OB Feldmann betritt den Verhandlungssaal im LandgerichtIn Frankfurt am Main scheint die Rechtsordnung in Gefahr zu sein

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Vor dem Frankfurter Landgericht hat der Strafprozess gegen Oberbürgermeister Peter Feldmann wegen des Verdachts der Vorteilsannahme begonnen.

Am ersten Tag wurde die Anklage der Staatsanwaltschaft verlesen. Die Schrift ist durchsetzt von einem autoritären Gesellschafts- und Staatsverständnis und sie atmet mehr als nur einen Hauch von Willkür. Ihr ist die politische Giftküche anzumerken, aus der die Weisungen zum Handeln kamen. Allem Anschein nach aus dem hessischen Justizministerium unter Leitung der damaligen Ministerin Kühne-Hörmann und aus dem hessischen Innenministerium, das immer noch von Peter Beuth geführt wird, jenem Mann mit der unsichtbaren braunen Augenklappe über dem rechten Auge.

Hannelore Richter, die seinerzeitige Geschäftsführerin des AWO-Kreisverbands Wiesbaden, sandte Peter Feldmann im April 2019 eine SMS, in der es u.a. hieß: „Stets konntest du dich auf unsere Unterstützung und Loyalität verlassen, jetzt bauen wir auf dich...lieber Peter, wir/ich brauchen deine Hilfe."

Dieser Hilferuf bezog sich mutmaßlich auf zwei Flüchtlingsheime der AWO, für deren Unterhalt der Wohlfahrtsverband auch Mittel aus dem Frankfurter Sozialdezernat erhalten hatte, das von Prof. Daniela Birkenfeld geleitet wurde. Die Dezernentin hatte die offenbar überhöhten Forderungen der AWO zunächst akzeptiert. Später wurden die Überzahlungen zurückgefordert und auch beglichen. Eine direkte Beteiligung des Oberbürgermeisters ist weder an der einen noch an der anderen Entscheidung nachzuweisen. Ihm fehlte zudem die rechtliche Kompetenz zum Eingreifen.

Möglicherweise hat sich Hannelore Richter eine Fürsprache, gar ein Eingreifen Peter Feldmanns versprochen, ja, darauf sogar sehr gehofft. Ihr Appell „Quid pro qua" („etwas für etwas“) aus einer anderen SMS deutet das an. Doch mit der Erwartungshaltung der Menschen ist das so eine Sache. Manche hoffen sogar inständig auf das ewige Leben und wollen nicht hinnehmen, wenn es sich nicht einstellt. Die (vergebliche) Hoffnung ist jedoch kein justiziabler Anspruch.

Rechtlich relevant hingegen sind Vertragsfreiheit (Privatautonomie) und Gleichberechtigung von Frau und Mann, die sich aus Artikel 2, Absatz 1 bzw. aus Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes ableiten. Falls es sich nicht um kriminelle und sittenwidrige Geschäfte handelt, müssen Ehepartner die Entscheidungen des anderen hinsichtlich beruflicher Tätigkeiten oder den Inhalten von Arbeitsverträgen akzeptieren. Folglich ist es unerheblich, ob Peter Feldmann seiner damals noch nicht angetrauten Frau zu dem lukrativen Arbeitsvertrag geraten hat oder nicht. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass er auf das zusätzliche Haushaltsgeld angewiesen war. Oder auf den eher piefigen Dienstwagen. Hat er seinen Diensteid wirklich wegen einiger Peanuts gebrochen?

Die Staatsanwaltschaft wartet hier lediglich auf mit Geschichten aus Absurdistan. Und unterschlägt bewusst eine SMS von Hannelore Richter an Peter Feldmann, in der sich diese beklagt: „Ich weiß, dass ich keine Dankbarkeit zu erwarten habe – das habe ich mittlerweile verstanden.“ Feldmanns Verteidiger David Hofferbert berichtet sogar von einer Ernüchterung. Gegenüber Dritten habe sich Frau Richter „zutiefst enttäuscht“ vom Verhalten des Oberbürgermeisters gezeigt.

Ebenso abenteuerlich ist der Vorwurf, wegen einer angeblichen Spendenaktion in AWO-Kreisen für Feldmanns Wahlkampf habe dieser Gegenleistungen in Aussicht gestellt. Ich bin erinnert an die Spendenmarken, die in Willy Brandts Wahlkampf 1972 verkauft wurden. Sie muteten an wie Briefmarken im Wert von einer DM. In meiner Heimatstadt Dortmund erhielt man während der Endphase des Wahlkampfs in einigen Kneipen einen Rabatt auf jedes Glas Bier, wenn man dafür die Willy-Brandt-Marke auf den Bierdeckel klebte. Damals war man noch an Rabattmarken gewöhnt und niemanden hat es gestört. Ob die CDU zugunsten von Rainer Barzel Heiligenbildchen verkaufte, weiß ich nicht. Wir hätten es hingenommen.

Im historischen Kontext erweist sich die Anklage gegen Peter Feldmann nicht nur als juristisch unhaltbar und als politisch kontraproduktiv. Sie verleiht nahezu der gesamten Frankfurter Politik einen undemokratischen Charakter. Eine eigentlich überschaubare Anzahl von Hasardeuren aus CDU, Grünen, FDP, SPD und Volt ruft zur Bildung einer Volksfront auf, die nicht nur auf Parteifarben verzichtet, sondern auf jeglichen Anstand.

Und es stellt sich die grundsätzliche Frage, welchem Recht sich die Frankfurter Staatsanwaltschaft verpflichtet fühlt.

So reagierte in einem Fall mit Bezügen zum Rechtsextremismus die Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main mit offensichtlicher Billigung der Generalstaatsanwaltschaft völlig unangemessen. Ein in der Bildungsarbeit ehrenamtlich Engagierter, der regelmäßig die Themenpalette „Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Neonazis“ in öffentlichen Einrichtungen zur Sprache bringt, wurde im Oktober 2016 im Außenbereich seiner Wohnung in Frankfurt-Sachsenhausen von einem Unbekannten niedergeschlagen und erheblich am Kopf verletzt. Es gelang ihm noch, den Polizeinotruf auf seinem Mobiltelefon auszulösen, sodass innerhalb weniger Minuten zwei Streifenwagen vor Ort waren. Während sich die zwei männlichen Beamten umsichtig des Verletzten annahmen, beschränken sich die zwei weiblichen darauf, sich den Vorgang jeweils aus der Sicht des Opfers und des Täters beschreiben zu lassen. Letzterer behauptete sogar, er sei selbst angegriffen worden - in einer privaten Wohnung, die zu betreten er kein Recht hatte! Die Polizistinnen ignorierten auch den Hinweis des Opfers, dass in dessen Briefkasten offenbar kurz vor der Tat Propagandamaterial der AfD eingeworfen worden war. Sie kündigten ihm lediglich an, dass er zu einer Vernehmung in das zuständige Polizeirevier geladen würde. Doch eine solche erfolgte nie.

Nach zwei Monaten ging bei ihm ein Bescheid der Amtsanwaltschaft ein, dass das „Verfahren gegenseitiger (!) Körperverletzung“ eingestellt worden sei, weil sich weder die eine noch die andere Tatversion beweisen lasse. Auf die umgehende Beschwerde des Geschädigten bei der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft, antwortete ihm diese, dass er erst im Nachhinein Angaben zum widerrechtlichen Eindringen in seine Wohnung gemacht habe. Auch Dokumentationen zu seiner Verletzung lägen nicht vor.
Dieses traf nicht zu, was sich allein anhand der E-Mail-Protokolle nachweisen ließ. Daraufhin erfolgte die Information, dass die Generalstaatsanwaltschaft die Sache zur endgültigen Klärung an die Amtsanwaltschaft zurückverwiesen habe. Diese schrieb wenige Wochen später, dass der Straftatbestand des Einbruchs und des Hausfriedensbruchs nicht gegeben sei. Zu den anderen Punkten, insbesondere zur angeblichen gegenseitigen Körperverletzung, äußerte man sich nicht. Das Verfahren blieb eingestellt.

Anscheinend existiert ein besonderes Frankfurter Recht, das zwar an keiner juristischen Fakultät gelehrt wird, aber das Leben in dieser Stadt mitbestimmt.

Foto:
Peter Feldmann und sein Anwalt betreten den Verhandlungssaal
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