Auf dem Wacken Open Air 2016 überzeugten ‚Triptykon‘ mit E = Ernst, Teil 1/2

Heinz Markert

Hamburg (Weltexpresso) - An der Kleidung zumindest der Jüngeren zeigt sich eher unreflektiert, dass wir uns ästhetisch in einer Endzeitstimmung einrichten, ein Prozess, der sich, wie könnte es anders sein, auch im Heavy Metal niederschlägt und zwar im Black, Death, Speed, Doom und Gothic.

Für den Gothic standen einige Jahre sehr souverän Paradise Lost, mit ihren geschmeidig getragenen, melancholisch-elegischen Akkorden, mit den genretypischen Hebungen und Senkungen, wenn auch nur bis 1997 und dem Album ‚One Second‘.- ‚Draconian Times‘ bildete 1993 schon den nicht offiziellen Abschluss des 80er-Jahre-Gothic von Paradise Lost.


Mechanisierer à la Hypocrisy traten an ihre Stelle (‚Apocalypse‘, ‚The Final Chapter‘). Metal ist die Musikrichtung – die nicht nur Sparte ist -, in der sich die Genregänger durch eine verbindende Lebenseinstellung immer Aug in Aug mit letzten Dingen befinden, zu jeder Stunde, auch wenn das nicht dauernd bewusst gemacht wird und mehr im Grundgefühl beruht. Diese, man könnte sagen, auch sehr Wagnersche Stimmung wird zu einer Ertragsquelle für Kunst. Für die Kunst besonders, die für das ‚E‘ steht. Und dieses E ist die eigentliche Quelle für die hohe Kunst der verschiedenen Abstammungen.

 


Triptykion sind nicht einfach nur Schwarzseher


Aus der Grundeinsicht eines wie auch immer in die Welt gekommenen Verhängnisses wird kein Vorauspinseln des möglichweise Kommenden, so vermitteln es die Lyrics von Triptykon; es ist mehr eine Stimmung, die den unheimlichen Ernst einer noch unbegriffenen Lage halbdunkel verdeutlicht. Konkretere Sinngehalte lagern mehr kryptisch zwischen den Zeilen. Triptykon haben nicht ohne Grund auch eine Assoziation an Kryptikon (das Rätselhafte) im Namenszug. Bei aller dunklen Rätselhaftigkeit: Triptykon sind keine neuromantischen Ironiker der düsteren Magie der Weltgeschichte, die wie andere Spaßvögel des Genres mit Schwarz bloß kokettieren, wenn auch durchaus reizvoll.


Von Triptykon ist zu berichten, dass sie erst in späteren Jahren zur eigentlichen Reifung und Souveränität, als Anschlussprojekt für Celtic Frost, gelangt sind. Entscheidend geht das von dem bestimmenden Tom Gabriel Fischer aus. Er präsentiert sich auf der Bühne mit dem kajalgeschminkten Augenpaar. Er war auch der am 3sat-Wacken-Open-Air-Abend seitens Markus Kavka, dem moderierenden Kundigen des Metals, im Backstagebereich vor dem Auftritt zum kurzen Gespräch gebetene Frontmann.


Überdies aber hat nun auch die Bassistin Vanja Slajh, jünger an Jahren als der Schnitt der Gruppe, konsequent bestimmende Qualitäten miteingebracht, die wesentlich für das Gepräge, die Wirkmacht des neu formierten Ensembles verantwortlich zeichnen. Sie liefert auch das Stück Gegenmacht in der Gruppe, wie am Konzertabend auch die mit Celtic Frost-Zeiten verbundene Simone Vollenweider mit ihrer zunächst in ‚Obscured‘ zu genießenden sonoren Stimme – sie war von Tom auf die Bühne gebeten worden.



Triptykon haben sich erst neuerlich gefunden


Das 1984er Album von Celtic Frost, `Morbid Tales‘ hatte wohl schon Bahnbrechendes zu bieten – den Willen zu starken Wendungen und Ausbrüchen von ‚Speed‘ -, aber diese frühe Ausführung, der Einstieg, überzeugte damals noch nicht. Es war die Gestehungszeit des Metal. - Das Album verstaubte im Regal. Eine gewisse Verfehltheit von Erst- oder Frühlingen rührt auch daher, dass das jugendliche Gemüt sich gern in Überangestrengtheit verliert. Das kann eine böse Falle sein. Eine Ausnahme bildet zum Beispiel der Erstling von Hammerfall (‚Glory tot he Brave‘, 1997). Dieser ist bereits schon selbstreferentiell, schaut gleichsam wie in eine goldene Vergangenheit zurück. Wie oft wurde das Teil 1997 am Nordseestrand gehört, ohne je davon genug kriegen zu können.
Es will daher scheinen, als ob Celtic Frost ihre musikalische Intention erst jetzt, seit etwa 2010 (‚Eparistera Daimones‘) voll begriffen, bewusst erkannt hätten. Über das 2010er-Album heißt es im Metal Hammer (05/2014): ‚Wie ein Hohepriester beschwört Tom seine Dämonen. Die Gitarren werden wie Schleifsteine eingesetzt und zermahlen die Hörnerven. Sie tun weh, wenn es sein muss. Der Sound ist schwer, basslastig und unendlich finster‘. Tom hat Erfahrungen mit sehr realen Dämonen seiner Kindheit, die von Diskriminierung und Nichtbeachtung geprägt war. Kürzlich war sein Mentor (lt. Markus Kavka) H.R. Giger durch Ableben von seiner Seite gewichen.


Von den Gruppen, die am diesjährigen Wackenfreitagabend in 3sat gezeigt wurden, war Triptykon diejenige, welche unmittelbar direkt in Verbindung mit den uralten Themenkreisen des sich selbst reflektierenden Menschentums haften blieben. Sie kann sich zu einer jener Gruppen mausern, die beständig zu Begleitern werden, die also nicht eher nur so für den Spaß und die Tollerei oder die Zerstreuung, wie dann später am Abend Blind Guardian, die Bühne enterten, wenn auch letztere technisch geradezu höllisch perfekt aufspielten. Doch virtuose Technik reicht alleine nicht, auch kein Heroengesang. Metal ist eine Lebenseinstellung der Zwischentöne jenseits der Appien des Triumphes, das wird leicht vergessen.

 

Foto: Aufnahme vom Fernsehbild Sat 3: Vanja SlajhTriptykon


Info:
Der Auftritt von Triptykon auf dem Wacken Open Air 2016, gezeigt in 3sat, 6. August 2016