tagesmütter 2653 2Besuche bei Tagesmüttern im östlichen Main-Kinzig-Kreis

Hanswerner Kruse

Hasselroth / Elm (weltexpresso) - Sieben Tagesmütter erkunden in Begleitung mit ihrer fachlichen Leitung Katja Stange (Projekt PETRA) einen Tag lang im Wald bei Hasselroth das Thema Märchen durch eigene Erfahrungen: Die Frauen tasten sich, mit verbundenen Augen entlang an einem Seil durch das Gehölz. Danach lauschen sie entspannt dem Märchen vom Müllerssohn, der von Zwergen zum Dank für eine gute Tat in ihrem unterirdischen Reich verköstigt wird. Einzelne oder Paare finden in der Nähe magische Orte, meist Eingänge zu „Zwergenhöhlen“, die sie mit Naturmaterialien gestalten, dann den anderen zeigen und dabei das Märchen weiterspinnen.

Bei einem Besuch in Elm berichtet Tagesmutter Marion Klingelhöfer später, „die weitere Fortbildung war noch richtig gut!“ Gemeinsam suchten die Frauen mit dem Anleiter Florian Szczodrowski (Hessisches Jugendwaldheim) nach Umsetzungsmöglichkeiten für die von ihnen betreuten Kids, lernten neue Geschichten kennen und erfuhren, warum Kinder Märchen für ihre Entwicklung brauchen.

Mara 2828Während des Gesprächs reicht die Tagesmutter an Emanuel, Emilia und Ayla klein geschnittene Äpfel, Trauben und Tomaten. Das ist das zweite Frühstück“, meint sie. Ihre fünf Kinder im Alter von eineinhalb bis zweieinhalb Jahren, von denen heute zwei fehlen, kommen morgens gegen 8 Uhr. Dann frühstücken sie gemeinsam - das ist der Tagesmutter ganz wichtig, damit die Kinder nicht in Konkurrenz um mitgebrachte Süßigkeiten oder unterschiedliche Leckereien geraten.  

Im Anschluss liest sie ihnen etwas vor oder malt, bastelt und spielt mit den Kleinen.Oft geht sie auch mit ihnen raus und besucht Kühe und Pferde in der Umgebung oder unternimmt etwas im nahen Wald. Später essen alle zusammen Mittag, danach werden einige abgeholt, die „Schlafkinder“ legen sich hin und werden bis 15 Uhr betreut.

„Tagespflege ist kein Babysitting“, erklärt Klingelhöfer, „wir haben eine Ausbildung und einen klaren Bildungsauftrag! Wir decken die Betreuung ab, wenn kleinere Kinder noch nicht in die Tagesstätte gehen können oder Eltern eine flexible Unterbringung brauchen. Bei uns lernen sie Teamfähigkeit und soziale Kompetenz und bekommen gerade durch die Kleingruppe und eine Bezugsperson Sicherheit.“ Die gelernte Arzthelferin hat selbst drei, mittlerweile erwachsene Kinder und machte 2004 die Grundausbildung als anerkannte Tagesmutter. In den letzten Jahren absolvierte sie zwei aufwendige - mittlerweile gesetzlich geforderte - Zusatzausbildungen mit Praktika in vorschulischen Einrichtungen. Sie selbst hat bereits acht Praktikantinnen bei sich gehabt.

Jährlich müssen die Frauen der Tagespflege zwanzig Fortbildungsstunden nachweisen. Dazu gehören etwa die Märchenfortbildung im Wald oder, einige Tage zuvor, ein Abend zum Thema „Hochsensible Kinder.“  Die sind nicht krank, gingen aber früher in Kindergruppen oft unter. Heute weiß man, dass das Gefühlsleben dieser überaus empathischen Kinder sehr stark entwickelt ist. „Sie reagieren nicht so wie andere Kinder und benötigen ihren eigenen Rhythmus“, sagt Klingelhöfer. „Wir sind auch Ansprechpartnerinnen für Eltern solcher Kinder, das gehört zur Tagespflege dazu.“ „Ich kann mir keine schönere Arbeit vorstellen“, meint sie zum Abschied, „die Eltern haben ein gutes Gefühl durch die intensive fachliche Betreuung und ich bin mein eigener Chef.“

Info:
Das Jugendamt überprüft regelmäßig die Standards und die Sicherheit der Tagespflegestellen. Die Eltern zahlen die Hälfte des Betreuungsgeldes an das Jugendamt, etwa 120 Euro für zwanzig, 300 Euro für fünfzig Wochenstunden. Das Amt bezahlt wiederum die Tagesmütter.

Katja 2843Drei Fragen an Katja Stange zur Kindertagespflege

Die Dipl. Sozialpädagogin arbeitet seit 18 Jahren in verschiedenen Abteilungen des Projekts PETRA. 2014 übernahm sie die fachliche Beratung für die derzeit zehn Tagesmütter in Schlüchtern und Sinntal. Die Frauen arbeiteten vorher oft pädagogischen oder medizinischen Berufen und sind im Alter von 25 Jahren bis Ende 50.

Sie vermitteln zwischen Eltern und Tagespflege und beraten die Tagesmütter, was ist der Unterschied zum Kostenträger Jugendamt?

Ich kontrolliere die Tagesmütter nicht, sondern berate und unterstütze sie, zudem biete ich Gruppenabende zur Praxisreflexion und zum Austausch an. Außerdem berate ich die Kommunen beim weiteren Ausbau und vernetze mich mit anderen Fachstellen. Für die Eltern suchen wir passgenaue Tagespflegepersonen aus, die Nachfrage nach familienartiger Unterbringung mit einer Bezugsperson ist groß, gerade für die kleineren Kinder.

Sie suchen weitere Tagesmütter, welche Bedingungen sollten die erfüllen?

Voraussetzung ist ein Hauptschulabschluss, sowie Verantwortungsbereitschaft, Spaß an der Arbeit mit Kindern und geeignete Räumlichkeiten. Interessierte müssen eine Qualifikation zur Kindertagespflegeperson beim Jugendamt absolvieren. Es ist eine selbstständige Tätigkeit, in der die Arbeitszeiten flexibel gestaltet werden können.

Ist es eine Besonderheit, dass das Projekt PETRA diese fachliche Unterstützung anbietet?

Ja, diese freiwillige Leistung gibt es nicht überall. Die Kommunen Schlüchtern und Sinntal wissen, dass der Bereich der Kindertagespflege immer stärker wächst und eine gute, flexible Betreuungsalternative darstellt. Sie schaffen deshalb für die Eltern Ansprechpartner vor Ort. Ein Fokus liegt für mich in der Qualitätssicherung. Die Tagesmütter haben mittlerweile gutes Fachwissen, das durch angepasste Fortbildungen ständig wächst.

Fotos:
© Hanswerner Kruse

Infos:
Projekt PETRA Fachliche Leitung Kindertagespflege Katja Stange 06661 - 962721