Serie: „Déjàvu? Die Kunst der Wiederholung von Dürer bis Youtube“ in der Kunsthalle Karlsruhe, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Karlsruhe (Weltexpresso) - Aber auch das Vorbild des Meisters im eigenen Strich auf die Leinwand zu bannen, ist ein bekanntes Vorgehen großer Maler und man ist hingerissen, wenn Rubens den Tizian abmalt oder eine antike Skulptur, Franz von Lenbach den Tizian, Matisse den Raffael, van Gogh den Delacroix und Picasso noch eins draufsetzt, in dem er die Vorlagen seinem Stil anverwandelt.

 

Da finden sich in der Ausstellung überzeugende Beispiele. Denn da scheint mit der Bewunderung für den, dessen Werk abgemalt wird, immer auch der Wunsch, es ihm gleich zu tun oder sogar zu übertreffen.

 

Ganz andere Motive veranlassen die Maler, sich selbst zu kopieren, wobei man im Sprachgebrauch lieber von Wiederholungen eines Bildmotivs spricht. Da gibt es einerseits Reproduktionsgründe, weil ein Bild so begehrt war und weitere Käufer fand, so daß der Maler es gleich noch einmal malte. Dafür ist Raffael ein gutes Beispiel. Aber wie Raffael ist auch Lucas Cranach ein gutes Beispiel dafür, was ein erfolgreicher Maler über das eigenhändige Nachmalen machen kann:

 

Werkstätten gründen, Schüler aufnehmen, seine Werke vervielfältigen, ein Werk zu beginnen, die Werkstatt den Rest ausmalen zu lassen, all diese Verfahren, die der Kunstgeschichte heute in der Händescheidung von Gemälden die größten Probleme bereiten. Aber es gibt auch die Künstler, die sich gewissermaßen wiederholen müssen, weil ihre künstlerische Fortentwicklung nicht stattfindet oder keine Abnehmer findet. Darum wird Chirico, der seine frühe Kunst später unentwegt wiederholte, ein eigener Schwerpunkt in Ausstellung und Katalog gewidmet.

 

Am Beispiel der Sixtina, der Madonna von Raffael in der Dresdner Gemäldegalerie, die gerade ihren 500sten Geburtstag feiert, fallen sehr viele der Beweggründe des Kopierens zusammen. Liebhaber wollten sie an der häuslichen Wand besitzen: Kopien. Andere Maler haben sich an ihr abgearbeitet: Kopien. Malerschüler haben sie in der Ausbildung nachgemalt: Kopien. Neuerdings hat sogar eine Künstlerin sie als Wandteppich verewigt, am Standort der Galerie: Kopien und fünfhundert Fotografien als Vorlage. Das ist Katharina Gaenssler, die tatsächlich etwas völlig Neuartiges schuf, was auf dem Flickenteppich des Kopierwesens eine neue Blüte bedeutet. Fortsetzung folgt.

 

bis 5. August 2012

 

Info: Diese Ausstellung wurde als Pilotprojekt für Karlsruhe in Zusammenarbeit von Kunsthalle mit der Hochschule für Gestaltung erarbeitet, „einer führenden Institution bei der Analyse neuester Kultur- und Medienphänomene. Es gibt darüberhinaus eine didaktische Sonderschau COPYSHOP und eine für Familien konzipierte COPYBOX zur praktischen Annäherung an das Thema. Ein umfangreiches Begleitprogramm mit Vorträgen und Podiumsdiskussionen beleuchtet die Thematik auch über die Sphäre der bildenden Künste hinaus. Bitte entnehmen Sie diese Informationen der Webseite.

 

Katalog:

Déjà-vu? Die Kunst der Wiederholung von Dürer bis YuTube, hrsg. von Ariane Mensger, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, Kerber Verlag 2012. Das Vorwort beginnt mit einer Verleugnung der Geschichte eines bestimmten Bildes. Es geht um die „Darmstädter Madonna“ des Hans Holbein d.J., die hier erst einmal nur den Namen des Basler Bürgermeisters Jacob Meyer von 1525/26 trägt und vom Unternehmer Würth gerade für 55 Millionen Euro aufgekauft wurde. Die Auslassung der Bezeichnung „Darmstädter Madonna“ im Zusammenhang mit dem Verkauf ist bedauerlich, weil in der Folge im Vorwort Pia Müller-Tann gerade dieses Beispiel für den Original-Kopien-Streit im 19. Jahrhundert verdienstvoller Weise anführt, der viel zu wenig bekannt ist, denn damals wurde die Profession der Kunstgeschichte als universitäre Wissenschaft gefestigt, als es diesen gelang, die zuvor als Original geltende Dresdener Madonna des Holbein als Kopie zu ‚entlarven’ und die zuvor als Kopie geltende Darmstädter Madonna zum Original zu erklären, was heute so anerkannt ist, das es Schnee von gestern scheint.

 

Allein aber den Begriff ‚Darmstädter Madonna’ nicht mehr anzuwenden und nur von der Holbeinmadonna oder der des Bürgermeister Meyer zu sprechen, ist der erste Schritt zum Vergessen der ganzen Angelegenheit, die aber für die Kunstgeschichte und jegliche Auseinandersetzung um Originale und Kopien konstitutiv ist. Aber wir hoffen, daß viele dieses Vorwort lesen und den Sachverhalt behalten, denn wie das Vorwort, lohnt der gesamte Katalog, der neben 12 wissenschaftlichen Essays über hundert Katalognummern ausführlich kommentiert.

 

www.kunsthalle-karlsruhe.de