Onomatopoesie Comic WP 1 1024x576Linguistin Kathryn Barnes erforscht klangmalerische Wörter im Deutschen und deren Wirkung


Susanne Sonntag

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wörter wie „ratzfatz“, „ruckzuck“ oder „pillepalle“ nennt man Ideophone. Sie kommen vor allem in der gesprochenen Sprache vor. Ihre Rolle im System Sprache ist bislang kaum erforscht. Eine junge Linguistin an der Goethe-Universität will das ändern. Sie schreibt ihre Doktorarbeit über die Semantik und Pragmatik von Ideophonen.


Natürliche Sprachen gelten als „arbiträr“: Die sprachlichen Zeichen und deren Bedeutung stehen in einem freien Verhältnis zueinander und beruhen nicht auf Ähnlichkeit. Wer zum Beispiel das Wort „Buch“ nicht kennt, kann sich die Bedeutung nicht aus der Form und Beschaffenheit des Wortes erschließen.

Aber es gibt auch Zeichen mit ikonischen Eigenschaften, die durchaus ohne Vorkenntnis auf die Bedeutung schließen lassen. Gesten und Mimik etwa: Als Begleiter der gesprochenen Sprache bringen sie zusätzlichen Bedeutungsinhalt ein. Und es gibt Ideophone. Das sind Wörter, die das Gemeinte klangmalerisch beschreiben; meist handelt es sich um Geräusche oder Bewegungen. Ein Ideophon kann ein Verb, ein Adjektiv oder ein Adverb sein, es beschreibt Art und Weise, Farbe, Geräusch, Geruch, Handlung, Zustand oder Intensität. In afrikanischen Sprachen sind Ideophone besonders häufig, im Deutschen gibt es sie weit seltener. Aber es gibt sie: „zickzack“, „holterdiepolter“, „ratzfatz“, „pille-palle“ oder „plemplem“. Und mit dieser Art von Wörtern befasst sich Kathryn Barnes.

Sie sind nicht nur Thema ihrer gerade entstehenden Dissertation, sondern auch eines jüngst in der linguistischen Zeitschrift „Glossa“ erschienenen Aufsatzes. Betreut wird ihre Arbeit von der Linguistin Prof. Cornelia Ebert, die auch das hochschulübergreifende DFG-Schwerpunktprogramm „Visuelle Kommunikation. Theoretische, empirische und angewandte Perspektiven (ViCom)“ koordiniert. Ebert hat in Bezug auf Gesten herausgefunden, dass diese auf einer anderen Ebene Bedeutung vermitteln als arbiträre Zeichen. Sie werden vom kommunikativen Gegenüber weniger in Frage gestellt. Barnes erforscht nun, ob dies auch auf Ideophone übertragen werden kann.

„Solche vermeintlichen Sonderfälle können viel über das Funktionieren von Sprache aussagen“, sagt Barnes. Für die als Aufsatz erschienene Studie musste Barnes wegen der Pandemie die notwendige Befragung als Onlineexperiment konzipieren. Insgesamt 40 Deutsch-Muttersprachler haben den Fragebogen ausgefüllt, der die Verwendung (Pragmatik) und Bedeutung (Semantik) von 20 Ideophonen beleuchten sollte.

Als ein Beispiel wird eine Szene aus dem Froschkönig verwendet, wo der Frosch plitschplatsch die Treppe zum Schloss hinaufsteigt. Im einen Beispiel wurde er zuvor als nass beschrieben, im anderen geschildert, dass die Sonne ihn bei der Ankunft an der Treppe vollkommen ausgetrocknet hatte. Bei Verwendung des Ideophons plitschplatsch konnten die Probanden die Schilderung auch dann akzeptieren, als die Aussage eigentlich unlogisch erscheinen musste. Anders bei Verwendung eines Adverbs – ganz ähnlich wie im Fall von Gesten wurde der Fehler von den Teilnehmern weniger beanstandet.

„Dies ist meines Erachtens die erste experimentelle Arbeit zum At-issue-Status von Ideophonen, die mit deutschen Sprechern durchgeführt wurde – und eine der ganz wenigen überhaupt zum Informationsstatus von Ideophonen“, sagt Prof. Cornelia Ebert. Im Deutschen jedenfalls seien Ideophone, die wie Satzglieder verwendet würden, „not at issue“, das heißt: Ihr Wahrheitsgehalt werde nicht im gleichen Maße in Frage gestellt wie der anderer Satzglieder. Ob das, was anhand deutschsprachiger Ideophone gezeigt werden konnte, auch auf andere Sprachen übertragbar sei, insbesondere auf solche, in denen die Verwendung von Ideophonen viel üblicher ist als im Deutschen, müsse sich noch zeigen.

Warum aber haben Ideophone (ebenso wie Gesten) eine höhere Glaubwürdigkeit? Weil sie Bilder im Kopf erzeugen, also auf einer anderen Verständnisebene wahrgenommen werden? Das will Kathryn Barnes weiter erforschen und dabei auch andere Sprachen, etwa das Spanische einbeziehen.  

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Info: 
Publikation: Barnes, K. R. & Ebert, C. & Hörnig, R. & Stender, T., (2022) “The at-issue status of ideophones in German: An experimental approach”, Glossa: a journal of general linguistics 7(1). doi: https://doi.org/10.16995/glossa.5827