Zu früh für abbruchreif erklärt – die Theater-Doppelanlage in Frankfurt
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Verfasser der Machbarkeitsstudie über die Sanierung der Frankfurter Theater-Doppelanlage haben mutmaßlich das hineingeschrieben, was ihre Auftraggeber, die seinerzeitige schwarz-grüne Koalition in Frankfurt, lesen wollten.
Und deren Interessen bewegen sich nicht um Kultur, sondern um die Vergabe von Aufträgen an die heimliche Stadtregierung, jene allzu bekannten Immobilienspekulanten. Diese setzen auf einen Theaterneubau, in dem neben Lifestyle-Shops und Luxuswohnungen ganz nebenbei auch noch ein Bühnentrakt untergebracht sein würde. Auf diese Weise kann man Erhaltungssatzungen für den Innenstadtbereich geschickt umgehen. Der frühere grüne Planungsdezernent genoss in diesen Kreisen einen hervorragenden Ruf und sein Erbe (Neuer Henninger Turm, Europa-Viertel, Altstadt-Puppenhäuser etc.) wird noch auf Jahrzehnte die soziale Struktur Frankfurts vergiften.
So ist es kein Wunder, dass der Fraktionschef der Grünen nun der Kulturdezernentin vorwirft, die Einschaltung eines Brandschutzfachmanns nicht innerhalb der (neuen) Koalition abgesprochen zu haben. Denn dieser Fachmann, Reinhard Ries, Chef der Frankfurter Feuerwehr, ist eine international anerkannte Autorität. Und nach seinem Urteil sind Schauspielhaus und Oper keinesfalls brandgefährdet.
Eigentlich hat ja jeder, der die Diskussion um Sanierung oder Neubau der Bühnen verfolgt, angenommen, dass die Einholung einer Brandschutzexpertise zu den allerersten Pflichten der so genannten Sachverständigen gehört hätte. Ja, es überkommt einen jetzt der Verdacht, dass man seriöse Fachleute bewusst außen vor lassen wollte. Aber schwarz-grüne Uhren ticken nun einmal anders, erweisen sich als Demontage von Bürgerrechten; zumindest in Hessen.
Aus der Perspektive eines Bürgers, der „sein“ Stadttheater sehr häufig besucht, fordere ich deswegen von Stadtverordnetenversammlung und Magistrat:
„Werfen Sie die Machbarkeitsstudie in den Müll, verklagen Sie Auftraggeber und Verfasser auf Schadensersatz, zeigen Sie beide gegebenenfalls sogar wegen Betrugsverdachts an und besinnen Sie sich auf das, um was es geht, nämlich auf die Kultur, im konkreten Fall auf den künstlerischen Ausbau der Städtischen Bühnen an einem sanierten, nämlich dem bisherigen Standort.“
Investitionen in die Isolierung von Dächern und Wänden, in das Leitungssystem und die Klimaanlage sowie in die Sanierung des zum Teil über hundert Jahre alten Mauerwerks werden unumgänglich sein. Deren Kosten wären bei ständiger Erhaltungspflege absolut überschau- und finanzierbar. Man muss dem Kultursektor allerdings einen festen Stellenwert zumessen. Und ihn weder für entbehrlich halten noch ihn gegen andere, ebenfalls wichtige Infrastrukturmaßnahmen ausspielen. Der Versuch der Allparteien-Koalition von 1992, die Stadtbücherei auszubluten, sollte das letzte und folgenschwere Attentat dieser Art gewesen sein.
Es ist nicht auszuschließen, dass manche Stadtverordnete (männlich und weiblich) mit solchen Aufgaben überfordert sein könnten. Während des letzten Bundestagswahlkampfs begegnete ich an den Info-Ständen der Parteien Mandatsträgern, die anscheinend seit Jahren kein Buch mehr gelesen und Schauspielhaus und/oder Oper selten, einige gar noch nie von innen gesehen haben. Diese Defizite teilen sie zwar mit vielen Bürgern, aber das sollte kein Grund sein, sie zu Tugenden zu verklären, wie es leider parteiübergreifend zu beobachten ist. Im Gegenteil: Kultur ist eine Wesensäußerung jener Bildungsoffensive, die von allen Parteien als politisches Ziel gefordert wird.
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Schauspiel Frankfurt © Städtische Bühnen Frankfurt am Main