Bildschirmfoto 2019 12 07 um 02.40.04Christian Thielemann leitete die Berliner Philharmoniker

Kirsten Liese

Berlin (Weltexpresso) - Am Ende ist man so richtig beglückt. Da scheinen die Qualitäten der Berliner Philharmoniker im beseelt Lyrischen, die sie unter ihrem neuen Chef Kirill Petrenko bislang noch nicht so richtig einbringen konnten, endlich wieder auf. Die herrliche Suite aus dem Rosenkavalier op.59, zweifellos das musikalische Bonbon an diesem Abend mit überwiegend weniger bekannten Stücken von Richard Strauss unter der Leitung von Christian Thielemann, gibt ihnen mit einem Bündel der schönsten Melodien, Motive und Leitmotive aus dieser Oper, dazu Gelegenheit. 

Zumal eben mit Christian Thielemann ein Straussianer par excellence mit ihnen musiziert, dynamisch und klangfarbenreich ausgetüftelt und im Ausdruck exakt auf den Librettotext, den man sich in dieser Instrumentalversion freilich dazu denken muss, abgestimmt. Die melancholisch angehauchte, zärtliche Melodie, die in der Oper die Marschallin anstimmt mit ihrem Hab mir’s gelobt ihn lieb zu haben auf die richtige Weis beginnt in der Orchesterfassung die Solovioline, von Konzertmeister Daishin Kashimoto mit der gebotenen inneren Ruhe, Schönheit und zärtlicher Grandezza angefangen, dann weitergesponnen von dem trefflichen Albrecht Mayer mit seiner Oboe und den auf seiner Klarinette nicht minder beseelt spielenden Andreas Ottensamer. Und was für ein silberner Glitzer, hauchfein wie Konfetti, dringt an unser Ohr, wenn nach einigen burleskeren Strecken, die das finale Tohuwabohu im Beisl abbilden und bei denen Thielemann es auch ordentlich mal krachen lässt, die Violinen im denkbar zärtlichsten Pianissimo die Melodie zur Rosenüberreichung anstimmen Wie himmlische, nicht irdische.

Bis in kleinste Fingerzuckungen hinein dreht da der Meister einmal mehr an kleinsten Stellschrauben, um kurz darauf aus den Berlinern ein Wiener Kolorit bei dem betörenden Walzer Ohne mich aus ihnen hervorzuzaubern. Was für eine Darbietung! Da hört man, wie empfindsam dieses Spitzenorchester klingen kann und sollte, wenn entsprechend daran gearbeitet wird.

So erhebend wie dieses Konzert endete, fing es auch an: In Gedenken des gerade verstorbenen lettischen Dirigenten Mariss Jansons musizierten Christian Thielemann und die Berliner vor dem offiziellen Programm das Vorspiel zu Wagners Lohengrin, ebenso mit einer anrührenden Pianokultur und hauchfeinen, silbrigen Glitzertönen.

Eigentlich hätte man sich zu dieser genialen Musik andere ätherische Orchesterlieder von Strauss gewünscht wie zum Beispiel den Morgen, Waldseligkeit, Die heiligen drei Könige, Winterweihe oder das Wiegenlied. Stattdessen gab es die weniger bekannten Drei Hymnen von Friedrich Hölderlin für hohe Singstimme und Orchester. Ich bereue es nicht, diese Lieder einmal gehört zu haben, in denen viel Erotik aufscheint, aber auch einiges an Bombast. Allerdings stellen diese Stücke auch hohe Ansprüche an eine lyrisch-dramatische Sopranistin. In Anja Kampe hatte Thielemann zweifellos eine der namhaftesten und besten dieses Faches unserer Zeit, gleichwohl blieben doch Wünsche offen. In der Mittellage singt Kampe wunderbar golden, schlank und mit warmem Timbre, in den Spitzen dann allerdings ziemlich angestrengt und mit einigen Schärfen. Und in die Spitzen geht es in diesen poetischen Gesängen um die Liebe recht oft hinauf. Mit einer Breitmundspannung, auf die sich Kampe versucht,  lassen sich diese  Gipfel kaum schwereloser erklimmen, es bedürfte schon des verstärkten Einsatzes der Kopfstimme, die die meisten Soprane vernachlässigen, wiewohl sich die geniale Strauss-Sängerin Elisabeth Schwarzkopf in ihren Meisterklassen zu diesem Thema regelrecht Fransen an den Mund redete.

Schöne Musik, wenngleich auch keine überwältigende Entdeckung bescherte zu Beginn eine weitere Rarität von Richard Strauss, seine Sonatine für 16 Blasinstrumente Aus der Werkstatt eines Invaliden. Hier und da lassen sich insbesondere in den beiden reizvolleren ersten Sätzen Anklänge an den Rosenkavalier und Capriccio vernehmen, was immerhin auf eine sinnvolle dramaturgische Beziehungskette der Stücke verweist.  Für so exquisite Solisten wie Albrecht Mayer (Oboe), Andreas Ottensamer (Klarinette) oder Emanuel Pahud (Flöte)  erweist sich Stück, das für meinen Geschmack mit knapp 30 Minuten etwas zu lang geraten ist, als ein dankbares. Vermutlich gibt es – außer vielleicht bei den Wiener Philharmonikern- kein anderes Ensemble auf der Welt, das dieses Stück so glanzvoll und perfekt vortragen könnte. Bravo.

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