Kultur des Friedens

»Nur wer sich aufgibt, ist verloren«. Alfred Hausser - Porträt eines Antifaschisten, Teil 6

Conrad Taler

Bremen (Weltexpresso) - Zu Beginn der 1980er Jahre wird bekannt, dass Beiträge und Spenden für die rechtsradikale »Aktionsfront nationaler Sozialisten«, die später verboten wird, von den Finanzämtern in Hamburg als steuerlich abzugsfähig anerkannt werden. Der Senat der Freien Hansestadt bestätigt auf Anfrage den Sachverhalt und erklärt zur Begründung: »Jede nicht für verfassungswidrig erklärte Vereinigung, die eine Partei im Sinne des Parteiengesetzes darstellt, darf steuerliche Zuwendungen entgegennehmen.« Mitte der 1980er Jahre sickert durch, dass die erwähnte Hilfsgemeinschaft ehemaliger Soldaten der Waffen-SS von den Finanzämtern in Baden-Württemberg als gemeinnützig anerkannt wird und Steuern sparende Bescheinigungen ausstellen darf. Der SPD-Politiker Dieter Spöri schlägt Alarm: »Es ist eine politische Zumutung, dass der Senat Kameradschaftsverbänden der ehemaligen Waffen-SS steuerliche Privilegien gewährt.« 


Alfred Hausser:
»Vor einigen Jahren hat das Finanzamt Stuttgart dem Landesverband der VVN/Bund der Antifaschisten die Gemeinnützigkeit abgesprochen mit der Begründung, dass wir zu in der Öffentlichkeit umstrittenen politischen Tagesfragen Aussagen gemacht haben. Erstens, dass wir uns gegen die Stationierung der amerikanischen Pershing-Raketen gewandt haben, die ja an drei Stellen in Baden-Württemberg stationiert waren, und dass wir außerdem gegen die Berufsverbote Stellung genommen hätten. Wir haben eine große Unterschriftensammlung durchgeführt und haben – natürlich – den Rechtsweg beschritten und haben Klage beim Finanzgericht Baden-Württemberg eingereicht. Im Ergebnis hat das Finanzgericht Baden-Württemberg die Entscheidung des Finanzgerichts Stuttgart aufgehoben, hat uns also zugestanden, dass eine Organisation von Menschen, die aus politischer Überzeugung Widerstand geleistet haben, auch heute das Recht hat, ihre politische Meinung zu sagen.«

Nachzutragen bleibt, dass der Bundestag auf Drängen der Sozialdemokraten am 11. Dezember 1986 beschließt, dass Vereinigungen, die nationalsozialistisches Gedankengut pflegen, nicht als gemeinnützig anerkannt werden können. Während des Kalten Krieges, zu Beginn der 1960er Jahre, wird Alfred Hausser zum Landesvorsitzenden der Vereinigung der Verfolgtendes Naziregimes in Baden-Württemberg gewählt. Er setzt sich dafür ein, dass seine Heimatstadt ein Mahnmal für die Opfer des Faschismus errichtet und dass Widerstandskämpfer und Hinterbliebene im Stuttgarter Rathaus offiziell geehrt werden. Als eines Tages ein Jüngerer an seine Stelle tritt, zieht er sich nicht zurück, sondern bleibt seiner Organisation als Ehrenvorsitzender des Landesverbandes verbunden. Anschließend gibt er seine Erfahrungen als Ehrenvorsitzender der Vereinigung für ganz Westdeutschland weiter. Er tut dies illusionslos, abgehärtet von den Rückschlägen und Enttäuschungen eines langen Lebens.

 

Alfred Hausser: »Der Antifaschismus wurde in die Defensive gedrängt. Und nun erlebt man aber auf der anderen Seite, dass viele Institutionen, vor allen Dingen Journalisten und Rundfunkleute usw. am laufenden Band unser Büro besuchen oder uns anrufen und Auskünfte über diesen oder jenen Menschen, Auskunft über diesen oder jenen historischen Vorgang wünschen, nach Dokumenten fragen, nach Fotos fragen, und wir können ihnen alles bieten; wir sind im Grunde genommen eine öffentliche Anlaufstelle geworden. Und da fragt man sich natürlich: Wie soll man das alles unter einen Hut bringen? Auf der einen Seite wird man immer noch als linke Organisation, in der auch Kommunisten eine führend Rolle spielen, abgestempelt – jedes Jahr wiederholt sich das im Verfassungsschutzbericht– und auf der anderen Seite sind wir eine Institution, die gefragt ist, und von der uns auch gesagt wurde, dass wir eine öffentliche Funktion ausfüllen. Da müssen sich die Innenminister schon fragen lassen, wie sie das selber mit sich vereinbaren können. Wir haben tausenden von Verfolgten zu ihrem Recht im Rahmen der Wiedergutmachung verholfen und vieles andere mehr. Wir haben uns um ihre persönlichen gesundheitlichen Probleme gekümmert und haben geholfen, so gut es ging mit unseren beschränkten Mitteln, kurz und gut eine umfassende karitative Tätigkeit ausgeübt – und immer versucht man, uns diesen Makel anzuhängen.«

 

Im Verfassungsschutzbericht für 1993 räumt das Bundesinnenministerium ein: »Die ›Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten‹, ehemals größte unter den DKP-gesteuerten Bündnis-Organisationen, gewann angesichts fortdauernder rechtsextremistischer Gewalttaten auch bei nicht extremistischen ›Antifaschisten‹ an Reputation.« Das zeigt sich unter anderem auch daran, dass Alfred Hausser als Repräsentant dieser Vereinigung vom Institut für Geschichte und Biographie der Fernuniversität Hagen mehrere Stunden lang für eine audiovisuelle Ausstellungseinheit interviewt wird, die im Bonner »Haus der Geschichte« unter dem Arbeitstitel »Opfer des Nationalsozialismus und ihre Erfahrungen in den beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften« vorgeführt werden soll. 

Fortsetzung folgt

Foto:
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Info:
Text einer Radio-Bremen-Hörfunksendung vom 31. März 1995