Die Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas sind wieder einmal prekär. Eine Lösung scheint näher denn je – und zugleich weiter entfernt denn je
Redaktion tachles
Tel Aviv (Weltexpresso) - Die Veröffentlichung der Liste mit den Namen von rund 34 Geiseln, die angeblich in einer ersten Phase eines Waffenstillstandsabkommens zwischen der Hamas und Israel freikommen sollen, hat für viel Wirbel in Israel gesorgt. Während in Doha, der Haupstadt Katars, Israelis und Hamas in schwierigen Verhandlungen stecken, ist diese Liste, die ursprünglich von Israel im Juli an die Hamas gegeben wurde, nun möglicherweise ein «Trojanisches Pferd», das die Hamas an die Medien geleakt hat.
Denn sie zeigt, dass Premier Netanyahu offensichtlich zwar einem Kompromiss zugeneigt ist, aber auch, dass er sich mit einer Teilfreilassung zufrieden geben könnte. Damit aber soll die Bevölkerung darauf vorbereitet werden, dass möglicherweise nicht oder nie alle Geiseln freikommen können. Das wiederum führt dazu, dass die Familien der Geiseln sich allmählich entzweien, in diejenigen, deren Angehörige auf der Liste genannt werden und diejenigen, die befürchten, dass ihre Liebsten für immer in den Tunnel der Hamas verraten werden.
Doch die nun veröffentlichte Liste erzählt noch mehr: Es sind Namen darauf von Geiseln, die bereits sicher tot sind. Werden ihre «Plätze» durch andere Geiseln ersetzt? Und was wird aus dem amerikanisch-israelischen Geiseln, die Washington endlich freibekommen möchte, was aus den thailändischen Gefangenen? Die Hamas steht unter Druck. Denn einerseits zerstört das militärische Vorgehen Israels zunehmends die militärischen und organisatorischen Fähigkeiten der Islamisten. Sie bräuchten also dringend einen Waffenstillstand. Andererseits wissen sie, dass die Biden-Regierung unbedingt noch in den letzten zwei Wochen ihrer Amtszeit eine Lösung herbeiführen will – was durchaus im Interesse der Hamas sein könnte, da sie von Israel mehr fordern könnten, in der Hoffnung, dass ausgerechnet Donald Trump Druck auf Netanyahu machen werde.
Denn der designierte US-Präsident Donald Trump erklärt immer wieder, dass die Geiseln bis zu seiner Amtseinführung frei sein und der Krieg beendet werden müsse. Doch er sagt auch, dass die «Hölle losbrechen» werde, wenn die Geiseln bis zu seiner Amtseinführung nicht frei sein werden – eine klare Drohung gegen, ja wen? Was er also damit wirklich meint, ist unklar. Trump sagt, dass sich sein Zorn auf alle beziehe, die für das Geiseldrama verantwortlich seien. Meint er damit möglicherweise auch den Iran? Premier Netanyahu wiederum wäre sicher froh, wenn Trump Israel ein Go geben würde, in Gaza noch härter vorzugehen.
Würden US-Truppen dann mitmachen? Oder in Teheran zuschlagen? Auf alle Fälle wäre eine Verlängerung des Krieges eine Garantie, dass die israelische Regierung weiterhin überleben kann. Ob die Geiseln allerdings noch eine Chance auf ihr Überleben haben, wird von Tag zu Tag immer fraglicher.
Foto:
Angehörige von Geiseln beim Protest in Tel Aviv am gestrigen Dienstag
©tachles
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 8. Januar 2025