Es waren bewegte Zeiten, in die Martin Johann Schmidt hineingeboren wurde. Kaiser Karl VI. regierte das große Reich der Habsburger, und eben erst konnte der Venezianisch-Österreichische Türkenkrieg beendet werden. Für Künstler gab es damals ein reiches Betätigungsfeld hierzulande. Das ist wohl auch der Grund, warum sein Vater hierher gezogen ist. Der Geburtsort Grafenwörth liegt gut 60 km entfernt von Wien. Das war damals schon eine ganz schöne Reise. Aber abgeschnitten von den aktuellen Tendenzen war man damals auch in der Provinz nicht.


Welche Erklärungen haben Sie dafür, daß der in Kunstwelt und Gesellschaft einst sehr populäre Maler in Österreich ein bekannter Name blieb und in Deutschland, vor allem im westlichen, östlichen, nördlichen Teil, fast unbekannt ist?

wien kaltarDer Ruhm des Kremser Schmidt beruht vor allem auf seiner Tätigkeit als Maler für Kirchen und Klöster. Er war anfänglich regional tätig, war später aber auch in ferneren Gegenden ein gern gesehener Künstler. Und wenn jemand bei Ausflügen in Österreich - und in Niederösterreich im Speziellen - immer wieder mit den Altarbildern des Kremser Schmidt konfrontiert ist, dann hält das auch die Erinnerung an ihn wach. Seine Werke sind zum Großteil für einen konkreten Bestimmungsort geschaffen worden, wo sie sich oft noch heute befinden. Auch wenn er in österreichischen Museen mit vielen Werken vertreten ist, so ist er kein "musealer" Künstler wie ein Tizian oder ein Rubens. Wer den Kremser Schmidt wirklich kennenlernen möchte, muss eigentlich sehr viel herumreisen. Das ist nicht so bequem, wie wenn man die Alten Meister in dichter Versammlung in den großen Museen sehen kann.

Und das ist wohl der Grund, warum die Bekanntheit des Kremser Schmidt mit zunehmender Entfernung seiner Wirkungsstätten schwindet.


Der Ausstellungstitel Kremser Schmidt oder Kremserschmidt läßt ja ahnen, daß es da noch andere Schmidts gibt...

Ja, Schmidt ist wirklich kein seltener Name! Zu Lebzeiten des Kremser Schmidt gab es auch einen Wiener und einen Berliner Schmidt. Der eine, Johann Georg Schmidt, ist ein Vertreter des österreichischen Barock und hat sehr viele Altarbilder geschaffen. Und der andere, Georg Friedrich Schmidt, ist vor allem als Druckgrafiker bekannt, dessen großes Vorbild Rembrandt war.


Der Maler ist vor allem aus seinen, meist großformatigen Altarwerken bekannt, die meist noch in den Kirchen hängen, für die sie geschaffen wurden - von unterschiedlichen Auftraggebern. In der Ausstellung haben Sie sein Oeuvre thematisch dreigeteilt. Warum und wie verhielt es sich bei den nicht religiösen Bildern mit Auftraggebern.

Die Auftraggeber von kirchlicher Seite kennen wir ganz gut, weil es auch entsprechendes Archivmaterial dazu gibt. Die Äbte und Prälaten haben ja gleichsam eine Institution vertreten, wodurch das einen offiziellen Charakter hat. Wer die Adressaten für die mythologischen Darstellungen und die Genreszenen waren, können wir heute nicht mit Sicherheit sagen. Es müssen auf jeden Fall private Kunstliebhaber darunter gewesen sein. Vermutlich entstanden aber auch Werke für den Vorrat beziehungsweise für den Handel - und nicht für einen konkreten Auftraggeber.


wien kportratAus welchem Grund haben Sie als Titelabbildung auf dem Katalog das Bildnis des Domherrn Wödl um 1768 genommen, den übrigens einige Besucher erst mal für den Meister selber hielten.

Wir haben uns vorab abteilungsübergreifend beraten, welche Gemälde für Plakat, Einladung und Katalogcover in Frage kommen. Und irgendwie ist gerade das "Bildnis des Domherrn Wödl" bei allen auf große Sympathie gestoßen. Und das, obwohl allen bewusst war, dass es kein Selbstbildnis des Künstlers ist. Das war für mich doch etwas erstaunlich, hat mich aber sehr gefreut, weil es ein interessantes Werk ist.


Ich bin der selben Meinung, daß dies ein für die damalige Zeit ungewöhnliches, geradezu modernes, eher nach innen, als zur Repräsentation gestaltetes Porträt ist. Das Bild ist mit 1786 datiert, dasselbe Jahr, in dem er das Urteil des Midas als Aufnahmewerk für die Kupferstecherakademie schuf und einreichte. Wäre er mit dem Porträt nicht aufgenommen worden?

Wer Mitglied der Akademie werden wollte, hatte wohl auch das Bedürfnis zu zeigen, dass mehr in einem steckt als bloß das Handwerk gut zu beherrschen. Die Auseinandersetzung mit Themen aus der Mythologie ist auf jeden Fall anspruchsvoller als das Malen eines Porträts. Auch wenn solche durchaus als Aufnahmewerke akzeptiert wurden. Doch der Kremser Schmidt war primär ein Historienmaler - und als solcher wollte er sich auch bei dieser Gelegenheit präsentieren.


Ich selbst habe versucht, in der Ausstellung nach einer künstlerischen Entwicklung des Malers, seines Malstils gesucht. Immer wenn ich etwas zu fassen glaubte - Beispiel etwa: aus der dunklen erdfarbenen Periode zur Farbigkeit - kam mir wieder ein Bild dazwischen, das Schmidt viel später und äußerst dunkel Ton in Ton malte. Wie würden Sie sein malerisches Werk qualifizieren, d.h. sind Früh-, Haupt- und Spätphase mehr zeitlich oder auch als stilistischer Fortschritt zu werten.

Im Frühwerk hält er noch an den etablierten Formen des Hochbarock fest. Das merkt man vor allem daran, dass die Figuren oft sehr zahlreich sind und die Bildfläche dominieren. Ab den 1750er-Jahren treten dann verstärkt die Bilder mit dem charakteristischen Helldunkel auf. Das war gewissermaßen ein geschätztes Markenzeichen des Kremser Schmidt, weshalb sich diese Manier dann durch sein restliches Schaffen zieht. Er war diesbezüglich aber nicht engstirnig und hat immer wieder etwas Neues ausprobiert, was zu Werken in kräftigen Farben geführt hat. Im Spätwerk tritt dann eine weitere Reduktion ein, auch eine besondere Effizienz im Umgang mit Farbe als Material. Eine eindeutige Bewegung vom Früh- zum Spätwerk gibt es vor allem auch in Bezug auf den Pinselstrich, da die Malweise zunehmend offener, großzügiger wurde.


Meist gibt es ja auf den religiösen und genrehaften Bildern nur wenig Bildpersonal. Schon deshalb, weil die gewollte Rührung des Betrachters die Nähe weniger Personen voraussetzt. Darum fielen mir solche Bilder wie z.B. Judith mit dem Haupt des Holofernes von 1785 auf, die sowohl die Massenszenen der Kreuzigungen in der deutschen Renaissance wiederaufnehmen, wie aber auch vorwegnehmen, was ein Salonmaler wie Hans Makart später schuf. Gibt es dazu Forschungen, ob Makart diese Kremserschmidtbilder kannte?

Dass sich Hans Makart wie auch sein Zeitgenosse Hans Canon intensiv mit den Werken der Alten Meister beschäftigt haben, ist bekannt. Doch welche Seherlebnisse ein Makart in seine eigenen Bilder einfließen hat lassen, ist nur bedingt nachvollziehbar. Werke wie die "Judith mit dem Haupt des Holofernes" befanden sich damals ja noch nicht in den Museen, sondern meist in privatem Besitz, was die Spurensuche noch weiter erschwert.


Der Bildträger ist beim Kremser Schmidt meist die Leinwand, vereinzelt Holz und sehr vereinzelt Kupfer, bzw. Zinkblech. Was war dafür jeweils ausschlaggebend?

Prinzipiell war Leinwand immer schon ein einfach zu verwendender Bildträger, der auch für große Formate gut zu verwenden war. Auch die Transportfähigkeit der fertigen Werke - etwa durch Aufrollen und späteres Aufspannen am Bestimmungsort - ist viel besser. Andere Materialien erlauben mitunter eine andere Strahlkraft der Farben, sind aber für größere Formate nicht geeignet. Wie etwa versilbertes Blech, dass der Kremser Schmidt ebenso verwendet hat. Insgesamt war er da sehr experimentierfreudig und hat etwa auch auf Messing gemalt.


Zur Funktion der Skizzen im ersten Raum links. Dem heutigen Betrachter bedeuten sie mehr als große, ausgemalte Altarwerke. Sind sie wirklich Entwurfsskizzen zur Auftragserteilung und was geschah mit ihnen, wenn ein Auftrag erteilt wurde und wenn nichts daraus wurde.

In der Regel waren diese kleinen Bilder tatsächlich die Entwürfe für die großen Gemälde - und damit auch Vertragsgrundlage. Denn niemand mochte und möchte gerne die Katze im Sack kaufen; vor allem, wenn es um große Altarbilder geht, die drei, vier oder mehr Meter hoch sein können. Was genau mit den Ölskizzen später passiert ist, lässt sich schwer sagen. Manche Auftraggeber haben sich ausbedungen, dass auch die Entwürfe in ihren Besitz übergehen. Und andere dürften im Atelier des Künstlers verblieben sein, wo sie auch für die Schüler wertvolles Vorlagenmaterial waren. Einige Skizzen wurden ja auch kopiert. Fest steht, dass das Sammeln dieser kleinen Werke, die sich oft durch einen besonders flotten, modernen Farbauftrag auszeichnen, bereits im 18. Jahrhundert sukzessive in Mode gekommen ist.


Bildschirmfoto 2018 10 26 um 11.39.17Und zum Schluß: Welches Bild aus der Ausstellung wollten Sie mit nach Hause nehmen, wenn ich es Ihnen schenken dürfte. Und warum?

Das ist eine sehr schwierige Frage, da ich zu vielen Werken einen "guten Draht" habe. Doch auf eine konkrete Frage eine konkrete Antwort: "Christus und der ungläubige Thomas" aus dem Leopold Museum. Dieses Gemälde hat eine unglaubliche Ruhe und ist in der Ausarbeitung sehr qualitätvoll. Auch erzählerisch, denn eine biblische Szene wiederzugeben, ohne die Heiligkeit der Dargestellten zu sehr betonen zu müssen und pathetisch zu wirken, erfordert großes Feingefühl und Können.


Fotos:
© belvedere.at

Info:
Die Ausstellung ist gerade eröffnet worden und wird im Oberen Belvedere bis zum 19. Februar 2019 gezeigt.

Katalog zur Ausstellung DER KREMSERSCHMIDT. ZUM 300. GEBURTSTAG, Hrsg. Stella Rollig, Georg Lechner, Belvedere Wien 2018

Gelungen ist neben der eindrucksvollen Ausstellung auch der Katalog, der schon deshalb wichtig ist, weil selbst diejenigen, die den Maler noch kennen, dennoch über Lebens- und Werksumstände wenig wissen, was man hier nachholen kann. Das für mich persönlich Wichtige ist, daß alle gezeigten Werke auf 63 Tafeln auf je einer eigenen Seite in ihrer Farbigkeit abgebildet sind und umfassende Dokumentationen über den Weg des Bildes durch die Zeit besitzen, wie es heute, wo Provenienzforschung fast Alltag in Museen geworden ist, üblich sein sollte.