nieders. justizministeriumAus dem Kundenservice der WELT zu Corona vom Vortag, 20

WELT Corona-Update

Hamburg (Weltexpresso) - Bundesgesundheitsminister Jens Spahn schlug heute nachdenkliche Töne an: „Wir werden in ein paar Monaten wahrscheinlich viel einander verzeihen müssen.“ Mit diesen Worten bat Spahn um Verständnis für schwierige, politische Entscheidungen in der Corona-Krise. Während einer Regierungsbefragung im Bundestag in Berlin erklärte der CDU-Politiker, man habe in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie „mit so vielen Unwägbarkeiten, die da sind, so tiefgehende Entscheidungen treffen müssen“.

In den vergangenen Wochen hätten alle viel über das Virus dazugelernt, sagte Spahn. Neben der Politik werde auch für die Gesellschaft und die Wissenschaft eine Phase kommen, in der man feststelle, dass man vielleicht an der einen oder anderen Stelle falsch gelegen habe. Auch er werde in einem halben Jahr möglicherweise feststellen müssen, dass er nicht „in jeder Lage immer richtig“ gehandelt habe. Daher sei er „immer ganz neidisch auf die, die schon immer alles gewusst haben“, so Spahn.

Wir haben für Sie wieder die wichtigsten Entwicklungen des Tages zusammengefasst. Heute geht es bei uns unter anderem um die Maskenpflicht in den Bundesländern, die erste klinische Studie zu einem Corona-Impfstoff in Deutschland und neue Erkenntnisse zu den ersten Corona-Toten in den USA. Aber auch etwas Ablenkung haben wir für Sie parat. 


Die Lage in Deutschland

Ganz zum Schluss zog schließlich auch noch Bremen nach: Als letztes Bundesland kündigte es heute eine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes an. Nun soll die Tragepflicht in allen Bundesländern im öffentlichen Nahverkehr und mit einer Ausnahme auch beim Einkaufen gelten. Im Laufe des Tages hatten Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Brandenburg ebenfalls angekündigt, eine teilweise Maskenpflicht einzuführen. Auf welt.de können Sie hier nachlesen, welches Bundesland ab wann welche Regelungen einführt.

Doch auch, wenn nun die teilweise Maskenpflicht kommt, machen Lockerungen an anderer Stelle dem Virologen Christian Drosten Sorgen. Er sieht die Gefahr, dass Deutschland bisherige Erfolge bei der Corona-Eindämmung verspielt und die Situation entgleitet. Er bedauere es derzeit „so sehr zu sehen, dass wir gerade dabei sind, vielleicht diesen Vorsprung hier komplett zu verspielen“, sagte der Leiter der Virologie der Charité im NDR-Podcast. Deutschland zähle im internationalen Vergleich zu den erfolgreichsten Ländern bei der Pandemie-Bekämpfung, weil der Ausbruch sehr früh erkannt worden sei. Drosten kritisierte, dass nun wieder komplette Shoppingmalls voller Menschen seien, weil die einzelnen Geschäfte darin kleiner seien als 800 Quadratmeter.
Es würde ihn nicht wundern, wenn man über den Mai und in den Juni hinein in plötzlich eine Situation komme, „die wir nicht kontrollieren können, wenn wir nicht aufpassen“, betonte Drosten. Es gebe dann viel mehr Startpunkte für das Virus als zu Beginn der Epidemie.

Hoffnung macht hingegen, dass in Deutschland erstmals ein Impfstoff-Kandidat gegen das neue Coronavirus am Menschen getestet werden. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) erteilte dem Mainzer Unternehmen Biontech die Genehmigung, den Wirkstoff BNT162b1 in einer klinischen Studie an Freiwilligen zu testen, wie es bei einer gemeinsamen Video-Pressekonferenz von PEI und Biontech hieß. Laut Biontech soll es zunächst Tests an rund 200 gesunden Menschen zwischen 18 und 55 Jahren geben. Dabei geht es zum einen um Sicherheit und Verträglichkeit des Impfstoffs. Zum anderen wird untersucht, ob das Mittel beim Geimpften eine spezifische Immunantwort gegen den Erreger auslöst. Auch die optimale Impfstoff-Dosis soll bei den Tests ermittelt werden. Die Studie soll Ende April beginnen, erste Daten sollen im Juni vorliegen.


Die Lage in Europa

In Großbritannien könnten einem Bericht der „Financial Times“ zufolge bereits doppelt so viele Menschen infolge der Coronavirus-Pandemie gestorben sein als bisher angenommen. Das geht aus Hochrechnungen der Zeitung auf Grundlage von Zahlen des britischen Statistikamts ONS hervor. Demnach könnten bereits 41.000 Menschen im Zuge der Pandemie gestorben sein. Das sind weit mehr als die offiziellen Zahlen bisher vermuten lassen: Dem Gesundheitsministeriums zufolge starben nachweislich bis Montag etwa 17.300 Menschen an der Lungenkrankheit in Krankenhäusern des Landes. Nicht eingerechnet sind dabei die Todesfälle in Pflegeheimen und Privathaushalten. Grundlage für die Berechnung  ist die Übersterblichkeit in Großbritannien, die vom Statistikamt für die Woche bis zum 10. April mit etwa 8000 angegeben wurde. Das bedeutet, innerhalb von nur einer Woche starben in dem Land 8000 Menschen mehr als im Durchschnitt der Vorjahre. Diese Todesfälle rechnet das Blatt der Coronavirus-Pandemie zu. Erklärt werden könnte das beispielsweise durch unerkannte Covid-19-Erkrankungen oder durch indirekte Todesfälle, beispielsweise weil die Kapazitäten im Gesundheitswesen durch die Pandemie ausgelastet sind und Patienten an Leiden sterben, die zu anderen Zeiten behandelbar gewesen wären.

In Griechenland haben aus Angst vor einem Coronavirus-Ausbruch Hunderte Migranten den Eingang des berüchtigten Lagers von Moria auf der griechischen Insel Lesbos blockiert. Sie trugen Transparente mit dem Spruch: „Freiheit für alle. Wir sind Covid-19 ausgesetzt“, wie  örtliche Medien übereinstimmend berichteten. In den vergangenen Tagen waren in drei Camps auf dem griechischen Festland zahlreiche Coronavirus-Infektionen festgestellt worden. Diese Lager wurden in Quarantäne gestellt. Die Proteste hängen nach Informationen der Medien auf Lesbos mit der für Samstag geplanten Entlastung des Lagers von Moria zusammen. Dann sollen rund 1500 Migranten – mehrheitlich ältere und kranke Menschen – zum griechischen Festland gebracht werden. Die Demonstranten seien demnach jüngere Menschen, die ebenfalls zum Festland gebracht werden wollen. Bislang sind in den Flüchtlingslagern auf den Inseln keine Corona-Infektionen registriert worden. Es sei aber nur eine Frage der Zeit, bis dieser Fall eintrete, befürchten Ärzte. Athen hat die Gesundheitskontrollen rund um die Lager auf den Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos mit zusätzlichem Personal und Container-Isolierstationen verstärkt.


Die Lage in der Welt

Das Welternährungsprogramm hat im UN-Sicherheitsrat vor Hungersnöten von „biblischen Ausmaßen“ als Folge der Corona-Pandemie gewarnt. Viele Millionen Menschen in armen Ländern seien akut von wachsender Lebensmittelknappheit bedroht, sagte der WFP-Exekutivdirektor, David Beasley, in einer virtuellen Sitzung des Weltsicherheitsrates in New York. Die Weltgemeinschaft müsse dringend handeln, um eine „Hunger-Pandemie“ noch abzuwenden. Beasley betonte, dass in drei Dutzend Ländern Hungersnöte ausbrechen könnten. Rund 130 Millionen Kinder, Frauen und Männer könnten an den Rand des Verhungerns geraten. Bislang seien 135 Millionen Menschen von den schlimmsten Formen des Hungers betroffen. Die Corona-Pandemie würde die Zahl somit verdoppeln.

In den USA ist es offenbar bereits früher zu ersten Todesopfern im Zusammenhang mit einer Infektion durch das Coronavirus gekommen, als bislang bekannt. Die Gesundheitsbehörden des Bezirks Santa Clara teilten mit, Gerichtsmediziner hätten bei zwei Personen Autopsien ausgeführt, die am 6. und 17. Februar gestorben seien. Die US-Gesundheitsbehörde CDC habe nun bestätigt, dass in Gewebeproben das Sars-CoV-2-Virus festgestellt worden sei. Die US-Behörden hatten am 29. Februar im Bundesstaat Washington das erste Todesopfer infolge einer Infektion mit dem Coronavirus gemeldet.

Die Auswirkungen der Pandemie sind gravierend: Zahlreiche US-Bürger werden durch die Coronakrise Schwierigkeiten bekommen, ihre Rechnungen zu bezahlen. Das zeigt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Pew Research: Demnach sagten 32 Prozent der Befragten, dass sie voraussichtlich schon im April Zahlungen schuldig bleiben müssen.

Besorgniserregende Nachrichten kommen indes auch aus der Türkei: Hier haben sich nach Angaben von Ärzten bereits tausende Mitglieder des medizinischen Personals angesteckt. Insgesamt 3474 Mitarbeiter im medizinischen und im Pflegedienst hätten sich infiziert, darunter 1307 Ärzte, erklärte der türkische Ärzte-Verband TTB. 24 von ihnen seien gestorben. In der Türkei wurden nach offiziellen Angaben bislang mehr als 95.000 Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus nachgewiesen, über 2200 der Infizierten starben.


Die Lage an den Börsen

Nach dem Vortagesrutsch hat sich der deutsche Aktienmarkt gefangen. Der wieder steigende Ölpreis sorgte für etwas Erleichterung unter Anlegern. Der Dax erholte sich um 1,61 Prozent auf 10.415,03 Punkte. Am Dienstag hatten Preisverluste historischen Ausmaßes an den Ölmärkten die Aktienbörsen weltweit schwer belastet. Der Dax hatte vier Prozent eingebüßt.


Und was Hoffnung macht ...

Seit 13 Tagen keine Neuinfektionen – gute Nachrichten kommen heute aus Jena in Thüringen. Zurzeit meldet die Stadt 155 bestätigte Corona-Fälle. Die 110.000-Einwohner-Stadt gilt mittlerweile als Vorreiter – denn Jena führte bereits eine Maskenpflicht ein, als RKI und WHO das noch ablehnten. Zum Erfolg beigetragen habe ein ganzes Maßnahmen-Bündel, sagt Bürgermeister Christian Gerlitz (SPD) im Telefoninterview mit WELT. 

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