MoldauEin Fluss, sechs Sätze, ein klingendes Land

Sabine Zoller

Prag (Weltexpresso) - Es beginnt mit einem leisen Murmeln. Hoch oben im Böhmerwald fließen kleine Quellbäche durch moosbedeckte Wälder, vereinen sich zur jungen Moldau – und werden zu Musik. Bedřich Smetana hat diesem Fluss ein musikalisches Denkmal gesetzt: Seine sinfonische Dichtung „Die Moldau“ (tschechisch: Vltava) wurde vor 150 Jahren, am 4. April 1875, in Prag uraufgeführt – und zählt heute zu den bekanntesten Klangbildern der Musikgeschichte.


2025 feiert Tschechien dieses kulturelle Erbe mit einem einzigartigen Projekt: „VLTAVA – slavná & splavná“ (dt. „Moldau – legendär und befahrbar“). Entlang des 430 Kilometer langen Flusses werden Konzerte, Ausstellungen, Lichtinstallationen und Open-Air-Erlebnisse geboten – eine klangvolle Hommage an Smetana und eine Einladung, das Land mit allen Sinnen neu zu entdecken.

Eine Reise in sechs Sätzen – Musik trifft Landschaft

Die Moldau wird dabei zur Bühne, zur Brücke, zur Erzählung – in sechs Abschnitten, die sich an den musikalischen Sätzen des Werks orientieren:

1. Der Ursprung im Šumava:
Im Nationalpark Šumava (Böhmerwald) beginnt die Moldau. Dort, wo Smetana flüsternde Sechzehntel über Flöten legte, taucht die Natur in musikalisches Licht. Wanderwege werden zu Klangpfaden, Vogelstimmen zum Teil der Partitur. Natur-Performances und Open-Air-Konzerte bringen die Musik dorthin zurück, wo alles begann: in die Stille des Waldes.

2. Südböhmen feiert:
Weiter südlich wird der Fluss lebendiger – volkstümlich, lebensnah. In Städten wie Budweis, Český Krumlov oder Holašovice erklingt die Musik der Region in Tanz, Fest und Küche. Jagdhörner, Polka-Rhythmen und Dorffeste spiegeln Smetanas „Bauernhochzeit“ wider. Musikfestivals und kulinarische Märkte machen Südböhmen 2025 zur klingenden Festlandschaft.

3. Der Tanz der Nymphen:
Im ruhigen Mittellauf zwischen Týn nad Vltavou und Orlík liegt das Zentrum des Kulturprojekts. Schlösser und Ufer werden zu Kunstorten: Lichtinstallationen erzählen vom Nymphenreigen, Schloss Hluboká widmet sich romantischer Malerei. Kammerkonzerte, Lesungen und Workshops eröffnen kreative Perspektiven auf die Moldau als Muse.

4. Klangräume am Wasser:
Wo einst Smetanas Noten die Stromschnellen tobend darstellten, breiten sich heute Stauseen wie Lipno und Orlík aus. Sie laden zum Entdecken ein – mit Wassersport, Ausflugsschiffen und Konzerten am Seeufer. Die Ruhe dieser Gewässer ist Teil der neuen Erzählung: Musik trifft Erholung, Klang trifft Weitblick.

5. Schlösser, Schleifen, Stille:
Zwischen Zvíkov, Solenice und Slapy mäandert die Moldau durch felsige Täler. Hier entstehen Klanginstallationen in stillgelegten Kirchen, Lesungen am Lagerfeuer, geführte Moldau-Meditationen. Die Landschaft selbst wird zum Erlebnisraum – poetisch, nachdenklich, fast spirituell. Ein Abschnitt der leisen Töne und großen Aussichten.

6. Prag – das Finale furioso:
Am kulturellen Höhepunkt der Moldau steht Prag. Die Karlsbrücke, das Nationaltheater, das Bedřich-Smetana-Museum – sie alle zeugen von der tiefen Verbindung zwischen Stadt, Fluss und Komponist. Die Ausstellung „Má vlast“ im Nationalmuseum widmet sich bis Oktober 2025 dem Gesamtwerk Smetanas. Besonders eindrucksvoll: das Open-Air-Ballett „Má Vltava“ am Schloss Veltrusy mit Solist:innen renommierter deutscher Ballettensembles. Beim traditionellen Eröffnungskonzert des Prager Frühlings kehrt Smetanas Werk schließlich an seinen Ursprungsort zurück – gespielt von der Tschechischen Philharmonie im majestätischen Smetana-Saal.

Ein Land erklingt – Tschechien als Kulturlandschaft

Was als musikalische Reise beginnt, wird zum Erleben eines ganzen Landes. Denn wer Tschechien entlang der Moldau entdeckt, begegnet nicht nur einem Fluss, sondern auch der Seele einer Nation. Ob im mystischen Böhmerwald, im UNESCO-geschützten Krumlov, im traditionsreichen Budweis oder im vibrierenden Prag – das Festjahr 2025 verbindet Natur, Geschichte und Musik auf inspirierende Weise.

Tschechien zeigt sich dabei als vielfältiges Reiseziel: mit fast 2.000 Burgen und Schlössern, traditionsreicher Braukunst in Pilsen, mährischer Weinkultur rund um Brünn und dem berühmten Bäderdreieck Karlsbad–Marienbad–Franzensbad.

Smetanas Moldau wird so zum Symbol – für Kultur, für Klang, für die Liebe zum Land. Und sie fließt weiter, durch Töne, Zeiten und Herzen.

Foto: Mit 430 Kilometern ist die Moldau nicht nur der längste Fluss Tschechiens, sondern hat den Komponisten Bedřich Smetana darüber hinaus zu seiner gleichnamigen sinfonischen Dichtung inspiriert. © Jiří Jiroušek/VisitCzechia