coronaKundenservice der WELT zu Corona vom letzten Freitag, Serie: 29. 2

WELT Corona-Update

Hamburg (Weltexpresso) - Ulrike Guérot (im Foto) gehört zu den schärfsten Kritikern der deutschen Corona-Politik und hat in der Vergangenheit auch radikale Forderungen gestellt. Unser Korrespondent Jörg Wimalasena hat mit ihr gesprochen und erfahren, warum sie glaubt, dass in Deutschland ein „Ausscheren aus dem Konsens" kaum möglich war und was sie als „übergriffig" empfindet.

WELT: Vergangene Woche ging der Bundestag nach einer Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj fast nahtlos zu einer Impfpflicht-Debatte über. In vielen Nachbarländern laufen die Maßnahmen aus, in Deutschland dominiert das Thema noch immer Politik und Medien. Woran liegt das?

Guérot: Wir sind ja für unsere „deutsche Gründlichkeit“ bekannt. Wenn wir etwas machen, dann machen wir es bis zum bitteren Ende. Ich war während der Pandemie unter anderem in Südfrankreich und Italien. Da hat man sich nicht so gestresst. Da zieht man halt die Maske erst auf, wenn die Polizei kommt. Natürlich gab es da auch strenge Regelungen, aber die Gesellschaft hat anders reagiert.


WELT: Welche Erfahrungen haben Sie in Deutschland gemacht?

Guérot: Vor kurzem wollte ich Brot kaufen und stand draußen mit Abstand und Maske. Trotzdem bat mich eine Frau, noch ein wenig weiter zurückzugehen. Vor einer Drogerie war eine Kundin am Eingang, die gerade herauskam, empört, dass ich nicht gleich zwei Meter wegspringe.
 
 
WELT: In Ihrem neuen Essay „Wer schweigt, stimmt zu“, beschreiben Sie zunächst die gesellschaftlichen Veränderungen, die die Pandemiepolitik verursacht haben. Sie kritisieren die Einschränkungen von Grundrechten und die mangelnde Debatte zu den gesellschaftlichen Folgen von Lockdowns. Welche Grundrechte wurden eingeschränkt?

Guérot: Die Menschenwürde ist unterspült worden, weil wir de facto erwachsenen Menschen verboten haben, Leute zu treffen. In einer freien Gesellschaft sollte es dem Opa freigestellt sein, seine Enkel zu sehen – unter Inkaufnahme eines Risikos. Statt der feministischen Losung „Mein Bauch gehört mir“ wurde die Verantwortlichkeit für die Gesundheit des anderen zur Norm – man sollte sich unbedingt impfen lassen. Denunziantentum wurde zum Volkssport. Man verpetzte den Nachbarn, wenn der fünf Gäste zu Hause hatte. Das fand ich in höchstem Maße übergriffig.
 
 
WELT: Warum – glauben Sie – waren trotz der von Ihnen beschriebenen Paradigmenwechsel die Zustimmungswerte auch für einschneidende Covid-Maßnahmen dann so hoch?

Guérot: Laut Statista fanden im Januar 2022 49 Prozent die Maßnahmen „gerade richtig“, weitere 25 Prozent wollten „härtere Maßnahmen“, das sind zusammen über 70 Prozent. Aber wie kommen diese Mehrheiten zustande? Der Konformitätsdruck war sehr hoch. Vielfach haben mir Bekannte gesagt, dass sie zum Beispiel die strikten Ausgangssperren auch unverhältnismäßig fanden, aber „bei mir im Büro, oder in der Schule oder im Ministerium konnte ich das nicht offen sagen.“ Ausscheren aus dem Konsens war fast unmöglich. Keiner wollte „unsolidarisch“ sein.



DER LICHTBLICK

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Quelle: Kay Nietfeld/dpa

Viele der ukrainischen Flüchtlinge, die bei uns in Deutschland ankommen, sind nicht nur sehr erschöpft und zum Teil traumatisiert, sie konnten auf ihrer Flucht auch kaum auf Corona-Schutzmaßnahmen Rücksicht nehmen. Und in vielen Erstunterkünften ist es schwierig, sich an alle Hygieneregeln zu halten. Immerhin wird das Thema nun zur Chefsache: Am Montag besuchen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und die zuständige EU-Kommissarin, Stella Kyriakides, das Aufnahmezentrum in Berlin-Tegel und informieren über die medizinische Versorgung. Im ehemaligen Flughafen Tegel sollen bis zu 10.000 Menschen vorübergehend Zuflucht suchen können.
 
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Das gesamte Interview von Jörg Wimalasena mit Ulrike Guérot finden Sie auf welt.de.