Bildschirmfoto 2025 11 20 um 01.15.42Goethe-Universität präsentiert ersten Band des Gedenkbuchs der Synagogen und jüdischen Gemeinden in Hessen / Internationale Konferenz über ländliches Judentum vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert

Susanne Sonntag

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - „Landjudentum: Aspekte jüdisch-nichtjüdischer Nachbarschaften im ländlichen Raum sei dem Mittelalter“ – unter diesem Titel findet an der Goethe-Universität von Sonntag, 23. November, bis Dienstag, 25. November 2025 im PA-Gebäude (Sonntag) und Casino-Gebäude (Montag und Dienstag) auf dem Campus Westend der Goethe-Universität eine internationale Konferenz statt, organisiert vom Buber-Rosenzweig-Institut für jüdische Geistes- und Kulturgeschichte der Moderne und Gegenwart und mehreren Partnern.


Noch bis weit ins 19. Jahrhundert lebte die Mehrheit der Jüdinnen und Juden in Deutschland auf dem Land. In den Dörfern und kleinen Städten hatte sich über die Jahrhunderte hinweg eine vielfältige jüdische Kultur, Ökonomie und Topographie entwickelt, die in enger räumlicher und sozialer Nachbarschaft zur nichtjüdischen Gesellschaft stand. Hier fanden Jüdinnen und Juden Aufnahme nach Vertreibungen aus den großen Städten, erlebten aber auch Anfeindungen, Schikanen und Ausgrenzungen. Der Nationalsozialismus hat diese Form jüdischen Lebens ebenso brutal wie endgültig zerstört.

Die Konferenz würdigt das Landjudentum in seinen unterschiedlichen historischen  und regionalen Ausprägungen als bedeutenden, heute aber weithin vergessenen Teil der jüdischen Geschichte. Die beiden Keynote-Vorträge beschäftigen sich mit dem Stand und den Perspektiven der Forschung zur jüdischen Kultur- und Sozialgeschichte (Prof. Simone Lässig, Technische Universität Braunschweig) bzw. mit der Geschichte der Landjuden in Hessen vor der Emanzipationszeit (Prof. J. Friedrich Battenberg, Technische Universität Darmstadt).

Im Rahmen der Konferenz wird

am Sonntag, 23. November, 18 Uhr
im Foyer des PA-Gebäudes (Theodor-W.-Adorno-Platz 5) 

im Beisein von Wissenschaftsminister Timon Gremmels der erste Band des Synagogen-Gedenkbuchs Hessen Zerbrechliche Nachbarschaft der Öffentlichkeit präsentiert. Das mehrbändige Werk erforscht und dokumentiert erstmals umfassend die Geschichte der jüdischen Gemeinden und ihrer Synagogen auf dem Gebiet des Bundeslandes Hessen. In aufwendiger Darstellung rekonstruiert es den jüdischen Alltag in den einzelnen Orten, die Intensität des jüdisch-nichtjüdischen Miteinanders über die Jahrhunderte hinweg, aber auch die stets vorhandene Diskriminierung und Ausgrenzung sowie das Ausmaß der Zerstörung und der Verbrechen, welche die jüdischen Gemeinden in der Zeit des Nationalsozialismus erlitten haben.

Anhand des Schicksals der Synagogen, deren Entstehung, Entwicklung und Architektur ausführlich dargestellt werden, wird die Geschichte des Judentums in Hessen insgesamt dargestellt. Der erste Band des Gedenkbuchs widmet sich den Synagogen und jüdischen Gemeinden in den südhessischen Landkreisen Darmstadt-Dieburg und Offenbach sowie in den Städten Darmstadt und Offenbach.

Wissenschaftsminister Timon Gremmels dazu: „Ich freue mich sehr, dass nun der erste Band des Synagogen-Gedenkbuchs Hessen vorliegt. Der Band verbindet hochkarätige Forschung mit aktueller gesellschaftlicher Verantwortung. Wer die historischen Zusammenhänge kennt, ist weniger anfällig für Lügen, Vorurteile und populistische Vereinfachungen. Das Projekt ,Zerbrechliche Nachbarschaft‘ leistet hierzu einen wichtigen Beitrag. Es trägt dazu bei, dass die Erinnerung an das jüdische Leben in Hessen lebendig bleibt – als Teil unserer gemeinsamen Identität und als Verpflichtung für die Zukunft.“

Universitätspräsident Prof. Enrico Schleiff: „Das Erscheinen des ersten Bandes des Synagogengedenkbuches Hessen ist ein Meilenstein – für das Buber-Rosenzweig-Institut, für die Goethe-Universität und für das Land Hessen: Es schafft Wissen, das Erinnerung überhaupt erst möglich macht und Verantwortungsbewusstsein stärkt. Ich danke allen beteiligten Forscherinnen und Forschern für ihre jahrelange, akribische Arbeit. Das Buber-Rosenzweig-Institut hat sich mit seiner Forschung innerhalb kurzer Zeit einen weltweiten Ruf erarbeitet. Es spielt eine wichtige Rolle für eine lebendige Erinnerungskultur und für unser Selbstverständnis als offene, demokratische Gesellschaft.“

Das Gedenkbuch ist als Open-Access-Publikation frei zugänglich (https://www.degruyterbrill.com/document/isbn/9783111465111/html?lang=de&srsltid=AfmBOoqrvnuMzx5K_awo_uNrp6x-Y80bsaJ5xAIAvdygrh-DR7UQDhty).

Das Projekt Zerbrechliche Nachbarschaft wird von den Hessischen Ministerien für Wissenschaft, Forschung, Kunst und Kultur sowie für Kultus, Bildung und Chancen, von den evangelischen Kirchen und den katholischen Bistümern in Hessen geförderten und vom Buber-Rosenzweig-Institut für jüdische Geistes- und Kulturgeschichte der Moderne und Gegenwart an der Goethe-Universität in Kooperation mitder Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland und dem Institut für Christlich-Jüdische Studien an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau durchgeführt. Die Konferenz wird außerdem mitveranstaltet vom Forschungsverbund „Dynamiken des Religiösen“ an der Goethe-Universität.

Foto:
Die Synagoge in Schlüchtern um 1900
Johannes Freund. © Foto-Freund Schlüchtern

Info:
Zum Programm der Tagung siehe https://www.uni-frankfurt.de/179668591/Programm_Landjudentum.pdf