze Einleitung zu den thematischen Hängungen erfolgt und dann die einzelnen Bilder, mit allen notwendigen Angaben versehen, auch noch eine inhaltliche Gewichtung erhalten. Auf Englisch. Den Katalog gibt es auch auf Holländisch.

 

Mauritshuis in focus, ist ein weiterer kleinerer Führer, denn Emilie Gordecker, Mauritshuis und ihr Kollege Benno Tempel vom Gemeentemuseum gemeinsam verantworten und der die Kurzversion des richtigen Kataloges ist.

 

Für Kinder:

Das Mauritshuis hat auch die Wichtigkeit erkannt, Kinder und Jugendliche frühzeitig an Maler und Gemälde heranzuführen und in ihnen den Museumsbesucher von morgen schon heute vorzubereiten. Übrigens ein Weg, den heute jedes gute Museum, das etwas auf sich hält, beschreitet. Und mit Erfolg.

The Mauritshuis. Family Activity Book heißt die Broschüre, die mit vielfachen Anregungen, Fragen und Tips Familien zum gemeinsamen Schauen bringt. Insbesondere Knobelaufgaben und das Finden von Details in Gemälden machen Kindern sozusagen tierischen Spaß, erst recht, wenn Tiere dabei sind. Großzügig und latent witzig kommt es Kindern entgegen und ist so verständlich, daß es auch deren Eltern verstehen.