Serie: Wandern in der Uckermark, Teil 4/4 ; Landschaftsmosaik

 

Thomas Adamczak

 

Templin (Weltexpresso) - Der Platkowsee kurz vor der „Alt Placht“ hat eine maximale Tiefe von 15 m, die Sichttiefe beträgt 3-5 m. In diesem See werden Hecht und Aal geangelt bzw. gefangen, im Zenssee außer Hecht und Aal noch Moränen.

 

Das Gesicht des Naturparks Uckermark wurde vor 20 000-15 000 Jahren modelliert. Seen, unzählige Moore, an vereinzelten Stellen Binnendünen, zum Beispiel bei Tangersdorf. Von hundert Mooren wurden im Laufe der Zeit an die neunzig trockengelegt. In den übrig gebliebenen Mooren können Moorfrosch, Lustspinne und Fischotter beobachtet werden.

Zu der Flora in den Mooren zählen Glanzkraut, Sumpfporst, fleischfressendes Sonnentau, zierliches Wollgras und gelbes Knabenkraut. Na, kriegen Sie nicht Lust, sich diese Pflanzenpracht anzuschauen?

 

Ganz anders die Natur im Nationalpark Unteres Odertal, der 1995 gegründet wurde, 10500 Hektar umfasst und Teil eines grenzüberschreitenden deutsch-polnischen Internationalparks Unteres Odertal sein wird. Bei Hochwasser werden bis zu 5000 Hektar Grünland überflutet. Die Hälfte der Flächen im Nationalpark kann sich völlig frei entwickeln, die andere Hälfte wird als Kulturlandschaft erhalten und dementsprechend gepflegt.

 

Zwischen West- und Ostoder befindet sich ein dichtes Netz von sogenannten Altwassern, Kanälen, Gräben, Flüsschen. Faszinierend, von dem kürzlich erst errichtete Beobachtungsturm „Fliegender Kranich“ der Blick auf diese urwüchsige, malerische Landschaft mit den ungestört die Wasserflächen bevölkernden Vögeln, dem Schilfgras, den hingetupften Pappeln, Weiden, Erlen. Großartig sollen die Libellen- und Wasserkäferfauna und der Amphibienreichtum sein, die vom „Fliegenden Kranich“ nur mit hervorragendem Fernglas auszumachen sind. Auf den Oderwiesen lümmeln hellfellige Kühe herum. Ein paar neugierige Kühe glotzen herüber, die Mehrheit wirkt desinteressiert. Zwei Tiere nähern sich dem Zaun. Fehlt nur, dass die mich anquatschen. Auf der anderen Seite des Weges blicken Schafe unberührt, wenn nicht gar gelangweilt dem Wanderer hinterher.

 

Unterwegs stößt der Wanderer mehrfach auf Windkraftanlagen. Kurz vor Crussow sehe ich in etwa einhundert Meter Höhe einen Arbeiter, der an einem der Rotoren einer Windkraftanlage klebt, nach oben wie unten gesichert mit Seilen. Reparaturarbeiten am Rotorblatt. Im Turm der Anlage ist der Fahrstuhl ausgefallen, weshalb ein weiterer Höhenarbeiter innen die Treppe hochsteigen muss. Von Zeit zu Zeit sind Servicearbeiten an den Windkraftanlagen fällig, erklärt mir der Vermessungsingenieur, der am Boden geblieben ist und von unten mit den Kollegen per Funk im Kontakt steht.

Gespräch mit dem Ingenieur, der in Dresden Geodäsie studiert hat. 25 000 Windenergieanlagen gebe es mittlerweile auf dem Land und vor den Küsten. Etwa 140 000 Menschen arbeiten in der Branche. 10 % des Stroms wird aus Windenergie gewonnen, Konsequenz der Subventionen aus dem Erneuerbare- Energien-Gesetz (EEG).

Der Ausbau der Windenergie wird forciert, allerdings vielerorts gegen den erbitterten Widerstand der Anwohner. Zwar wird verstärkt auf einen größeren Abstand zwischen Windrädern und nächster Siedlung geachtet, wohl mindestens 1500 m, aber der Infraschall, heißt es, sei gesundheitsgefährdend wie auch der Schlagschatten der Rotorblätter und die nächtlichen Blinklichter. Und dann noch der Sondermüll, den die kakeligen Riesenzahnstocher mit Propeller hinterlassen! Was’n Unterschied zwischen den Baumoriginalen und den futuristisch anmutenden Windkrafträdern!

Paar Kilometer weiter, in dem Ort Crussow, ein großes Schild: „Keine neuen Windkrafträder in Crussow“.

Die Windkraft emotionalisiert. Unterschiedliche Interessen prallen aufeinander. Mehr als dreißigtausend Euro soll die Entschädigung für betroffene Grundstücke betragen. Bei dreißigjähriger Laufzeit ergibt das eine schlappe Million Euro. Ein Haufen Geld für Landwirte oder andere Eigentümer der entsprechenden Flächen.

Das Land Brandenburg will 2 % der Landesfläche als Eignungsgebiet für Windkraftanlagen ausweisen. Da wegen der geänderten Rechtslage geeignete Flächen für Windkraftanlagen auch in Landschaftsschutzgebieten liegen können, kann man sich die zu erwartenden Konflikte unschwer ausmalen.

 

Im Vergleich dazu bieten Mythen der Vergangenheit gelegentlich schlichte Lösungen.

Im Uckermärkischen Mythengarten stoße ich auf die Geschichte der „Verwunschenen Schwestern von Libbesicke“.

Die Geschichte soll auf die vorchristlichen Nornen verweisen. Die Schwestern, Drillinge, sollen faul gewesen sein, wirkten verdrossen, dämmerten, so heißt es, nur so vor sich hin.

Nachts aber wurden sie aktiv. Die eine nachtwandelte auf dem Dach, die zweite stolzierte auf gestapelten Bierflaschen herum und die dritte sei wie ein Alp durch Schlüssellöcher gefahren und geisterte in den Häusern herum. Kurz zur Lösung des Übels: Die Mädels wurden erneut getauft und waren fortan, wer’s glaubt, wird selig, fröhlich, fleißig, munter.

 

Bei Mescherin, wo der „Märkische Landweg“ endet, werfe ich einen letzten Blick vom Aussichtsturm „Fliegender Kranich“ auf das faszinierende Landschaftsmosaik mit all den Tümpeln, Wasserstraßen, Feuchtwiesen, Auenwäldern und Rasenflächen.

Es gibt in der Uckermark noch einen weiteren Fernwanderweg, die "Uckermärker Landrunde". Grund genug, um wiederzukommen.

 

Foto 4: Enspannen am Steg

 

Info I:

 

Zur Geschichte der Uckermark in Stichworten:

Grenzgebiet nach wie vor; im 6./7 Jahrhundert von Slawen besiedelt, davor von Germanen; im 12.Jhd. von Pommernherzogen erworben; Konflikte um den Landstrich zwischen Pommern und Brandenburg; fast völlige Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg; erneute Zerstörung am Ende des Zweiten Weltkrieges, die Städte Schwedt, Prenzlau und Gartz wurden zu 80% zerstört; 1952 Gebietsreformen in der DDR; 6.12.1993 Geburtsstunde des Landkreises Uckermark.

 

Das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück in Fürstenberg/Havel und das Jugend-Konzentrationslager Uckermark für Mädchen und junge Frauen, nur etwa 2 km vom Frauen-KZ Ravensbrück entfernt.

 

Kultur:

Die Uckermark ist die Heimat des in Angermünde geborenen Dichters Ehm Welk. Der Ehm Welk-Literaturpreis in Höhe von 2000 € wird seit 1992 alle zwei Jahre vergeben. Eingereicht werden können Werke von Autoren, die dem "Heimatbegriff im Sinne Ehm Welks entsprechen". Hauptwerke: "Die Heiden von Kummerow" und "Die Gerechten von Kummerow"; sie gelten als Pendant zu Giovannino Guareschis Erzählungen "Don Camillo und Peppone". In Angermünde kann das EHM WELK- UND HEIMATMUSEUM besichtigt werden.

In Carwitz unweit von Feldberg findet sich die Grabstelle von Hans Fallada.

Offene Ateliers von Künstlerinnen und Künstlern als Kooperationsprojekt der Kulturämter im Land Brandenburg. Einblicke in den Alltag bildender Künstler und Möglichkeit für Gespräche mit ihnen. Nähere Informationen dazu z.B. im Verkehrsverein Angermünde e.V.

 

 

Tourismusverein Angermünde e.V.

Brüderstraße 20

16278 Angermünde

Tel.: (0 33 31) 29 76 60

Fax.:(0 33 31) 29 76 61

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www.angermuende-tourismus.de


Wir sind für Sie da:
01. April bis 31. Oktober: Mo bis Fr 9.00-18.00 Uhr,
Sa, So und feiertags 10.00-13.00 Uhr
01. November bis 31. März: Mo bis Fr 9.00-16.00 Uhr

 

 

Info II:

Zitate in der Serie entstammen dem Buch vonDavid Le Breton, Lob des Gehens, Berlin 2015, Matthes & Seitz

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Das Buch wurde vom Verfasser dieses Artikels rezensiert in

 

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