wpo imbiss 0524Von einem Syrer, der auszog einen Imbiss zu eröffnen 

Hanswerner Kruse / Clas Röhl

Schlüchtern (Weltexpresso) - Es war ein erfolgreiches Debüt auf dem Volksfest „Kalte Markt“ im letzten November, als Abou Hajar in seinem Imbisswagen Falafel und andere syrische Leckereien anbot. Einige Tage nach dem Volksfest konnte man neben dem alten Amtsgericht die Erkundung arabischer Speisen fortsetzen. Doch dann gingen die Schwierigkeiten weiter, mit denen Hajar bereits eineinhalb Jahre tapfer gerungen hatte.

Im Mai 2017 kaufte der aus Syrien geflüchtete Hajar (47) den Wagen für 500 Euro, restaurierte ihn liebevoll und hoffte, nun „endlich Steuern in Deutschland zahlen zu können.“ Doch für ihn begann eine kaum endende Odyssee durch deutsche Ämter, die er nicht erwartet hatte: Gesundheitsamt, Jobcenter, Bauamt und andere Behörden verlangten immer neue Nachweise oder lehnten Anträge ab. Doch irgendwann hieß es nach der Betriebskontrolle des Gesundheitsamtes: „Aus lebensmittelrechtlicher Sicht bestehen keine Bedenken zur Nutzung der Küche.“

Hier soll keine Ämterschelte betrieben werden, alle geforderten Maßnahmen sind gewiss gesetzlich gerechtfertigt. Viele Asylbewerber, die in ihren Heimatländern unaufhörlich administrative Willkür und Korruption erlebten, loben ja unsere Gesetze und Regeln in Deutschland. Doch die fallen ihnen manchmal auf die Füße...

Jedoch jammert Hajar nicht und betont immer wieder, wie freundlich die deutschen Helfer gewesen seien, er sei dankbar dafür. Die Erlangung des befristeten Bleiberechts und der Besuch mehrerer Deutschkurse waren überhaupt kein Problem. Als es jedoch darum ging, danach auf eigenen Füße zu stehen, hatte er das Gefühl, die in den Behörden Arbeitenden sind zeitlich und organisatorisch nicht auf Menschen aus fremden Kulturen und ihre Herausforderungen vorbereitet. Wenn die Flüchtlinge oder Migranten die ersten Hürden überwunden und hier Fuß gefasst haben, fehlt ihnen aus seiner Sicht eine angemessene Begleitung.

Im Gespräch breitet der gelernte Gold- und Silberschmied viele Dokumente, Korrespondenzen und schriftliche Entscheide aus. Man merkt, dass er auch Buchhaltung gelernt hat, denn alle Papiere sind in Ordnern sorgsam abgeheftet: schnell findet er Gesuchtes.

Neben dem Gericht darf Hajar nicht bleiben, Anwohner beschwerten sich über Geruchsbelästigung und das Bauamt stellte mehrere, von ihm kaum erfüllbare Anforderungen. Doch weiterhin gab er nicht auf und kontaktierte den Bürgermeister. Der forderte „Geduld“ von ihm und unterstützt sein Projekt. Dadurch kann er - nach jetzigem Stand - den Wagen demnächst an drei Tagen pro Woche in der Innenstadt aufstellen, der Geruch von Falafel belästigt hier niemanden. Die Genehmigung, Speisen an allen Tagen in der Woche anzubieten, steht noch aus.  Auch für Wasser- und Stromanschlüsse ist nicht gesorgt und er muss er eine größere, vom Amt verlangte Abzugshaube beschaffen.

Vor vier Jahren kam der gelernte Gold- und Silberschmied mit seiner Frau und vier Kindern aus dem Kriegsgebiet um Idlib mit UN-Hilfe nach Schlüchtern. Zahlreiche Zivilisten sind hier in der letzten Rebellenhochburg den Kämpfen und Bomben zum Opfer gefallen, Hunderttausende sind auf der Flucht. Erst in Schlüchtern lernten die Kriegsflüchtlinge die Studentin Hanin (29) kennen, die aus dem gleichen Dorf wie sie stammt und ihnen bei der Orientierung in Deutschland hilft.

Hajar hat hier in Deutschland immer gearbeitet und versucht seine Familie selbst zu ernähren. Doch derzeit ist die Arbeitssuche für Migranten und Flüchtlinge schwerer geworden. Nun sucht er -  bis zur Eröffnung des Imbiss - eine Beschäftigung, bis er demnächst endlich seine Steuern bezahlen kann.

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Hanswerner Kruse