Richard Strauss' „Rosenkavalier“ von Fassbaender/Rattle in Baden-Baden

 

Kirsten Liese

 

Baden-Baden (Weltexpresso) - Die Marschallin bürstet sich ihr Haar, Oktavian starrt vor sich hin. „Wie du warst, wie du bist“, singt Magdalena Kozená mit ihrem warmen sonoren Mezzo, aber man gewinnt nicht den Eindruck, dass den jungen Galan und die reifere Frau eine innige Leidenschaft verbindet.

 

Von Beginn an waltet eine kühle Sachlichkeit in Brigitte Fassbaenders Inszenierung des „Rosenkavaliers“ bei den Osterfestspielen Baden-Baden.

 

Das bleibt auch so, als die Marschallin das morgendliche Lever brüsk beendet („Mein lieber Hippolyte, heut’ haben sie ein altes Weib aus mir gemacht“) und über die Unabänderlichkeit des Älterwerdens sinniert („Kann mich auch an ein Mädel erinnern“).

 

Zwar singt Anja Harteros schöner denn je, kultiviert und mit schwerelosen Kopf- und Pianotönen, wenngleich bisweilen auch etwas textunsicher, aber so etwas wie Wehmütigkeit oder Melancholie in der Körpersprache gesteht ihr die Regie offenbar nicht zu. Noch nicht einmal beim berühmten Monolog „Die Zeit, die ist ein sonderbar’ Ding’“, da sitzt sie lässig-cool mit übergeschlagenen Beinen im Sofa und doziert.

 

Es stimmt etwas ratlos, warum ausgerechnet die so erfahrene, intelligente Strauss-Interpretin Fassbaender - unvergessen in der Titelrolle des legendären Münchner „Rosenkavaliers“ von Carlos Kleiber und Otto Schenk aus den 1970er Jahren und auch als Regisseurin erfolgreich (zuletzt mit „Ariadne auf Naxos“ in der Oper Frankfurt) – in ihrem fünften (!) „Rosenkavalier“ die spannungsreichen Beziehungen ihrer Figuren nicht auslotet. Vielleicht war die Probenzeit tatsächlich zu kurz bemessen, wie sie in einem Interview anklingen ließ, und womöglich ist ihr die Marschallin als Figur auch einfach zu fremd. Im Gegensatz zu Christa Ludwig und Sena Jurinac, die einst froh waren, als sie die Hosenrolle endlich hinter sich lassen und zur Marschallin aufsteigen konnten, hat es Brigitte Fassbaender nie gereizt, die Seiten zu wechseln.

 

Der zweite und dritte Akt wirken zwar lebendiger und glaubwürdiger, leider aber auch etwas routiniert in den Abläufen. Wie Oktavian der jungen Braut die silberne Rose überreicht, Baron Ochs mit seiner trampeligen Art das Mädchen aus vornehmen Haus in ihren Erwartungen schnell ernüchtert, den Wehleidigen mimt und sich schließlich naiv auf ein pikantes Stelldichein einlässt, hat man so oder so ähnlich schon dutzendfach gesehen.

 

Erich Wonders mit wenigen Mobilarien ausgestattete, etwas beliebig wirkende Bühne unterstreicht die nüchterne Atmosphäre. Ihren Blickfang bilden im Wesentlichen die Prospekte von gemalten oder fotografierten Bildern im Hintergrund, leicht verwaschene Stadt- und Raumansichten in Rot- und Lilatönen, überwiegend einsame, steinerne Orte oder Labyrinthe.

 

Auch die Idee, Stilelemente des Rokoko mit ansonsten sehr heutig wirkenden Figuren zu verbinden ist nicht neu. Sie hatte im vergangen Jahr in Glyndebourne Richard Jones schon wesentlich überzeugender umgesetzt. Da wirkte die Kombination mitunter ziemlich grell, aber das hatte einen eigenen Charme.

In Baden-Baden reduziert sich die Idee in Wesentlichen auf die Kostüme (Dietrich von Grebmer).

 

Auch musikalisch war am Premierenabend noch nicht alles so, wie es sein soll.

Simon Rattle erwies sich am Pult der Berliner Philharmoniker als solider Handwerker, seitens Zusammenspiel, Vielfarbigkeit und Ausdruck ist sein „Rosenkavalier“ allerdings noch ausbaufähig. Zudem wackelte es angelegentlich zwischen Bühne und Graben.

 

Glanzlichter bescheren dieser Produktion allein das vorzügliche Ensemble.

Neben Harteros und Kozena empfahl sich hier einmal mehr Anna Prohaska (Sophie) mit ihrem silbrigen, drucklosen Sopran als eine der schönsten Stimmen unserer Zeit. Nicht zu vergessen der britische Bassbariton Peter Rose (Baron Ochs), im heiklen Falsett seiner Partie ebenso profund und drucklos wie in den tiefsten Registern seines Parts.

 

2009 gab es in Baden-Baden schon einmal einen „Rosenkavalier“ in der Inszenierung von Herbert Wernicke, einer Übernahme aus Salzburg, mit einem ebenso trefflichen Ensemble und dem versierten Strauss-Dirigenten Christian Thielemann am Pult der Münchner Philharmoniker. Sie wirkte viel erotischer und anrührender, zudem ungleich stilvoller mit schönen Dekorationen aus dem Fin de Siècle und musikalisch ausgereifter. An diesen überwältigenden Erfolg kann die jüngste Festspielproduktion der Berliner Philharmoniker trotz der starken sängerischen Leistungen nicht anknüpfen.

 

Foto: Anja Harteros als Marschallin (rechts) und Magdalena Kozena als Oktavian, © Monika Rittershaus