Schäuble hintertreibt die ohnehin nur bedingt gerecht angelegte Ausgestaltung der Lohnuntergrenze 1)

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Politik laboriert, wie üblich, erneut an einem Nebenschauplatz. Ihr ist offenbar immer noch nicht genügend einsichtig, dass die Schulden mit den Vermögen in einem systemisch inneren Zusammenhang stehen, dass die Kapitalkonzentration aus vielfach entrechteter und entwerteter Arbeit stammt, mit der sie befüllt wird und so nebenbei auch für den Finanz-Tsunami, der droht wie Klimaextreme, mitverantwortlich ist.

 

Auch wenn die Dimensionen, die sich um den Mindestlohn drehen, eher „Peanuts „sind – weil sie auch nicht viel ändern -, tut die Politik sich um so schwerer im Kleinen und Kleinteiligen. Immer wieder ist das Prinzip des ignoranten Wegschauens und der Abkehr vom Wesentlichen, was Politik ausmachen müsste, am Werk.

 

Wahrheit der unschönen Geschichte ist, dass die einfache Arbeit Enteignung, Erniedrigung und Beschämung erfährt, aber nachher die Finanzcrashs bezahlen muss. Die Bundesbürger haben in der Finanzkrise 70 Milliarden aufbringen müssen.

Der Steuerverlust durch Steuerhinterziehung beträgt jährlich 10 Mrd. Euro, der Verlust aus Steueroptimierung 20 Mrd. Die Interessen der 'Mindestlöhner' sind für die Politik nur ein Bereich 'unter ferner liefen'. Sie stellen den Rest der Gesellschaft, obwohl sie sich im Fünftel- bis Viertelbereich des Gesellschaftskorpus bewegen.

 

Es wird in Hinsicht auf die Interessen mächtig gestellter Kreise andauernd zurückgewichen. Nun auch wieder beim Mindestlohn. Es ist wieder das sonderbar-merkwürdige und so unheimlich auf uns wirkende Umfallen, jenes Opfern Schäubles vor den mächtigen, durchweg überversorgten und überbegüstigten Selbstinteressen großmächtiger Kreise, auch Lobbies genannt, die Schäuble alles mögliche erzählen können - und er pariert. Wo hat sich bloß das Rückgrat Schäubles hingemacht?

 

 

Rumpfsache Mindestlohn

 

Erinnern wie uns: Im Zusammenhang mit dem Mindestlohn ging es darum, eine 'für alle Welt' und viele Länder als unmittelbar einsichtig gehaltene Lohnuntergrenze einzuziehen. Dies würde – obwohl im Umfang ohnehin eher mickig angelegt -, die von der Politik von langer Hand ermöglichte, in Entscheiderzirkeln geplante Niedriglohn-Unkultur um ein kleines Quentchen zurückdrängen

 

Am Abend der Meldung der FR (wie weiterhin noch erläutert) eine aus früherer Zeit bekannte Reinigungskraft im U-Bahnschacht zufällig angetroffen. Man grüßte sich. Bei Nachfrage, wie die denn Praxis damals, als die Wege sich kreuzten, gewesen sei, gesagt, dass ihre beauftragte Fremdfirma vier Stunden bezahlt habe, jedoch um das Pensum zu schaffen, sieben Stunden erforderlich waren (was gemeinhin üblich ist). Nun verwundert sich da einer doch, dass am selben Tag (der Meldung) die Angelegenheit unvermittelt in die Alltagsrealität des Tags der Meldung eintritt und zum Thema am Bahnsteig wird.

 

Erinnern wir uns auch: die Koalition hatte schon mit dem Entwurf aus Juni/Juli diesen Jahres den Aufweichungen und Relativierungen des Mindestlohns Tür und Tor offen gehalten. Das Härteste aber des ersten Entwurfs war, dass sie zwei Kategorien von Menschen eingeführt hat: Menschen unter 18 und Menschen über 18. Das war schon eindeutig verfassungsfeindlich. Dem Autor liegt ein Gerichtsurteil aus einem zurückliegenden Fall der Rechtspflege vor. Damals urteilte die Richterin über einen ähnlich gelagerten Fall – hierdurch die Klagenden dann ins Recht setzend - eine Unterscheidung 'in solche' über 18 'und solche' unter 18 sei unzulässig. Es gebe keine verschiedenen Menschen - über 18 und unter 18. Der Akt der Ingegensetzung muss daher, abzuleiten für alle folgenden Fälle auch, als patriarchalisch-autoritäre Verhängung von Ungleichheit gelten.

 

Im Frühsommer wurden bereits Möglichkeiten von Ausnahmen geplant als da waren: die Anstellungen in freiwilligen Praktika; Saisonarbeit und Zeitungszusteller; Erweiterung der Sozialabgabenfreiheit bei Erntehelfern, Anrechnung von Kost und Logis (hier merkt man, wes Geistes Kind am Werk ist). Des weiteren waren großzügige Übergangsfristen für den Mindestlohn geplant, wobei es hinsichtlich der Betroffenen immer gleich um 'Mengen' im Millionenbereich geht. Es war aber gleichzeitig geplant, dass es dann aber keine weiteren Ausnahmen geben solle. Dies ist aber nun doch der Fall geworden.

 

 

Exkurs: es haben sich eine Reihe von Benachteiligungen eingespielt, die der betrieblichen Praxis in nicht organisierten Betrieben entspringen. Dies beinhaltet oft, dass Überstunden nicht bezahlt werden, Mehrarbeit unvergütet bleibt, auch nicht mal Teilausgleich erfolgt. Eine Million Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind übrigens ohne Arbeitszeitregelung.

 

Am meisten betroffen sind Frauen in überwiegend Frauen zugesprochenen Tätigkeiten wie Arzthelferin und Friseurin. Manche dieser Berufsgruppen, wie etwa Taxifahrer oder Zeitungsausträger/innen, werden nicht nach Stunden bezahlt. Der Mindestlohn wäre daher außerhalb des Systems. Hier 'greift' die Bestimmung der „betriebsüblichen Arbeitszeiten“, ein Gummiparagraphenbegriff, der Willkür Tür und Tor öffnet. Besondere Gefährdungen eines im übrigen naturrechtlich zu begreifenden Arbeitnehmerrechts bringen die Betriebe mit weniger als 5 Beschäftigten mit sich. Es gibt in der Regel keinen oder nur einen geringen Organisationsgrad, zumal über eine Gewerkschaft, die über eine Einhaltung wachen könnte. Auch Betriebsräte fallen hier oft fast völlig aus bzw. sind schlicht unüblich. Ebenso spielen die persönlichen Beziehungen in Kleinbetrieben eine retardierende Rolle beim Aushandeln und Vereinbaren von rechtlich und fair gestalteten Regeln, wenngleich es solche in den besten Betrieben eines Fachs durchaus gibt.

 

 

Weitere Steigerung der Aushöhlung der Mindestlohnidee

 

Was Schäuble nun plant und eingefädelt hat, erinnert wieder an die gängige Praxis des Zurückweichens und des kynischen Wegtrollens vor den machtvollen Interessen, typisch für die Person Schäubles. Angelpunkt sind: „Zeiträume“, die zur Disposition - via Beliebigkeit - stehen. Hier muss Trickserei zum System werden, nach allem, was gängig ist, von dem wie mehr oder weniger hinter vor gehaltener Hand hören. „Die Regelungen waren von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Mittwoch ins Kabinett eingebracht und dort verabschiedet worden“ (FR 28.11.2014)

 

Skandalös ist, dass durch die jetzt so gut wie schon erlassenen weiteren Regelungen die Steuer- und Abgabengesetze unterlaufen werden, auf die die Steuerverwaltung eigentlich stolz war und wofür erheblicher Personaleinsatz stattfand, um die Einhaltung des Gesetzes sicherzustellen durch aktives Eingreifen. Was ist im Kern geplant? „Konkret werde die Verordnung, die neben Zustellern und Straßenreinigern auch Beschäftigte im Winterdienst, in der Abfallsammlung und im Gütertransport betreffe, dazu führen, dass Arbeitgeber zur Erledigung bestimmter Arbeitsumfänge einen Zeitraum festlegten, den sie dann zum Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde entlohnen...“ (FR 28.11.2014) - „Zum einen würden diese Zeiträume zu knapp bemessen, so dass tatsächlich länger gearbeitet werde. Zum zweiten sei eine wirksame Kontrolle durch die zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit kaum möglich, wenn nicht Beginn und Ende der Arbeitszeit dokumentiert würden.“ (ebenda)

 

 

Eine Politik die sich selbst untergräbt

 

Ein Minister unterläuft also mit zusätzlichen Bestimmungen Gesetze auch seines eigenen Hauses, für deren Einhaltung er in politischer Moral verantwortlich zeichnet und er düpiert all jene rege tätigen Beamtinnen und Beamten, die der durch Fehlentwicklungen bedingten Steuerhinterziehung und dem vielfach organisierten Sozialversicherungsbetrug hinter her sind, die wir schon in den gelungenen Reportagen der kritischen Magazine und Beiträge sehen konnten, indem wir vor dem Bildschirm für das Gelingen der weiteren Arbeit der Finanzkontrolle fieberten, weil wir möchten, dass es in der Welt gerecht und fair zugeht und nicht alles auf die Seite der Mächtigen und Gewalthabenden übergeht. Die Steuerverwaltung bekommt aus der Arbeit der Finanzkontrolle übrigens eine erkleckliche Summe überstellt, was der Finanzierung der Daseinsvorsorge dient. Denn unsere Gesellschaft ist unterfinanziert, verglichen mit der des Finanzsystems.

 

Steuerfahnder haben für den Staat 2012 so viel Geld eingetrieben wie nie zuvor. Das Aufkommen schnellte um 40 Prozent auf 3,1 Mrd. Euro hoch“. „Am meisten zahlt sich die Kontrolle der Umsatzsteuer aus. Mit sogenannten Karusellgeschäften täuschen professionelle Betrüger Geschäfte vor, um in einem EU-Land Vorsteuer geltend zu machen, ohne sie im anderen tatsächlich abzuführen (FR 22.10.2013) - Durch Personalaufstockung könnte noch viel mehr erreicht werden, denn die Steuer-Gewerkschaft beklagt „immer wieder enormen Personalmangel“. (ebenda)

 

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit vergleicht die Eintragungen zu den Arbeitsstunden mit den tatsächlichen Verhältnissen und Umständen der betrieblichen Realität, die nicht selten anderes besagen und zum Ausdruck bringen und zwar in breitem Umfang, weil sich auch ein Arbeitsmarkt der prekären Beschäftigung und der ungeschützten Arbeitsverhältnisse unter Rot-Grün und Schwarz-Gelb ausgebreitet hatte. Mit Schwarz-Rot sollte es eigentlich anders werden, aber nein, es kommt wie es immer kommt.

 

1)  Mindestlohn wird aufgeweicht“, FR 28.11.2014