
FIR
Berlin (Weltexpresso) - Immer wieder hört man von Amoktaten junger Menschen – zumeist in ihren ehemaligen Bildungseinrichtungen. Dann ist die mediale Aufregung groß, ebenso die Betroffenheit über solche Gewalttaten. Das jüngste Beispiel am „Bundesoberstufenrealgymnasium“ in Graz forderte zehn unschuldige Opfer, neun Schülerinnen und Schüler und eine Lehrkraft, zudem ein Dutzend Verletzter, bevor sich der Täter selbst tötete. Als Täter wurde sehr schnell ein 21jähriger identifiziert, der diese Schule zwei Jahre zuvor ohne Abschluss verlassen hatte, nachdem er den schulischen Anforderungen scheinbar nicht gewachsen war. In diesem Moment ist die Betroffenheit groß über den Schmerz der Eltern, deren Kinder Opfer einer solchen Bluttat wurden, der Angehörigen des Lehrpersonals, das ebenfalls angegriffen wurde, nicht zuletzt der Eltern der Täter, die nun mit der Schuld ihres Kindes leben müssen.
Die österreichische Bundesregierung beschloss eine dreitägige Staatstrauer. Eine Trauerminute fand im ganzen Land statt. Selbst die extreme Rechte in Österreich hielt sich in diesem Fall mit lauten Statements und Forderung nach sofortiger Abschiebung „krimineller Ausländer“, die bei anderen Gewalttaten unter Jugendlichen sofort zu hören sind, zurück, war der Täter doch ein gebürtiger Österreicher. Die Trauerglocke des Wiener Stephansdoms wurde nach Angaben der Erzdiözese Wien geläutet. Die Flaggen an öffentlichen Gebäuden im Land wurden auf halbmast gesetzt. Neben solchen symbolischen Gesten suchte man jedoch praktische Unterstützung für die Betroffenen vergeblich.
Positive Ausnahme bildete die Bürgermeisterin von Graz, Elke Kahr (KPÖ), die nicht nach einer „harten Hand“ rief, sondern sehr empathisch auf die psychologische Betreuung für alle direkt und indirekt in Mitleidenschaft Gezogenen verwies. Sie dankte dem Kriseninterventionsteam und allen Helfern für ihren Einsatz. Gleichzeitig kündigte sie einen Dialog in der Stadt und mit den Beteiligten an den Schulen an, wie hier pädagogisch angemessen reagiert werden könne. Außerdem plädierte sie dafür, das Waffenrecht deutlich einzuschränken. In ähnlichem Sinne äußerte sich in den österreichischen Medien auch ein Vertreter der Schulleitung, der in diesem Rahmen nicht schärfere Gesetze, sondern den Ausbau der sozialpädagogischen Betreuung von jungen Menschen forderte.
Junge Menschen benötigen eine Zukunftsperspektive, die verhindert, dass sie zu solchen Verzweifelungstaten greifen oder – schlimmer noch – durch rassistische Feindprojektionen und Radikalisierung in den soziale Medien zu weiteren Gewalttaten motiviert werden. Kürzlich erst wurden in Deutschland mehrere Jugendliche festgenommen, die glaubten als „Vollstrecker des Volkswillens“ Brandanschläge gegen Flüchtlingswohnungen und migrantische Einrichtungen vorbereiten zu müssen. Der jüngste Festgenommene war gerade einmal 14 Jahre alt. Ähnliche Beispiele gibt es auch in anderen europäischen Ländern.
Zurecht diskutiert man jetzt nicht allein in Österreich darüber, dass der Zugang zu Waffen an deutlich strengere Auflagen geknüpft werden muss, als es bislang der Fall ist. In den USA ist es für Jugendliche leichter und vollkommen legal, sich ein Arsenal an schweren Waffen zuzulegen, als an Alkohol zu gelangen. Schon Kinder haben Zugang zu Waffen, was kürzlich zu einer Tötung unter Gleichaltrigen führte. Die Konsequenzen für Schulen ist mit Händen zu greifen. Statt jedoch den Zugang zu Waffen zu begrenzen, werden dort private Sicherheitsfirmen mit dem Schutz der Schulen beauftragt, die Eingangskontrollen vornehmen und den Schein einer Sicherheit verbreiten – solange man es sich leisten kann. Denn dieses Geld fehlt den Schulen für einen guten Unterricht und andere sozialpädagogische Betreuung von gefährdeten Jugendlichen. Eine Einschränkung des Waffenrechts scheitert in den USA jedoch regelmäßig an der Lobby-Arbeit der NRA (National Rifle Association). Aber auch in Europa gibt es einflussreiche Gruppen der Waffenlobbyisten, die sich gegen jede Einschränkung verwahren.
Die FIR drückt in dieser Situation den Betroffenen ihr Mitgefühl aus und erwartet, dass die politisch Verantwortlichen insbesondere der sozialpädagogischen Begleitung von jungen Menschen größeres Gewicht einräumen. Nur wenn es eine Zukunftsperspektive für alle jungen Menschen gibt, wenn Ausgrenzungen und soziale oder rassistische Diskriminierung gestoppt werden, besteht die Chance, die Ursachen für solche Gewalttaten zu minimieren.
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Quelle: FIR Newsletter 2025-24 dt.
FIR: Fédération Internationale des Résistants, internationale Dachorganisation von Verbänden antifaschistischer Widerstandskämpfer