Montreux-Jazzfestival 2025
Notker Blechner
Montreux (Weltexpresso) - Es gibt im WELTEXPRESSO noch immer nicht die Rubrik: VERGESSEN. Oder VERLEGT. Oder ÜBERSEHEN. Oder UNTERGEGANGEN etc. Sei es von der Redaktion oder dem Autor. Denn nur so kann man erklären, daß heute erst - also auf den letzten Tag vom Jahr 2025 - ein Artikel von einem Ereignis erscheint, das im Juli des Jahres stattfand. Aber besser spät als nie! Zu den Höhepunkten des diesjährigen Montreux-Festivals gehörte der Auftritt von Pop-Diva Grace Jones. Sie bot eine Mega-Show auf der Open-air-Seebühne im Herzen der Stadt. Diese malerische Kulisse am Genfer See wird es jedoch künftig nicht mehr geben.
Ein bisschen Wehmut sah man in den Augen der Besucher, als sie am letzten Festival-Abend die Scène du Lac, die offene Seebühne verließen. Die provisorisch errichtete Arena wird im nächsten Jahr nicht mehr aufgebaut und für immer verschwinden. Die Hauptkonzerte ziehen wieder um in das Kongresszentrum, das nach über zweijähriger Sanierung im April 2026 neu eröffnet wird.
Dabei hatten die Festival-Besucher und selbst die lärmempfindlichen Einwohner der mondänen Stadt die Seebühne lieb gewonnen. Nahezu alle Konzerte, die dort stattfanden, waren beim diesjährigen Festival ausverkauft. Von draußen und von oben aus den anliegenden Häusern verfolgten zahlreiche weitere Menschen die Auftritte der Pop- und Altstars.
"Zauberhaftes Zwischenspiel"
Nun ist Schluss mit dem Provisorium. Festival-Leiter Mathieu Jaton bedauert dies, spricht aber von der «Schönheit des Vergänglichen». Die größte Belastung, mit der das Festival in seiner 59-jährigen Geschichte zu kämpfen hatte, habe sich «in ein zauberhaftes Zwischenspiel» verwandelt.
Die einzigartige Kulisse mit Blick auf den Genfer See lockte zum diesjährigen Festival wieder zahlreiche Musik-Größen an, darunter Diana Ross, Lionel Richie, Chaka Khan, Santana, Neil Young, Alanis Morisette, Pulp und Grace Jones. Manche Künstler wie London Grammar oder Rüfüs do Sol nutzten gar den See als natürliche Kulisse und verzichteten auf die riesige Leinwand an der Bühne. Andere Stars wie Benson Boone benötigten den Genfer See zur Abkühlung. Zum Abschluss seines Konzerts sprang er ins kalte Wasser.
Die große Grace-Jones-Show
Einen begeisternden Auftritt gab die Pop-Diva Grace Jones. Die 77-jährige Amerikanerin, die in Jamaika aufwuchs, zeigte sich als Verwandlungskünstlerin und lieferte eine große Performance mit ständig wechselnden Kostümen und einer feurigen Bühnen-Show. Erst saß sie auf einem Thron wie eine Königin und zelebrierte ihre Erfolgshits aus dem Album «Nightclubbing». Dann stieg sie auf ein Podest und ließ die Hüften mit einem Hula-Hoop-Reifen kreisen zum Song «Slave to the Rhythm».
Natürlich durften auch die anderen Hits wie «Pull up to the Bumber», «I have seen that face before» sowie der Edith-Piaf-Remix «La vie en rose» nicht fehlen. Die Besucher fühlten sich in die 1980er Jahre zurückversetzt, als Grace Jones den Höhepunkt ihrer Karriere erlebte und die meisten Alben produzierte. Nach gut eineinhalb Stunden endete das Konzert, das aus einer Mischung aus Reggae-, New-Wave- und Funky-Tönen bestand. Die Diva verabschiedete sich so wie sie gekommen war – laut und majestätisch. Zum Abschluss ihres Auftritts ließ sie sich von einem Sicherheitsbeamten durch die begeisterte Menge tragen.
250.000 Besucher
Insgesamt 250.000 Besucher strömten in diesem Jahr zum Montreux-Festival – nicht nur wegen Grace Jones. Auch zahlreiche Gratis-Konzerte entlang der Uferpromenade am Genfer See lockten viele Gäste an. Mit Jazz hat das Festival allerdings mittlerweile nicht mehr viel zu tun. Zwar gibt es auf kleineren Bühnen noch Jazzkünstler, die auftreten. Auf den meisten Konzerten sind andere Musikstile zu hören - von Pop und Rock, Soul und Funk, Hip-Hop bis hin zu Afrobeats. Die Organisatoren sprechen von einem «Dialog der Generationen und Musikgenres».
Festival-Chef Jaton zog eine «ultrazufriedene Bilanz» des diesjährigen Festivals. 93% der kostenpflichtigen Konzerte seien ausgelastet gewesen.
Kommen jetzt die Stones?
2026 kehrt das Festival zum 60. Jubiläum wieder in das rundum erneuerte Kongresszentrum zurück. Jaton hofft dann auf ganz große Namen, die nach Montreux kommen. Sein größter Traum wäre, die Rolling Stones in die Stadt am Genfer See zu holen. Die Stones waren schon zwei Mal in Montreux – 1964 beim Fernsehfestival «Rose d’Or» und 1972 bei Proben für ihre USA-Tournee. Beim Montreux-Jazzfestival trat die Band um Mick Jagger noch nie auf. Sie bevorzugt große Stadien mit 60.000 Zuschauern oder mehr. Dementsprechend unwahrscheinlich ist es, dass Jatons Traum in Erfüllung geht. Die Chance, dass die Stones zu seinem Festival kommen, schätzt er auf 1%.
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Info:
Festival 2026: 3. bis 18 Juli
Das Programm des 60. Montreux Jazz Festivals wird im April 2026 bekannt gegeben!



