Anlass: Leseforum der FR vom 10.09.2014 „Ich habe Radfahrer satt“

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Zum Disput um rüdes Verhalten von Radfahrern oder wer die oder der Schlimmste ist beim Fehlverhalten im öffentlichen Verkehr: Radfahrer, Autofahrer oder auch Fußgänger.

 

Die Diskussion ist berechtigt, oft ärgern andere Radfahrer, wenn sie den Fahrradweg oder den zusammen mit Fußgängern genutzten Weg als Autobahn missbrauchen. Das sollte man ihnen auch entsprechend hinterher rufen. Ein forscher Radfahrer auf dem Frankfurter Anlagenring wollte einst partout durchgesetzt haben, dass Hundehalter ihr Hunde anleinen sollen, damit der Radfahrer freie Fahrt hat. Ja, sapperlot, sollen denn Eltern im Park auch ihre Kinder anleinen, während doch der Anlagenring unseres Wissens für Fahrräder eigentlich nicht vorgesehen, nicht erlaubt ist, sondern nur geduldet wird.

 

Selbstverständlich ist es angebracht, Fahrradfahrer protestierend in Schranken zu weisen, wenn diese auf dem Fahrradweg entlang der Nidda Familien mit Kindern wie im Wahn vom Weg an den Rand scheuchen, wie nicht selten zu beobachten ist. Man erkennt an einem solchem Verhalten, wie ein manisch-getriebenes Fortbewegungs-Prinzip alle Verkehrsteilnehmer einnimmt, übrigens durchaus auch so manche Fußgänger, z.B. auf der Frankfurter Zeil (da will man sich selbst nicht ausnehmen).

 

 

Gesamtsituation beachten

 

Andererseits muss die Gesamtsituation gesehen werden. Der physischen Masse und Menge nach ist der Autoverkehr das bei weitem üblere Problemgebiet. Den Ausdruck übel reklamiere ich ausdrücklich. Übel ist der Autoverkehr zunächst im Hinblick auf die jeden Tag zu beobachtenden abstoßenden Umgangsformen, die unter aller Sau sind. Da findet sich schon auch mal der Roller-Fahrer, der einen Autofahrer von hinten anhupt, weil ihm die vorsichtige Voll-Drehung des Autos vor ihm um 180 Grad - womit eine Vollwendung in Gegenrichtung erreicht werden soll - nicht schnell genug geht, obwohl die Regelung die volle Wendung erlaubt (beobachtet an der Kreuzung Hügelstraße/Jean-Monet-Straße in Frankfurt/Main).

 

Was nervt und provoziert: immer wird gleich gehupt und genötigt, gekeilt. Das ist eine Unentspanntheit unerträglicher Art. Überhaupt, dieses abwegige Durchsetzen tatsächlichen oder vermeintlichen Rechts, das ist antizivilisatorisch, kulturfern, ist aber Wesenszug deutschen Autofahrertums. Das Nichtdeutsche ist da etwas entspannter, wie wir längst alle wissen. Es hat uns schon vor Jahren amüsiert, wie französische Autofahrer sich verhalten, wenn ein kleiner Blechschaden statt fand: sie beschimpfen sich gegenseitig kräftig und fahren ohne weiteres von dannen. Etwas von den Hunnen ist den Deutschen wohl doch geblieben. Wilhelm Zwo hat es ja ausdrücklich legitimiert vor dem Angriff auf Belgien. Wer sich meistens mit dem Fahrrad fortbewegt, dem schwillt oft auch der Kamm ob der üblen Szenen rundherum.

 

So begab es sich im eigenen Haushalt, dass Autobahn schon lange so gut wie nicht mehr gefahren wird. Allein aufgrund jener Scheußlichen, die darauf unterwegs sind und dauernde Dominanz beanspruchen. Das will man sich aus Gründen der ästhetischen Erziehung nicht gern antun. Und wenn es doch mal nötig sein sollte, dann mit Car-Sharing, d.h. im Prinzip: nur sehr, sehr wenig. Einstmals wurde die Entscheidung getroffen, der Autoindustrie jeden nur möglichen Cent streitig zu machen.

 

Ums Leben ist uns auf der Autobahn schon etwas bang, aber das ist nicht das Hauptmoment. Denn sind wir darauf auf der Bahn, bewegen wir uns in Richtung der anderen und sind dabei. Das ist Teil des Problems: das in der Masse Mit-Tun. Besonders Autobahn-Fahren ist unerfreulich wegen der Rüpeleien und der sich dauernd auslebenden Aggressionen gegen andere, die als Konkurrenten auf der freien Wildbahn gesehen werden. Beachtet man z. B. die Doppel-Linie im Fall von Mehrspurigkeit und wechselt der Vorschrift gemäß noch nicht auf die Spur nach rechts – obwohl frei ist -, kann es leicht vorkommen, dass die Karosse hinter einem die Lichthupe betätigt.

 

 

SUVs

 

Als barbarische Gebilde sehe ich die Geländefahrzeuge und SUVs (grässlicher Ausdruck im übrigen) an. Diese sind Konzession an die Vorzeit, die Archaik und bringen dem Verkehr die alt-biblische Sintflut gesteigert ein. Eigentlich handelt es sich um Militärfahrzeuge, sie sind Kriegserklärung an Kinder und an Fußgänger. Der Rind-Abweiser und das Trittbrett sind seine symbolischen Kennzeichen. Diese unsäglichen Gefährte müssen für on-road verboten werden. Off-Road ist eine andere Sache. Sie emittieren in Anbetracht ihres unanständig, unsinnig und unnötig gesteigerten Verbrauchs tendenziell mehr Schadstoffe, sind der Umwelt schädlicher als geringer gewichtige Fahrzeuge. In einem grotesken Missverhältnis der Massen bewegen sie als Über-Gewichtige einen verhältnismäßig sehr kleinen, schmächtigen Menschen. Sie heben den Lärm an und halten den Abgaspegel hoch, auch des nachts, wenn gerne etwas schneller gefahren wird (die FDP in Hessen kalkuliert das mit ein und will nicht, dass nachts auf 30 km/h reduziert wird). Im Übrigen hat Schröder sie zu seiner Regierungszeit steuerbegünstigt gleich Dienstfahrzeugen. Heutige Autos zerstören Landschaften und Städte und verschandeln die Straßenzüge. Eins bis Zwei Tonnen fahren ein Menschlein von um die 60 bis 100 Kilogramm herum, sowohl in der Freizeit als auch im Pendlerverkehr.

 

 

Ein anderes Verkehrssystem muss kommen

 

Lassen wir doch die Diskussion, wer es am schlimmsten treibt und konzentrieren uns auf die Schaffung eines anderen Verkehrssystems, in dem es die Autos zwar noch gibt, sie aber nicht mehr diese prädominante Rolle spielen (das sollte auch für Elektro-Autos gelten). Wir sind doch aufgrund langfristiger Kultur fähig, etwas gemeinsam Neues zu schaffen. Warum immer nur so viel Schlechtes beibehalten, warum nicht auch mal etwas Besseres Schaffen. Voraussetzung für die Notwendigkeit der Änderung ist vor allem die Un-Effizienz und die Un-Ökonomie des Autos.

 

Die Lösung, auf die sich jene, die sich eilig fortbewegen, einigen könnten, ist: die angepasste Fahrweise.

 

Dann würde auch nicht mehr das Folgende, Erlebte passieren: Sonntag Nachmittag kommt ein Sprinter-Fahrzeug den sehr kurzen, abschüssigen Weg hinunter Richtung Jahn-Volk-Turnhalle eingefahren und der Fahrer hupt sofort, ohne zu zögern, eine Familie mit Kind an, die sich dem Kind gerecht aufwärts des Wegs bewegt, während das noch sehr kleine Kind seine Ente den Weg hinauf zieht. Der Weg ist ein Doppelding zwischen Weg und unklarem Straßenraum. Das unmittelbare Weg-Harken und vom Weg Jagen weniger angepasster Verkehrsteilnehmer ist den Methoden einer schlimmen Zeit konform.

 

INFO:

 

Bezüge: Leseforum der FR vom 10.09.2014 „Ich habe Radfahrer satt“,

FR 13.09.2014: „Erst mal den Schaum vom Mund wischen“ und

FR 15.09.2014: „Sie sind meine Heldin!“