Serie: Drei Jubiläumsausstellungen: 150 Jahre Gustav Klimt in Wien, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Wien (Weltexpresso) – „Gustav Klimt. Ein Künstler von unglaublicher Vollendung. Ein Mensch von seltener Tiefe. Sein Werk ein Heiligtum.“, sagte Egon Schiele über seinen engen Malerfreund. Und das Allerschönste an der Prunkausstellung zum 150sten – 14. Juli 1862 - im Belvedere ist, daß Gustav Klimt zwischen Biographie und Werken als derjenige erscheint, der im Verbund die Kunst revolutionierte, was nur gemeinsam geht, weshalb den 30 Klimt-Gemälden in der Jubiläumsschau 90 Werke anderer zur Seite stehen.

 

Das fängt schon mit der Troika an, die für Kenner bekannt, aber dem Durchschnittsbesucher – wie zu hören war – völlig Neues bot: Künstler-Compagnie! So nannten sich der jüngere Bruder Ernst, Studienkollege Franz Matsch und Gustav Klimt. Erstaunt registriert man, wie schnell die drei reüssierten, welche bedeutenden Aufträge sie erhielten, was vor allem die weitere Ausstellung im Wien-Museum dokumentiert. Hier im Belvedere hängen die Bilder der drei und tatsächlich sieht sich das alles noch sehr ähnlich, die Händescheidung beginnt erst. Und für Bruder Ernst war das alles 1892 schon vorbei, er starb, 1891 hatte er noch Helene Flöge geheiratet, die Schwester der berühmten Emilie Flöge, die nicht nur der Lebensmensch von Gustav Klimt war, sondern darüber hinaus mit einer weiteren Schwester das Atelier Flöge führte, wo Kleidung im Stil der Wiener Werkstätten entworfen und ausgeführt wurde. Avantgarde eben.

 

Das soll nur zeigen, wie dicht im Wien von damals die personalen Bezüge waren, die mit der historisierenden altmodischen Sicht auf Kunst oder auch auf das Leben nichts mehr zu tun haben wollten, sondern sich mit Neuem beschäftigten und zwar integral: also nicht nur im Kopf und auf der Leinwand, sondern auch im Miteinander. Damit sind wir schon längst im zweiten von sieben Teilen der Ausstellung, der FAMILIE heißt und von den kargen Bedingungen des Aufwachsens mit fünf Geschwistern erzählt, aber auch von der Detailtreue, mit der Gustav die Verstorbenen auf ihrer Liege festhält und uns das Tote daran zeigt.

 

Der dritte Raum spricht von der Secession, diesem Abbruch vom Alten, dem Wiener Künstlerhaus, der 1897 mit Aplomb und gemeinsam z.B. mit Koloman Moser erfolgte und dem Aufbau des Neuen, das als Abspaltungsgebäude Joseph Maria Olbrich 1898 bauen durfte und wo die 14. Ausstellung dann zur Beethovenausstellung 1902 den berühmten Beethovenfries zeigte. Dieses hinreißende Gemälde SONJA KNIPS, das Klimt 1897/98 malte, ein Hauch von einem Porträt im Freien im Frühling und so irgendwie poetisch japanisch, hatten wir schon zuvor  lange betrachtet. Verblüfft sehen wir dann im Katalog als Abb. 2 auf Seite 69 einen Damenkopf aus Privatbesitz, das frontal genau dasselbe Gesicht zeigt und zwar auf eine Weise selbstsicher und so etwas mondän, wie es eigentlich erst Marlene Dietrich und Nachfolgerinnen ins Bildprogramm des kulturellen Gedächtnisses brachten. Fortsetzung folgt.

 

Bis 6. Januar 2013

 

Katalog:

Gustav Klimt 150 Jahre, hrsg. Von Agnes Husslein-Arco und Alfred Weidinger, 2012, Belvedere, Wien (Prestel Verlag). Der 360 Seiten starke Katalog ist so opulent wie die Ausstellung selbst. Ganz nach Klimt hat man ihn wie die Ausstellung eben auch inszeniert. Schon den Titel schmücken in Gold der Schriftzug des Malers und sein Jubiläum und daß in Vergrößerung die Gesichter vom KUSS inmitten des gold-gelb wogenden Umfeldes prangen, gefallen hätte das dem Gustav Klimt. Keine Frage. Und uns auch. Da sieht man übrigens in dieser Vergrößerung auch sehr gut, dies weiche, sehr symbolistisch gemalte Antlitz der Frau, hingegeben und doch auch in der Hingabe bewußt, daß wir zuschauen. Interessant auch das Fingerspiel, auf das man sonst nicht so achtet. Seine knochig und so ein bißchen in Richtung Egon Schiele und ihre die seinen umfassend. Zärtlich, berührend und gerade die Balance haltend zum Kitsch.

 

Direktorin Agnes Husslein stellt die von Anfang an bestehende Verbindung von Maler und der Modernen Galerie heraus, denn als 3. Bild kam schon 1908 durch Ankauf das heute DER KUSS genannte LIEBESPAAR in Besitz des Museums, das heute in aller Welt als Synonym für WIEN UM 1900 und für KLIMT gelten kann. Schmerzlich, die Weggänge in Folge von Restituierungen, von denen man sich gut vorstellen könnte, daß sie bei einem anderen geschichtlichen Verlauf als Leihgaben weiterhin im Belvedere hingen. Auf jeden Fall sehr eindrucksvoll, daß sich bis heute 101 Kunstwerke von Gustav Klimt im Belvedere befanden.

 

Das wird in einem der folgenden sieben Essays näher beleuchtet, die allesamt von der Klimt-Rezeption angefangen den Weg seiner Bilder im Belvedere beschreiben. Sinnvoll sind dann in den thematischen Einheiten neben vielem zusätzlichen Bildmaterial auch die in der Ausstellung hängenden Werke ganzseitig und mit großer orangefarbener Numerierung klar geschieden, so daß auch der, der nur rasch nach einem Bild der Ausstellung sucht, schnell fündig wird. Eine Gesamtliste der Werke der Ausstellung findet sich dann ab Seite 321 zusammenfassend.

 

Für eine Information sind wir dem Katalog äußerst dankbar. Auf Seite 12 können wir vom klimtkritischen Karl Kraus lesen: „Er hatte die Bilder …bei Klimt bestellt, als dieser noch in der braven Art der…und sich höchstens ein paar Makart’sche Extravaganzen gestattete. In der Zwischenzeit war aber dem Maler der Khnopff aufgegangen, und jetzt ist er, damit die Geschichte nicht ohne Pointe bleibt, ein Pointillist…“. Unwillkürlich denkt man, was hätte heute Kraus’sche Sprachkraft für ein Potential.

 

Es gibt ein umfangreiches Begleitprogramm, das Sie bitte der Webseite entnehmen. www.belvedere.at