Bildschirmfoto 2021 12 09 um 00.11.55SAFE-Direktor Jan Krahnen zum Ampel-Koalitionsvertrag

Hubertus von Bramnitz

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die neue Bundesregierung hat heute offiziell die Amtsgeschäfte übernommen. Der Koalitionsvertrag gibt dabei Aufschluss über die Richtung der Finanzmarktpolitik in der anstehenden Legislaturperiode. Jan Pieter Krahnen, Direktor des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE, äußert sich dazu wie folgt:

„Bemerkenswert an der Koalitionsvereinbarung ist, dass die neue Bundesregierung ihrer politischen Agenda ein Oberziel verordnet, nämlich die proaktive Umgestaltung unseres Wirtschaftssystems hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft. Die Koalition will sich dabei auf eine langfristige Rahmensetzung konzentrieren, bevor bestimmten Industrien oder Lebensbereichen Vorschriften gemacht werden. Die sogenannte Ampel-Koalition gibt sich also die Formel: Ordnungspolitik anstelle von diskretionären Einzeleingriffen. Der so gesteckte Kurs wird erhebliche Anpassungen an den Finanzmärkten auslösen.

Die Regierungskoalition kündigt an, europäische Antworten auf finanzmarktbezogenen Fragen zu finden. Damit soll die auch von Deutschland in den vergangenen Jahren betriebene Blockierung weiterreichender Reformen überwunden werden, etwa bei der Vollendung der Bankenunion, der Einlagensicherung oder der Ausgestaltung nachhaltiger Finanzierungspolitik. Die ebenfalls in der Koalitionsvereinbarung enthaltenen ‚roten Diskussionslinien‘, zum Beispiel bei der Struktur des nationalen Bankensystems, weisen auf Konflikte in Europa und Deutschland hin, die es noch auszufechten gilt, wenn eine Vollendung der Bankenunion tatsächlich gelingen soll.

Das heute für viele Beobachterinnen und Beobachter neue und zentrale Thema grüne Finanz- und Geldpolitik taucht überraschenderweise nicht im Koalitionsvertrag auf – jedenfalls nicht im Sinne eines einzelner Handlungsvorgaben für Banken, Versicherungen oder Investmentfonds. Konkrete Reformen werden hier nicht erkennbar, wohl aber die allgemeine Linie einer koordinierten, an Transparenz orientierten Rahmensetzung. Stattdessen wird die mögliche Rolle eines gestärkten Kapitalmarktes herausgestellt.

Das somit indirekt formulierte Ziel, durch Rahmensetzung ein führender Standort für nachhaltige Finanzprodukte werden, ist ein Wegweiser für die zukünftige Regulierungsarchitektur. Behält die neue Bundesregierung diesen Kurs konsequent bei, besteht eine Chance auf einheitliche, glaubwürdige Marktaufsicht auf europäischer Ebene und umfassende Transparenz, die eine Marktbewertung nachhaltiger Investitionen überhaupt erst ermöglicht. Damit würde sich auch eine Tür öffnen, die Innovationen auf dem Finanzmarkt zur Stärkung der Nachhaltigkeit zulässt, die Förderung von Investoreneinflussnahme eingeschlossen.“

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Info:
Das Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE („Sustainable Architecture for Finance in Europe“) widmet sich der interdisziplinären Erforschung der Finanzmärkte und ihrer Akteure in Europa sowie einer wissenschaftsbasierten, unabhängigen Politikberatung. Das Institut setzt auf die Zusammenarbeit von Forscherinnen und Forschern aus den Wirtschaftswissenschaften, der Rechtswissenschaft und der Politikwissenschaft sowie auf die Vielfalt wissenschaftlicher Methoden.