Alma Mahler-Werfel: Femme fatale und unheilbare Antisemitin, Teil 8
Elvira Grözinger
Berlin (Weltexpresso) - Während ihrer Ehe mit Werfel begann 1932 das Liebesverhältnis der über 50jährigen Alma mit dem katholischen Geistlichen Johannes Hollnsteiner (1895-1971), der ganz nach ihrem Geschmack nationalistisch und antisemitisch war. Er trat während des Studiums in Erlangen für den Ausschluss der Juden aus der Deutschen Studentenschaft ein. Während des Austrofaschismus war er kein offener Gegner der Nationalsozialisten, aber eng mit Kanzler Schuschnigg verbunden, der aber dem Druck Hitlers nicht standhalten konnte und am 11. März 1938 zurücktrat. Zwei Tage später erfolgte der „Anschluß“ und Hollnsteiner wurde von der Gestapo verhaftet und saß 11 Monate in Dachau.
Werfel hingegen solidarisierte sich mit Juden und den politisch Verfolgten, wieder den verbotenen Sozialdemokraten zugewandt, resignierte und ließ die Affäre geschehen. Werfel war nicht konvertiert, stand aber seit seiner Kindheit und dem Einfluss seines Kindermädchens dem Katholizismus nahe. Alma hingegen war schon 1900 zum Protestantismus konvertiert. Nun, unter dem Einfluß von Hollnsteiner, trat sie wieder der katholischen Kirche bei. Während Österreich 1936 durch die Ehrung des Juden Mahler die angebliche Toleranz und Weltoffenheit mimte, benutzte Alma den damals noch einflußreichen Hollnsteiner, um die ihr unliebsamen, ehemaligen Widersacher Mahlers wie den Direktor der Staatsoper Felix Weingartner (1863-1942) zu bekämpfen. Denn sie war nicht einverstanden mit der Verlegung der Büste Mahlers von Rodin an eine neue Stelle in der Oper. Der scheinheilige Hollnsteiner schrieb daraufhin an den Kanzler Schuschnigg eine Denunziation, einen Bogen zum angeblichen, Österreichs Ruf schädigenden, Antisemitismus des unmoralischen Direktors, „der eine Jüdin nach der anderen zu Frau genommen hat“ wobei er seine eigene Einstellung einflocht: „Ich habe nie ein Hehle daraus gemacht, auch im Hause Mahler-Werfel nicht, dass ich einen gesunden Antisemitismus für notwendig halte.“ Der ahnungslose Weingartner wurde zum Rücktritt gezwungen. Alma hat gewonnen.
Alma war eine gefühlskalte Frau, was ihr selbst aufgefallen war – es „ging sie alles wenig an“, was sie nicht interessierte, unmittelbar betraf oder berührte, was aber auch durch ihre Schwerhörigkeit verstärkt gewesen sein könnte. Sie hatte eine manipulative Persönlichkeit und war eine Intrigantin mit ausgeprägter Rachsucht. So entzweite sie durch Tratsch und Unwahrheiten Thomas Mann und Wassily Kandinsky mit Arnold Schönberg. Sie verhinderte auch, dass Kandinsky, mit dem sie eine alte Rechnung zu begleichen hatte und der am Bauhaus Kunst unterrichtete, die dort 1923 neu zu besetzende Stelle des Musikdirektors mit seinem Freund Schönberg besetzte. Ausgerechnet sie, die notorische und rabiate Antisemitin, setzte ein Gerücht im Umlauf, dass Kandinsky und Gropius wüste Antisemiten wären. Schönberg, der ihr geglaubt hat, sagte daraufhin in Weimar ab. Der ahnungslose Kandinsky war erschüttert und befürchtete sogar, Schönberg leide unter Verfolgungswahn. Nur Gropius verstand sofort, dass Alma dahinter steckte, denn er erlebte, wie Alma bei einem Besuch in Weimar versucht hatte, Kandinsky zu verführen. Er widerstand und machte sie sich zur Feindin, die seither auf Rache sann. Nur Schönberg wusste nichts von alledem.
Um das leider unschöne und problematische Bild der Persönlichkeit Alma Mahler-Werfels abschließend abzurunden, hier einige weitere Details. In der sehr stark überarbeiteten Autobiographie Mein Leben von 1960 im S. Fischer Verlag sind Almas „Ausführungen über rassenpolitische Probleme“, wie Paul von Zsolnay ihren Antisemitismus vornehm beschrieben hatte, komplett verschwunden. Es dominiert darin Almas Maskerade als „die stets verführerische, bis zur Selbstaufgabe der Kunst dienende und von allen Männern abgöttisch geliebte sinnliche Muse“. Das Buch fand wegen der erotischen Bekenntnisse reißenden Absatz, wodurch ihr Name mit dem der „Josephine Mutzenbacher“ verbunden wurde, wie Albrecht Joseph (1900-1991), der jüdische Sekretär von Franz Werfel und einer von Almas Schwiegersöhnen, berichtete. Er stand auf Distanz zu ihr, war ein scharfer Beobachter und charakterisierte Alfred Hess, den Butler, Chauffeur, Gärtner, Almas Trinkpartner und Werfels Kammerdiener in Los Angeles so: „Er verbreitete die von ihr lang vermisste Aura eines rein arischen Mannes.“ Ihm selbst machte Alma Vorwürfe, weil er nicht bereit war, mit ihr mehr als ein Glas zu trinken: „Benimm dich nicht wie ein Jud, setz dich hin und trink ein Glaserl Schnaps!“, denn am Nachmittag hatte die Hausherrin bereits den größten Teil ihrer täglichen Flasche des Likörs Bénédictine zu sich genommen, der ihm aber zu süß war und er nahm nur ein Glas Whiskey, was sie wiederum zum Anlass nahm, ihre Überzeugung zu vertreten, dass Juden auch hinsichtlich des Trinkens den „Ariern“ unterlegen waren. Erich Remarque, ein Ko-Emigrant, mit dem sie ihren Worten nach „eine neue große Freundschaft und Saufgenossenschaft gefunden“ habe, beschrieb sie in seinem Tagebuch keineswegs positiv und zutreffend: „Werfel u. seine Frau. Die Frau ein wildes blondes Weib, gewalttätig, saufend. Hat bereits Mahler unter die Erde gebracht. War mit Gropius u. Kokoschka, die ihr scheinbar entkommen sind. Werfel wird nicht. Wir soffen. Sie pfiff Werfel wie einen Hund, war stolz darauf; er kam auch. Das erboste mich u. wodkaumflossen, sagte ich ihr die Meinung.“ Und Joseph berichtete von den Streitigkeiten der Eheleute auch über die Nachrichten aus Europa. Amerika war damals noch nicht in den Krieg eingetreten und für Alma waren die Alliierten degenerierte Schwächlinge, während die Deutschen, inklusive Hitler, Supermänner. Werfels Erklärung für ihren Starrsinn lautete „man darf nicht vergessen, dass sie eine alte Frau ist“.
Almas deutschnationale Ansichten wurden durch ihre Freundschaft mit dem Ehepaar Gustave Otto und Gusti Arlt genährt und verstärkt. Sie machte die Bekanntschaft der beiden ausgerechnet bei Arnold Schönberg. Gustav Arlt, Sohn deutscher Einwanderer, lehrte Literaturwissenschaft an der University of California. Für Albrecht Joseph, dessen Erinnerungen Hilmes vielfach verwendet, waren sie aufdringliche Wichtigtuer und politisch hochgradig suspekt. Arlt war ein überzeugter Antikommunist, Antisemit und dem deutschen NS-Regime nahestehend. Das Paar hetzte Alma geradezu gegen alles Russische und Demokratische auf, was ihr willkommen war, denn sie gab zu, „dass ein Teil ihrer Anziehungskraft für sie darin bestand, dass sie reine Deutsche waren.“ Werfel konnte die beiden nicht ertragen. Gusti Arlt war für ihn „die schlimmste Karikatur einer deutschen Hausfrau, die man sich überhaupt vorstellen konnte […] grotesk hässlich und dick […]“. Als Werfel die Nachricht erhielt, dass sein Vater am 31. Juli 1941 in Marseille gestorben war, drängten sich die Arlts ihm auf und schlugen eine Besichtigungstour mit gemeinsamen Abendessen vor. Da Alma wie immer völlig herzlos reagierte und den Vorschlag begeistert aufnahm, ging Werfel unwillig mit, um Alma nicht zu verärgern.
Einer von Werfels engsten Freunden im Exil war Friedrich Torberg (1908-1979), den er flüchtig von Wien her kannte. Torberg bewunderte Alma zwar als starke Frau, ärgerte sich aber immer über ihre Dialogunfähigkeit, während sie ihm in ihrer selbstsüchtigen Art heftige Vorwürfe machte, weil er Werfel geschrieben hatte, dass in New York er und nicht sie das Thema der Gespräche war. Das ertrug Alma nicht und ihr Judenhass kam wieder zum Tragen: „Bös‘ war ich Dir, als Du Franzl schriebst, Ihr habt viel über ihn gesprochen! Bin ich denn ein Hund? Ich bin Euch halt doch fremd, Ihr bösen Juden Ihr! […] Und wenn Ihr unter Euch seid, lass Ihr mich unter den Tisch fallen!“ Torberg glaubte immer noch, sie mit Gegenargumenten besänftigen zu können und beeilte sich zu versichern, dass sie, die „liebste Freundin“ von allen geliebt sein würde. Alma veranstaltete Empfänge, bei denen sie sich in den Erfolgen ihres auch nunmehr in den USA immer erfolgreicheren Gatten sonnte – insbesondere 1942 nach dem Erscheinen seines The Song of Bernadette - und die von berühmten Emigranten, nicht ohne die Arlts, frequentiert wurden.
Währenddessen gärte es zwischen den Eheleuten, weil Alma Werfel ständig Vorhaltungen machte, dass sie nur seinetwegen die Heimat verließ, während es die Juden angeblich freudig und freiwillig taten - ihr bodenloser Zynismus verletzte ihn zutiefst, wogegen er aber machtlos schien. Sie meinte damit auch Werfels Mutter und Schwester, die nach dem Tod des Vaters in die USA flüchten konnten: „Die Juden erleben jetzt noch eine Prüfung, noch eine Strafe drauf […]. Die Jüngeren haben sich nach Amerika gerettet und die Alten blieben zurück und gedachten in der wohlbekannten Umgebung ihr Leben zu beschließen. Aber Hitler lenkte anders. Und nun müssen die Juden alles tun, um die alten Juden – innerlich weit entfernt - mit ungeheuren Geldopfern herüber kommen zu lassen.“ Alma pflegte stets die Klagen über die Horrortaten der Nazis mit Gegenargumenten zu bagatellisieren. Sie meinte, man sollte nicht verallgemeinern, die Nazis hätten schließlich auch viele lobenswerte Dinge vollbracht und „diese Horrorgeschichten seien von den Flüchtlingen erfundene Phantasiegespinste.“ Sogar ihren zeitweise-Schwiegersohn, Annas 4. Mann, den aus Russland stammenden Dirigenten Anatol Grigorjewistch Fistoulari, hasste sie, als sie erst Jahre später erfuhr, dass er Jude war.
Während die Juden den Zusammenbruch des Hitlerreiches als Befreiung erlebten, empfand Almas Familie ihn als persönlichen Untergang. Almas Halbschwester Maria und ihr Mann Richard Erbstaller, beide langjährige Mitglieder der NSDAP, sowie Almas Stiefvater Carl Moll nahmen Gift, weil für sie das Leben ohne Hitler sinnlos erschien. Hollnsteiner, Almas früherer Liebhaber, nahm bald nach Kriegsende den Kontakt zu ihr wieder auf, der seit 1938 abgebrochen war. Er erklärte: „Da man mir die Freundschaft mit Euch u.a. zum Vorwurf gemacht hatte, konnte ich ja leider nicht wagen an Euch zu schreiben, ohne mich aufs neue schwer zu gefährden.“ Er war aus dem Orden ausgetreten, was alle schockierte und hatte auch geheiratet und Alma, die das auch als einen Verrat ansah, antwortete ihm kalt, nahm Abschied und siezte ihn dabei. Allerdings hat sie, mit 75, sich seiner wieder erinnert. Ihre Unstetigkeit auch in den persönlichen Kontakten war stets darauf gerichtet, wo sie es als lohnend sah, auch nach Konflikten einen positiven Eindruck zu machen und Sympathie zu gewinnen.
Alma wurde am 8. Februar 1965 an der Seite ihrer Tochter Manon auf dem Grinzinger Friedhof beigesetzt. Die Trauerrede sollte ihr langjähriger Freund Carl Zuckmayer halten, sagte aber ab. Er schrieb an Albrecht Joseph die Begründung für seine Absage: „Offen gesagt, […] hätte ich ohnehin keine rechte Lust gehabt, sie noch einmal (in New York) wiederzusehen, - so sehr ich immer die Stärke und das Einmalige ihrer Persönlichkeit geschätzt und bewundert habe. Doch ist sie mir, bei allem Spaß, den man an der Buntheit, Farbigkeit, Lebensbegabung, sogar an der Hemmungslosigkeit und Gewalttätigkeit dieser Natur haben konnte, durch dieses allzu hemmungslose Memoirenbuch, (dem allerdings etwas Gigantisches, nämlich an Taktlosigkeit und Verfälschungen, innewohnt), recht zuwider geworden. […] So hat die Nachricht von ihrem Tod bei uns zwar viel Erinnerung, gute, heitere, beklemmende, aber keine ausgesprochene Trauer hervorgerufen.“
Die Stärke, die so oft bei Alma als Eigenschaft erschien, war um so prononcierter, je schwächer die Männer waren, an denen sie diese exerzierte. Oft waren ihre männlichen Partner kleiner als sie und signalisierten damit bereits ihre Unterlegenheit. Sie, die „Arierin“, wie sie sich gern definierte, dominierte die in ihren Augen schwächeren und minderwertigeren jüdischen Männer, deren „Genie“ sie allerdings suchte. Im Laufe der Zeit wurde Alma „eine der Großen Liebenden aller Zeiten, ein Überweib im Stil der Renaissance, eine Halbgöttin“, schrieb Albrecht Joseph, die sich „für die Muse großer Künstler hielt, ohne es zu sein.“ Aber dieses Image, das ihren Nachruhm bestimmt – „the Great Alma“19 - es war alles an ihr groß, das Selbstbewussstsein, die Statur, der Busen und die große Anzahl ihrer berühmten Männerkontakte - beruhte vielfach auf ihren Selbststilisierungen, welche der Wiener Feuilletonist Hans Weigel parodiert und ad absurdum geführt hat. Er persiflierte Almas Autobiographie Mein Leben, die später von dem Schriftsteller und Literaturkritiker Hans Wollschläger als „hochtrabendes, bis zur Hirnrissigkeit konfuses Geschwätz“ verrissen wurde, und von der er meinte, dass „nur das bisschen Unterleib“ bleibt. Alma schaffte es allerdings, bereits zu Lebzeiten ein Mythos zu werden – geliebt und gehasst, verehrt und abgelehnt, bewundert und verachtet. Sie war in Ermangelung anderer Errungenschaften ihr eigenes größtes Kunstwerk, das „Große“, das sie immer schaffen wollte und es ist ihr gelungen.
Anmerkung
19 „Big Alma“. Vgl. der Dokumentar-Film von Susanne Freund über sie: https://www.youtube.com/watch?v=pCMGbC2oBF8
Foto:
Hollnsteiner mit Alma und Manon Gropius 1933 in Almas Villa auf der Hohen Warte
©https://www.alma-mahler.at/deutsch/almas_life/hollnsteiner.html