ms.sachsen anhalt.deAus dem Kundenservice der WELT zu Corona vom Vortag, 12

WELT Corona-Update

Hamburg (Weltexpresso) - 16 Stunden haben die EU-Finanzminister verhandelt – gereicht hat das nicht. Olaf Scholz (SPD) und seine Kollegen haben es nicht geschafft, ihr Rettungspaket für Arbeitnehmer, Unternehmen und klamme Staaten im Wert von 500 Milliarden Euro über die Ziellinie zu bringen.

Noch nicht, sagte der deutsche Ressortchef heute Morgen nach durchwachter Nacht – sichtbar um Zuversicht bemüht. Er rechne noch "vor Ostern" mit Ergebnissen. Morgen, am Donnerstag, wird weiter verhandelt.

Uneins sind sich die EU-Mitglieder laut Scholz nur noch in einem Punkt. Dabei handelt es sich darum, die Hilfen über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) schnell und unbürokratisch an die Länder fließen zu lassen, die sie brauchen. Deutschland gehe es darum, dass der Einsatz des ESM "nicht damit verbunden ist, dass dann wie vor zehn Jahren Kommissare kommen oder eine Troika in die Länder einreist und irgendwelche Programm entwickelt für die weitere Zukunft", sagte Scholz. Die Solidarität müsse jetzt "schnell organisierbar sein".

In Deutschland und im Rest der Welt gab es heute wieder zahlreiche Entwicklungen im Kampf gegen Corona – wir haben diese wie an jedem Wochentag für Sie zusammengefasst.

Die Lage in Deutschland

Warum dringend eine Einigung über das Rettungspaket notwendig ist, zeigen unter anderem aktuelle Prognosen der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute. Diese erwarten wegen der Coronavirus-Pandemie eine "schwerwiegende" Rezession in Deutschland in diesem Jahr. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde um 4,2 Prozent schrumpfen, die Arbeitslosenquote in der Spitze 5,9 Prozent erreichen, heißt es in dem heute Vormittag vorgelegten Frühjahrsgutachten. Im kommenden Jahr werde die Wirtschaft sich aber erholen und um 5,8 Prozent wachsen. Die Maßnahmen des Staates zur Abfederung der Folgen für Unternehmen und private Haushalte werden laut Frühjahrsgutachten zu einem "Rekorddefizit" von 159 Milliarden Euro beim Gesamtstaat führen. Der Bruttoschuldenstand des Staates werde in diesem Jahr auf 70 Prozent steigen.

Wofür viel Geld nötig sein wird, zeigte sich heute am Beispiel TUI. Am Morgen wurde bekannt, dass der Weg für ein staatliches Hilfspaket für den Konzern frei ist. Mehrere Banken erklärten ihre Zustimmung zu einem vom Bund in Aussicht gestellten Kredit über 1,8 Milliarden Euro, teilte der weltgrößte Reiseanbieter am Mittwochmorgen in Hannover mit. Das Geld kommt von der staatlichen Förderbank KfW – wegen gleichzeitiger Änderungen an einem anderen Darlehensprogramm mussten aber noch weitere Institute ihr Einverständnis geben. TUI hatte nach den weltweiten Reisebeschränkungen das Darlehen beantragt, um die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie abzufedern, bis ein normaler Geschäftsbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Wie andere Unternehmen musste TUI das Veranstalter-, Flug-, Hotel- und Kreuzfahrt-Programm vorübergehend aussetzen.

Bei der Behandlung von Covid-19-Patienten unterstützt Deutschland andere Staaten. Insgesamt 220 schwer kranke Menschen aus drei EU-Ländern werden in deutschen Krankenhäusern derzeit behandelt, teilte das Auswärtige Amt mit. Davon kämen 130 aus Frankreich, 44 aus Italien und 46 aus den Niederlanden. Zudem gebe es die Zusage deutscher Krankenhäuser, weitere 60 Patienten aus anderen Ländern aufzunehmen.


Die Lage in Europa

Österreich und Dänemark haben bereits erste Lockerungen ihrer Corona-Maßnahmen verkündet. Jetzt nehmen auch im besonders stark betroffenen Italien Pläne Gestalt an, die Einschränkungen zur Eindämmung des Virus schrittweise aufzuheben. Erst sollen Unternehmen in Italien vorsichtig wieder ihre Arbeit aufnehmen, dann können Lockerungen für die Menschen folgen, wie italienische Medien am Mittwoch berichteten. Diese Pläne werden "Phase 2" genannt. Die Regierung habe den wissenschaftlichen Beirat beauftragt, Details zu erarbeiten. Den Berichten zufolge sollen parallel zu ersten Lockerungen neue Schutzregeln erlassen werden. Strikte Schichtregeln für Fabriken und Büros sowie Maskenpflichten seien in der Diskussion.

In Spanien will Premierminister Pedro Sanchez am Donnerstag beim Parlament um Genehmigung bitten, den Ausnahmezustand bis zum 25. April zu verlängern. Ab dem 26. April soll das Land dann schrittweise wieder zum normalen Leben zurückkehren. Derzeit arbeiten Experten noch das genauere Vorgehen aus, sagte Regierungssprecherin Maria Jesus Montero.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wird am Donnerstagabend zum dritten Mal seit Beginn der Krise zur Nation sprechen. Es wird erwartet, dass er eine Verlängerung der Abschottungsmaßnahmen ankündigt.

Das Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation in Kopenhagen warnte derweil vor einer raschen Lockerung der Corona-Maßnahmen. "Dies ist nicht der Moment, um die Maßnahmen zu lockern", mahnte der WHO-Regionaldirektor für Europa, Hans Kluge. Stattdessen müssten die Anstrengungen zur Eindämmung des Virus "noch einmal verdoppelt und verdreifacht" werden. Kluge sagte in seiner wöchentlichen Pressekonferenz zur Corona-Krise, die Situation in Europa sei immer noch "sehr besorgniserregend". Er forderte deshalb, die Maßnahmen in drei Bereichen zu verstärken: beim Schutz für das Gesundheitspersonal, bei der Trennung von Gesunden und Verdachtsfällen und bei der Kommunikation mit der Bevölkerung.

Am späten Nachmittag wurde bekannt, dass die EU-Kommission vorschlägt, den weitgehenden Stopp von Einreisen in die Europäische Union bis zum 15. Mai zu verlängern; die Entscheidung darüber kann jedoch jedes Land für sich treffen. Zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie hatten sich Mitte März alle EU-Staaten außer Irland sowie die Schweiz, Norwegen, Liechtenstein und Island darauf geeinigt, nicht zwingend notwendige Reisen in die EU zunächst für 30 Tage einzuschränken.


Die Lage in der Welt

Das neue Coronavirus breitet sich zunehmend auch in Afrika aus. Die Zahl der bestätigten Infektionen in Afrika sei auf mehr als 10.000 angestiegen, mehr als 500 Menschen seien gestorben, gab die Weltgesundheitsorganisation heute in einer Erklärung bekannt. Nachdem das Virus Sars-CoV-2 den Kontinent im Vergleich zu anderen Weltregionen erst sehr spät durch Reisende aus Europa, den USA und Asien erreicht hat, breite es sich nun sehr schnell aus. Hilfsorganisationen wie World Vision oder Save the Children warnen bereits vor einer drohenden Katastrophe schwersten Ausmaßes, die auch die Zukunftschancen der Kinder beeinträchtige. In Afrika, wo ein Leben auf Distanz in vielen Armensiedlungen nicht möglich ist und auch die Hygienebedingungen nicht immer optimal sind, befürchten Experten eine hohe Dunkelziffer bei der Zahl der Infizierten.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) warnte vor dramatischen Folgen der Krise in Afrika. Die Gesundheitssysteme der Länder dort seien nicht auf eine Versorgung von Corona-Kranken ausgerichtet. So gebe es etwa in Mali insgesamt nur vier Beatmungsgeräte. Er forderte die EU und andere Staaten auf, massive Hilfe zu leisten. „Wir müssen uns der Verantwortung stellen, die Schwächsten und Ärmsten auch unter einen Schutzschirm zu stellen und Solidarität zu leisten“, sagte er.

In den USA räumte die Regierung ein, dass das Coronavirus Afroamerikaner besonders oft trifft. "Wir sehen starke Anhaltspunkte dafür, dass Afroamerikaner in weitaus größerem Umfang betroffen sind als andere Bürger unseres Landes", sagte US-Präsident Donald Trump während einer Pressekonferenz am Dienstag (Ortszeit). In einigen Tagen werde man entsprechende Statistiken dazu veröffentlichen. Trump sagte zu, an der Angelegenheit zu arbeiten, ohne Einzelheiten zu nennen.


Die Lage an den Börsen

Nach zwei starken Börsentagen sind die Anleger am deutschen Aktienmarkt wieder auf die Bremse getreten. Der Dax gab zum Handelsschluss um 0,23 Prozent auf 10.332,89 Punkte nach. Damit grenzte er aber vorausgegangene höhere Verluste unter anderem dank guter Vorgaben von den US-Börsen ein. In den vergangenen beiden Tagen hatte der deutsche Leitindex fast neun Prozent wettgemacht. Der MDax der mittelgroßen Börsentitel legte um 0,77 Prozent auf 21.704,44 Zähler zu.


Und was Hoffnung macht ...

Die Bundesregierung erwartet weiteren Nachschub an Schutzausstattung für das medizinische Personal. Diese Woche sollen 40 Millionen Schutzmasken nach Deutschland kommen, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Das sei so viel wie in den beiden vorangegangenen Wochen zusammen. Hintergrund ist auch eine Kooperation mit der Lufthansa in einer Art "Luftbrücke" für regelmäßige Transportflüge nach China. Ergänzend zu den Flügen der Lufthansa nach Shanghai könnte bei Bedarf auch das Verteidigungsministerium Transportkapazitäten bereitstellen, wie ein Sprecher erläuterte. Wenn dies durch kommerzielle Angebote nicht abzudecken sei, könnten vom 23. bis 28. April auch vertraglich gesicherte Flüge von Großraum-Frachtflugzeugen vom Typ Antonow zur Verfügung gestellt werden.

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