Drei Frankfurter organisieren das Kulturprogramm des Deutschen Pavillons auf der EXPO 2015

 

Roman Herzig und Anja Prechl

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – In der Tat kommt es einem inzwischen so vor, als habe das Ereignis in Mailand schon stattgefunden, denn Weltexpresso hat schon mehrfach über den Deutschen Pavillon auf der nächsten EXPO berichtet. Allerdings meist über diese schwebend-webende Architektur. Jetzt hört man, was dort los sein wird.

 

Musiker, Lyriker, DJs, Tänzer, Designer und Straßenkünstler werden bei der Weltausstellung in Mailand zeigen, wie überraschend Deutschland ist. Hinter dem Programm „Fields of Culture, Growing Ideas“ stecken die Kreativen Claus Fischer, Mike P. Heisel und Wolfgang Weyand.

 

Deutschland ist anders als man denkt. Deutschland ist kreativer als sein Ruf. Deutschland ist sympathisch. Nur wenige scheinen das zu wissen, viele haben es noch nicht bemerkt. Nicht einmal die Deutschen selbst. Ihnen und allen anderen werden Claus Fischer, Mike P. Heisel und Wolfgang Weyand zeigen, wie überraschend Deutschland ist: vom 1. Mai bis 31. Oktober auf der EXPO Milano 2015.

 

Fields of Culture, Growing Ideas. Deutschland. Ungewöhnlich. Überraschend” ist das Motto des Kulturprogramms, mit dem die Frankfurter Agentur Voss+Fischer gemeinsam mit den Musik- und Kulturmanagern Weyand und Heisel die Bühne, das Deck und die Freifläche des Deutschen Pavillons auf der Weltausstellung bespielt. Es soll zeigen, wie sich Deutschland seit Beethoven und Goethe entwickelt hat, dass es weit mehr ist als Maschinenbau, Automobilbranche und Bankwesen. „Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist die drittstärkste Branche Deutschlands“, weiß Claus Fischer.

 

 

Europaweite Ausschreibung

 

Den Auftrag für das Kulturprogramm erhielten Voss+Fischer, Heisel und Weyand nach einer europaweiten Ausschreibung von der Messe Frankfurt. Sie ist Generalunternehmer des Deutschen Pavillons mit dem Titel „Fields of Ideas“, verantwortet dessen Durchführung und Betrieb. Die Messe Frankfurt ist im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie auch für Ausschreibungen verantwortlich und hatte die Konzepte zur Gestaltung des Kulturprogramms durch eine Experten-Kommission bewerten lassen. Darunter befanden sich Fachleute der Musikmesse, der Prolight+Sound sowie der Festhalle. Das Ziel ist ein Pavillon „aus einem Guss“, dabei soll die Botschaft des Deutschen Pavillons übergreifend vermittelt und auch durch das Kulturprogramm geprägt werden.

 

 

Der Name ist Programm

 

Dieser widmet sich gemäß dem EXPO-Motto „Feeding the Planet, Energy for Life“ der Präsentation Deutschlands als Nation, die sich den großen Fragen der Welternährung stellt, in der Nachhaltigkeit und bewusster Umgang mit der Natur großgeschrieben werden. Im Deutschen Pavillon „Fields of Ideas“ – seine Architektur ist der deutschen Feld- und Flurlandschaft nachempfunden – erfährt der Besucher von den Quellen der Ernährung. Themenbereiche wie Boden, Wasser, Klima und Artenvielfalt bis zu Lebensmittelproduktion und Konsum in der urbanen Welt werden mittels der Exponate dargestellt. Die verschiedenen Stationen bieten überraschende Lösungsansätze aus Deutschland für die Ernährung der Zukunft.

„Das Konzept ,Fields of Culture'“ ist in sieben Felder unterteilt: Literatur, Theater, Film, Art, Dance, Music und Games“, erklärt Claus Fischer. Die Bühne des Pavillons gehört den Autoren, Tänzern, Performancekünstlern und Musikern. Bands aus dem ganzen Land treten dort auf, Sänger, Chöre, Avantgardegruppen. Jeden Sonntag wird Jazz gespielt, jeden Freitag werden auf einer LED-Wand Filme gezeigt. DJs laden abends zum „German Sunset“ auf das Deck ein. Die Freifläche vor dem Pavillon gehört den Straßenkünstlern. Bei internationalen Straßenkunstfestivals in Lörrach und Linz hat Heisel nach den besten und außergewöhnlichsten gesucht. Jongleure, Stelzenläufer – am liebsten auch Feuerspucker. „Aber die dürfen wir wegen der Brandschutzvorschriften nicht engagieren“, sagt er.

 

 

Überraschende Auftritte

 

Freilich suchen Heisel und Weyand nicht jeden Künstler selbst aus. „Wir sind keine Intendanten“, sagt Weyand. „Aber wir kennen alle.“ Aus Theatern, von Verbändern, Akademien oder Organisationen kommen die Vorschläge für das EXPO-Programm, Beziehungen knüpfen ist eine der wichtigsten Aufgaben der Organisatoren. Viele Künstler und Kreative gehen selbst auf Heisel und Weyand zu. Ihre Telefone stehen kaum noch still, ihre E-Mail-Postfächer werden voll und voller. „Wir nehmen auf, bewerten, filtern. Wir prüfen, sammeln Informationen, klären logistische und technische Fragen“, erklärt Heisel. Weyand ergänzt: „Wir sind nicht für alle die Glücksbringer.“ Nicht jeder, der sich bei den Kulturmanagern meldet, ist geeignet für einen Auftritt auf der Weltausstellung. Nicht, weil er nicht gut genug ist. Für manche Formationen fehlt auf der Bühne des Deutschen Pavillons schlichtweg der Platz. Ein Sinfonieorchester lässt sich dort unmöglich unterbringen. Auch etablierte Künstler bekommen nicht automatisch einen Freifahrschein nach Mailand. „Wir wollen Künstler, die uns überraschen“, sagt Claus Fischer.

Die können laut sein, wie die Schülerband aus Schleswig-Holstein, die sich in einem Wettbewerb gegen 1.000 andere Teilnehmer durchgesetzt hat. Sie können gänzlich unbekannt sein, wie die Nachwuchsgruppe, die Heisel bei einem Besuch im Goethe-Institut Mailand entdeckt hat. „Sie haben vor 400 Schülern gespielt und jeder einzelne konnte ihre Lieder mitsingen“, erzählt er. Und sie können zu den Bekannten gehören, die Deutschland zu bieten hat – wie Roger Cicero beispielsweise.

 

 

Keine leichte Aufgabe

 

Das Programm soll ein Schaufenster der Kreativität Deutschlands sein“, sagt Claus Fischer. Für die Künstler ist das keine leichte Aufgabe. Sie sollen Menschen begeistern, die nicht gezielt wegen des Auftritts eines Lyrikers, Tänzers oder Gitarristen in den Deutschen Pavillon kommen. Vielmehr werden sie das Publikum – Fischer, Heisel und Weyand rechnen größtenteils mit Familien und Schülern aus Italien – im Vorbeigehen für sich gewinnen. Noch kann niemand genaue Aussagen über die Besucherströme machen, zum jetzigen Zeitpunkt wissen die Organisatoren nicht, ob es im nächsten Jahr vielleicht einen musikalischen Newcomer geben, geschweige denn, wer das sein wird. Entsprechend wird der kulturelle Beitrag Deutschlands am 1. Mai 2015, dem ersten Tag der EXPO Milano, noch lange nicht fertig sein. „Es ist ein dynamischer Prozess“, sagt Claus Fischer.

 

 

Besondere Strahlkraft

Sechs Monate Laufzeit, 700 Programmpunkte, drei Flächen, die bespielt werden – selbst für erfahrene Agenturchefs und Kulturmanager wie Claus Fischer, Wolfgang Weyand und Mike P. Heisel ist das keine alltägliche Aufgabe. Zwar haben sie alle schon Projekte ähnlicher Größenordnung gestemmt – Voss+Fischer arbeiten für Kunden wie die Linde AG oder Gruner+Jahr, Weyand war im Team der 1.200 Jahr-Feier Frankfurts, verantwortete die Großveranstaltung Sound of Frankfurt, Heisel betreute bei Sony Music Künstler wie Michael Jackson und Bruce Springsteen. Doch hat das Projekt „Fields of Cultures. Growing Ideas“ eine besondere Strahlkraft. „Die EXPO ist eines der größten Außendarstellungsprojekte Deutschlands“, weiß Fischer.