Serie: FLÜCHTLINGSGESPRÄCHE; Teil 6

Marion Klingelhöfer

 

Schlüchtern/Hessen (Weltexpresso) -„Ich möchte so schnell wie möglich Deutsch lernen“, sagt die 32jährige Tselote Tigneh, die seit zehn Monaten im „Frauenhaus“ auf Hof Reith lebt, der Gemeinschaftsunterkunft des Main-Kinzig-Kreises für Geflüchtete in Schlüchtern.



Tselote kann sich recht gut verständigen. Mit Freude und viel Engagement besucht sie alle Deutschkurse, die das Brücken Café den Geflüchteten anbietet, geht regelmäßig ins Check In, dem Jugendzentrum der Stadt Schlüchtern, zum Nähkurs, beteiligt sich an Ausflügen, Treffen und zum gemeinsamen Kochen. Am liebsten würde sie schwimmen lernen und Volleyball spielen. Sie sprüht vor Elan und Willenskraft, hier in Deutschland zu arbeiten, gerne möchte sie eine Ausbildung machen.



In ihrer Heimat, Äthiopien, hat sie als Friseurin gearbeitet, dann geheiratet und zwei Kinder bekommen. Ambo heißt das Dorf, in dem sie lebte, drei Stunden von der Hauptstadt Addis Abeba entfernt. Als sie von ihren Kindern anfängt zu erzählen, fällt ihr das Sprechen schwer. Seit vier Jahren hat sie ihren Sohn, vierzehn Jahre, und ihre Tochter, die im Mai zehn Jahre alt wird, nicht mehr gesehen. Sie berichtet über die politische Situation in Äthiopien und wie politische Parteien verfolgt werden. In so einer Diktatur ist es ihr unmöglich zu leben. Gemeinsam mit ihrem Mann planten sie ihre Flucht. Sie beschlossen, dass Tselote, deren Namen „Beten“ bedeutet, von Südafrika aus nach Deutschland fliegen sollte. Sämtliche Verwandte und Freunde beteiligen sich an den Kosten für den Flug. Damit seine Frau den gefährlichen Weg nicht allein gehen musste, liefen sie beide los. Es war ein Gewaltmarsch von vier Monaten, dann erreichten sie Südafrika. Ihre Kinder wurden bei Verwandten untergebracht und sie hofften, sich bald wieder zu sehen.



In Südafrika ging sie Gelegenheitsjobs nach. „Es war hart dort, keine Menschenrechte, hohe Kriminalität“, Tselote seufzt und senkt den Blick. Nach drei Jahren hatten sie es geschafft. Tselote konnte in ein Flugzeug steigen das direkt in Frankfurt landete. Ihr Mann blieb in Südafrika.



In Frankfurt wurden ihre Fingerabdrücke genommen und sie wurde schließlich nach Hof Reith gebracht. Nun wartet sie voller Ungeduld auf Post vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das entscheidet, wie es mit ihr weitergehen soll. Eigentlich hatte sie die schriftliche Zusage, im GAMA Altenhilfezentrum in Schlüchtern, zur Probe in der Küche zu arbeiten. Mitte April hätte sie dort in der Küche zur Verrichtung leichter Küchenarbeiten anfangen können. „Ich habe mich so auf die Arbeit gefreut“, sagt sie, „mir ist es auf Hof Reith oft so langweilig“. „Ich möchte arbeiten, etwas tun und vielleicht hätten sie mich ja übernommen, wenn ich gut gearbeitet hätte!“



Doch aus „rechtlichen Gründen“ wurde ihr der Einsatz verweigert, da eine sog. „gemeinnützige“ Arbeit bei einem privatwirtschaftlichen Unternehmen wie die GAMA nicht möglich war. Am 01. April 2015 eine Zusage, und acht Tage später, die Absage. Tselote ist sehr traurig darüber, sagt, sie fühlt sich wie in einem „Schwebezustand“.



Sie versteht es nicht, hat sie doch das Recht, nach dreimonatiger Aufenthaltszeit, in Deutschland zu arbeiten. Die Agentur für Arbeit ist jedoch stets gehalten, zu prüfen, inwiefern deutsche Bewerber und EU- Bürger Flüchtlingen vorgezogen werden müssen. „Ich leide sehr darunter“, sagt sie. Tselote fühlt sich wohl in Deutschland, mag die Menschen und möchte bald perfekt mit den „freundlichen Deutschen“ sprechen können. Sie hofft, dass sie bald arbeiten, Mann und Kinder zu sich holen kann. Mit ihrem griechisch-orthodoxen Glauben vertraut sie fest auf Gott, sie hofft und glaubt innig daran, dass er ihr weiterhelfen wird.



Foto: Hanswerner Kruse