Bildschirmfoto 2020 11 01 um 01.19.29Bei dem Senatsrennen in Georgia hat der republikanische Amtsinhaber David Perdue die letzte Debatte mit seinem Herausforderer Jon Ossoff abgesagt

Andreas Mink

Georgia (Weltexpresso)- Es war eine Debatte, wie sie die demokratische Basis für die Treffen von Joe Biden und Donald Trump gewünscht – aber eben nicht bekommen hat: In Georgia hat Jon Ossoff Mittwochnacht dem Republikaner David Perdue bei deren zweiten Debatte für ein Senats-Mandat derart hart zugesetzt, dass dem 70-jährigen Amtsinhaber zunächst die Worte fehlten. Gestern Donnerstag hat Perdue dann die dritte und letzte Runde am Sonntag mit der Erklärung abgesagt, dass er seine Zeit lieber mit Donald Trump an einem Event im konservativ-ländlichen Nordwesten des Staates verbringen will.

Ossoff hatte Perdue als «Gauner» bezeichnet, weil der langjährige Konsultant und Konzernmanager am 24. Januar Aktien der auf medizinische Schutz-Ausrüstungen spezialisierten Firma DuPont de Nemours erworben hatte.

Perdue hatte zuvor im Senat vertrauliche Regierungs-Informationen über die möglicherweise verheerenden Ausmasse der damals einsetzende Covid-Pandemie erhalten. Der Senator hatte anschliessend jedoch öffentlich erklärt, der Virus sei nicht gefährlicher als eine Grippe und werde unter Kontrolle bleiben. Deshalb sei Perdue nicht allein ein «Crook» und korrupt, so Ossoff weiter: «Sie haben auch die Gesundheit der von Ihnen repräsentierten Menschen attackiert». Zuvor hatte der 33-Jährige Perdue vor laufender Kamera den Einsatz antisemitischer Klischees bei Wahlanzeigen vorgehalten. Wie von topnews berichtet, erschien Ossoffs Konterfei auf Perdue-Annoncen mit verlängerter Nase (Link). Am Donnerstag legte Ossoff via Twitter und bei Auftritten nach: Perdue sei nicht allein ein Gauner, sondern auch ein Feigling (Link).

Diese Entwicklung könnte die Chancen der Demokraten auf einen Erfolg in Georgia stärken. Joe Biden liegt hier knapp vor Trump und Ossoff hatte ohnehin einen hauchdünnen Vorsprung erkämpft. Verlieren die Republikaner in dieser konservativen Hochburg, dürften das Weisse Haus und die Senatsmehrheit nicht mehr zu halten sein (Link).

Spannend ist zudem, dass in Georgia auch der zweite Senatssitz zur Wahl steht. Hier liegt der afroamerikanische Pastor Raphael Warnock bei einem offenen Rennen vor der Interim-Amtsinhaberin Kelly Loeffler – die ebenfalls nach der Sitzung im Januar Aktien im Gesundheitsbereich gekauft hatte –, sowie dem Republikaner Doug Collins. Für den Sitz braucht es 50 Prozent plus eine Stimme. Als Störenfried erscheint der Demokrat Matt Lieberman, der Sohn des demokratischen Altsenators Joe Lieberman aus Connecticut. Lieberman kommt bei Umfragen zwar nur auf zwei Prozent, verweigert aber beharrlich eine Aufgabe der Bewerbung zugunsten Warnocks. Damit könnte es Anfang Januar zu seiner Endausscheidung für diesen wichtigen Sitz kommen. Lieberman Senior ist unter Demokraten ausserordentlich unbeliebt, weil er 2008 für John McCain gegen Barack Obama in den Wahlkampf gezogen ist.

Die Perdue-Kampagne hatte Mitte Juli eine Anzeige auf Facebook geschaltet, die Ossoff neben dem demokratischen Fraktionschef Chuck Schumer mit einer deutlich vergrösserten Nase zeigt. Auch Schumer ist bekanntlich jüdisch. Die Schlagzeile zu der Montage lautete: «Demokraten versuchen, Georgia zu kaufen!». Darüber war die Nachricht zu lesen, dass Schumer drei Millionen Dollar aus Wahlkampfkasse der Partei in das Rennen um den Sitz des republikanischen Senators von Georgia investieren will. Grafik-Experten bestätigten die Nasen-Operation, die kaum eine andere Erklärung als die Bedienung uralter, antisemitischer Klischees erlaubt.

Die Perdue-Kampagne erklärte das Bild daraufhin als «Irrtum» und entfernte die Anzeige von der Plattform. Ossoff reagierte auf Twitter: «...Ich bin jüdisch. Diese Attacken-Anzeige bringt das älteste, offensichtlichste, geläufigste, antisemitische-Klischee der Geschichte. Senator, kein Mensch glaubt ihrer Ausreden».

Ossoff wurde 2017 durch seine Kandidatur für einen traditionell-konservativen Kongress-Sitz im Grossraum Atlanta bekannt, die er knapp verloren hat. Dank liberaler Zuwanderer aus dem Norden und neben Afroamerikanern auch einer wachsenden Latino-Community tendiert Georgia zunehmend demokratisch. Match-entscheidend könnten auch hier gebildete Weisse in Vororten sein. Bei diesen dürften antisemitische Attacken und ein Profitieren aus der Pandemie schlecht ankommen (Link).

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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 30. Oktober 2020