Juristisches Streitgespräch zwischen Uwe Volkmann und Samira Akbarian im Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“

deutschlandfunk aufstand

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Sie kleben sich auf der Straße fest, werfen Suppe auf Kunstwerke, besprühen das Brandenburger Tor mit roter Farbe. „Ziviler Ungehorsam“ ist das Mittel der Wahl der „Letzten Generation“, um ihre Ziele politisch durchzusetzen. Ist das bewusste Stören von Regeln und Ordnungen legitim? Ist es legal? Diese Frage diskutieren Samira Akbarian und Uwe Volkmann, beide Rechtswissenschaftler, in der jüngsten Ausgabe von „Forschung Frankfurt“, dem Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität.

 

„(Un)Ordnung“ – so lautet das Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“. Wenn wir die Welt um uns herum verstehen wollen, suchen wir nach Strukturen, nach Mustern und Regeln, nach Ursachen und Wirkungen. Ordnungen geben uns Halt und Orientierung. Mit Ordnungen und deren Zustandekommen, aber auch den Veränderungen, denen sie unterliegen, befasst sich der Profilbereich „Ordnungen und Transformationen“ an der Goethe-Universität, den das Wissenschaftsmagazin diesmal in den Blick nimmt.

Wie ist es zu bewerten, wenn die Ordnung unserer Gesellschaft bewusst gestört wird, um bestimmte Ziele zu erreichen? Der „zivile Ungehorsam“ hat auch in einer gut funktionierenden Demokratie seinen festen Platz. Im vorigen Jahr haben sich die Akteurinnen und Akteure der „Letzten Generationen“ ausgiebig seiner bedient. Doch inwieweit sind derartige Aktionen legitim? Diese Frage steht im Zentrum einer Diskussion zwischen den Rechtswissenschaftlern Dr. Samira Akbarian und Prof. Uwe Volkmann.

Samira Akbarian hat sich in ihrer vielbeachteten Dissertation mit zivilem Ungehorsam befasst und dessen rechtsstaatlich-demokratische Bedeutung als Frage des Rechts und der Gerechtigkeit betrachtet. Allgemein gehe man davon aus, dass die Demokratie, insbesondere die repräsentative Mehrheitsdemokratie, ein faires Verfahren bereitstellt. Das sei jedoch eine Fehlvorstellung, weil nicht alle gleichermaßen an demokratischen Mehrheitsverfahren teilhaben könnten. Dies sei der Grund, warum gerade die repräsentative Mehrheitsdemokratie auf Versammlungen und Proteste angewiesen sei. Diese dürften und sollten dann auch „stören“, also in die öffentliche Ordnung eingreifen. Die öffentliche Meinung und auch die Rechtsprechung verkennten die demokratische Bedeutung von Protesten jedoch häufig und fassten den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit zu eng.

Auch Uwe Volkmann, Professor für Rechtsphilosophie und öffentliches Recht an der Goethe-Universität, hält die Debatte um die strafrechtliche Verfolgung der Klimaschützer an vielen Stellen für überdreht. Anders als Akbarian sieht er den zivilen Ungehorsam jedoch nicht durch ein Repräsentationsdefizit legitimiert. Denn: Eine stärkere Repräsentanz als die, die der Klimaschutz derzeit genießt, sei kaum vorstellbar. Wie problematisch ist es, wenn eine Gruppe gewissermaßen aus dem demokratischen Prinzip der Gleichheit heraustritt, weil sie für sich die Lösung eines Problems als unabdingbar richtig erkannt zu haben glaubt? Was sagt die Rechtsphilosophie dazu? Volkmann und Akbarian führen in Forschung Frankfurt eine aufschlussreiche Diskussion, die neue, rechtlich fundierte Positionen vermittelt.

In weiteren Artikeln von „Forschung Frankfurt“ geht es zum Beispiel um die Frage, wie Rebellen nach dem Chaos eine eigene Ordnung schaffen, es geht um die Initiation des bundesdeutschen Grundgesetzes, die im I.G. Farben-Bau stattfand (heute Campus Westend), aber auch um die Frage, wie verschwundene Bücher in einer großen Universitätsbibliothek wiedergefunden werden können. Weitere Beiträge handeln davon, wie der Klimawandel die Evolution vorantreibt oder wie eine neue mikroskopische Technologie ein viel genaueres Bild von den dynamischen Strukturen in lebenden Zellen zu vermitteln vermag.

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Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2023) kann von Medienschaffenden kostenlos bestellt werden über: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Ein PDF der Ausgabe ist online erhältlich unter www.forschung-frankfurt.de.