Bildschirmfoto 2020 12 26 um 23.15.31Zeev Elkin lässt Netanyahu stehen und läuft zu Gideon Sa’ar über

Redaktion

Tel Aviv (Weltexpresso) - Der Austritt Zeev Elkins aus dem Likud und sein gleichzeitiger Einstieg in die neue Partei von Gideon Sa’ar, der ja ebenfalls vor kurzem den Likud verlassen hatte, hat ein gewaltiges politisches Erdbeben in Israel ausgelöst. Elkin ist genauso rechtsnational wie Sa’ar, aber anders als dieser gehörte Elkin zum allerengsten Kreis von Premier Binyamin Netanyahu.

Umso heftiger schlugen die Worte ein, die Elkin wählte, um seinen Abgang zu begründen. Im Likud gäbe es nur noch einen «Personenkult», Netanyahu habe die Bürger Israels zu «Geiseln seiner persönlichen Interessen» gemacht.

Damit meinte Elkin vor allem Netanyahus Versuch, sich dem Korruptionsprozess gegen ihn entziehen zu wollen und eine Amnestie durch politische Winkelzüge zu bekommen. Netanyahu habe es in der Hand gehabt, führte Elkin fort, das Land nicht mit einer vierten Wahl innerhalb von zwei Jahren in den Abgrund zu stürzen, doch das Land, der Staat interessiere ihn nicht mehr. Der Premier lebe wie in einem «byzantinischen Hof» voller Hofschranzen und Speichellecker.

Solche Vorwürfe wurden Netanyahu schon lange gemacht. Vor allem von der Opposition, natürlich auch von Gideon Sa’ar, also Politikern, die sowieso «Bibis» Gegner waren und sind. Aber dasselbe aus dem engsten Kreis Netanyahus zu hören zeigt zweierlei: zum einen, der wohl doch tiefer sitzende Unmut gegenüber dem Premier innerhalb des Likud, zum anderen, dass möglicherweise nun Dämme zu brechen drohen. Sollten noch mehr Politiker vom Rang Zeev Elkins zu Sa’ar überlaufen, könnte das nicht nur die endgültige Spaltung des Likud bedeuten, es könnte diesmal tatsächlich das schon oft vorausgesagte, aber bislang noch nicht eingetretene Ende der Ära Netanyahu bedeuten. Denn eines wird Netanyahu bei Politikern wie Sa’ar oder Elkin nicht mehr schaffen: sie in seiner populistischen Propaganda als »Linke« zu diskreditieren.

Foto:
Zeev Elkin
© tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 24. Dezember 2020