Bildschirmfoto 2023 01 16 um 23.25.17Die israelische Ex-Justizministerin Tzipi Livni erntete in Tel Aviv Applaus

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Vor allem in Tel Aviv, aber auch in Jerusalem und Haifa gingen am Samstagabend hunderttausende von Bürger auf die Straße. Auch strömender Regen konnte sie nicht davon abhalten, ihrem Zorn, aber auch der Sorge angesichts der bevorstehenden Verpolitisierung des Rechtswesens des Landes Ausdruck zu verleihen. Alleine in Tel Aviv waren es 80 000 bis 100 000 Demonstranten gewesen. Dabei gilt es festzuhalten, dass die Demonstration nicht zuletzt dank eines massiven Polizeiaufgebots, abgesehen von kleineren Zwischenfällen ruhig verlief, d.h., ohne dass eine Person verletzt oder verhaftet worden wäre.

Für die kommenden Wochen sind weitere Kundgebungen vorgesehen. Während aktive Politiker auf den Rednerpulten nicht in Erscheinung traten, vermochte die ehemalige Justizministerin Tzipi Livni mit ihren Ausführungen den Applaus der Massen auf sich lenken. Unter anderem sagte sie: «In Israel zog eine Regierung in den Krieg gegen die demokratischen Institutionen, damit sie ohne Einschränkungen herrschen könne. Keine Debatte, keine legitime Kritik, sondern eine politische Übernahme. Nein, Wahlen geben den an der Macht stehenden nicht das Recht, die Demokratie selbst zu zerstören. (…) Wir werden euch stoppen und werden keine Kompromisse eingehen, denn die Demokratie in Israel, unsere Freiheit und unsere Rechte sind nicht Bestandteile eines politischen Handels. Sie können uns Verräter nennen, doch wir sind jene, die das Land vor ihnen schützen. Sie können uns mit Handfesseln drohen – wir haben keine Angst».

Aus dem Publikum meldete sich im Dauerregen auch der ex-Basler Marcel Hess (Alt-Grossrat LDP, Kanton Basel-Stadt) mit seinem Hund in Begleitung (Originalton Radio Israel) zu Wort und warnte vor den möglichen katastrophalen Folgen der Konfrontation zwischen Links mit der extremen Rechten. Viele besorgte Landsleute appellierten am Samstagabend an Staatspräsident Isaac Herzog, seinen mässigenden Einfluss auf die zerstrittenen Parteien geltend zu machen, um ein Absinken der Nation in ein zeitlich nicht endendes Chaos zu verhindern.

Foto:
Demonstranten in Tel Aviv
©tachles


Info: 
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 16. Januar 2023