n tv.deschaubleUnzeitgemäße Erinnerung eines Zeitgenossen

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) -   Der Verfasser des nachstehend abgedruckten Briefes an Wolfgang Schäuble aus dem Jahr 2007 ruft die Erinnerung wach an jene Zeit, in der es nicht einfach war, den antifaschistischen Widerstand gegen das Naziregimes im kollektiven Gedächtnis der Deutschen zu verankern. Wir entnehmen sein Schreiben dem soeben im Ossietzky-Verlag erschienenen Buch von Kurt Nelhiebel mit dem Titel „Briefe zum Zeitgeschehen“. Wenn man den Brief gelesen hat, stößt es einem bitter auf, daß Wolfgang Schauble nicht geantwortet hat.  Eigentlich eine Unverschämtheit. Die Redaktion


Bremen, den 8. Februar  2007

An den Bundesminister des Innern, Herrn Dr. Wolfgang Schäuble

Sehr geehrter Herr Minister,

auf Empfehlung des Bremer Senators für Bildung und Wissenschaft, Willi Lemke, habe  ich als einer der letzten Augen- und Ohrenzeugen mehrmals in den Schulen der Freien Hansestadt Bremen über den Frankfurter Auschwitzprozess berichtet. Angekündigt werde ich stets als Zeitzeuge. Mir geht es darum, junge Menschen durch die Erinnerung an Auschwitz gegen neonazistisches Gedankengut zu immunisieren.

Nun habe ich im Verfassungsschutzbericht des Bundesinnenministeriums für das Jahr 2003 gelesen, dass die Tätigkeit von Zeitzeugen zu den linksextremistischen Bestrebungen gerechnet wird.  Der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten, wird in dem Bericht als belastend angerechnet, dass sie hoch betagte Personen als „Zeitzeugen“ einsetze, die, wie es heißt,  „zumeist aus kommunistischer Sicht“  über den Terror der Nationalsozialisten berichteten.

Obwohl ich von niemandem als Zeitzeuge eingesetzt worden bin,  hat mich der  Verfassungsschutzbericht doch verunsichert. Was muss ich tun, um dem Verdacht zu entgehen, ich berichtete aus kommunistischer Sicht über den Auschwitzprozess und seine Bedeutung für die nachfolgenden Generationen? Was ist konkret unter dieser Sichtweise zu verstehen?

Nach meiner Kenntnis sind namhafte Kommunisten  wie der Bremer Willi Hundertmark und der Stuttgarter Alfred Hausser, beide zu Lebzeiten Repräsentanten der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, wegen ihrer Tätigkeit als Zeitzeugen mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden, womit ja gesagt wird, dass sie sich um die Bundesrepublik Deutschland verdient gemacht haben. Da reimt sich doch Einiges nicht zusammen. Für ein paar klärende Worte wäre ich dankbar.

Mit freundlichen Grüßen
Kurt Nelhiebel

(Der Minister hat nicht geantwortet.).

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