Kurze und innige Feier in Frankfurt: Gedenktafel für Fritz Bauer an seinem ehemaligen Wohnhaus enthüllt, Teil 1/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - „Was ist denn da los?“, wurde ich von zwei Jüngeren befragt, als ich mich einer in die Feldbergstraße hineinreichenden Gruppe  zugesellen wollte. Auf meine schnelle Antwort: „Gedenktafel Fritz Bauer...“, machte sich nicht Unkenntnis in den Gesichtern breit, sondern ich hörte: „Ach, der mit Auschwitz. Das hatten wir in der Schule.“ - und sie kamen gleich mit.


Politische Bildung im Vorübergehen, denn, was die beiden gleich vor der Feldbergstraße 48 zu hören bekamen, war beides: ein politisches Gedenken an die 11 Jahre von Fritz Bauer als Generalstaatsanwalt von Hessen und ein inniges Erinnern an sein Leben in seiner Wohnung im schlichten Neubau, wo doch ringsherum die prächtigen Altbauhäuser und typischen großbürgerlichen Gründerzeitvillen im Westend stehen, sehr viele von ihnen von Juden erbaut und bewohnt, die dann als erste für die Deportationen nach Auschwitz und ihre Ermordung ausgewählt worden waren. Denn jüdischen Besitz zu übernehmen und von ihrem Unglück zu profitieren, durch Enteignung oder auch schnelles billiges Abkaufen, darin waren die Nachbarn groß. Auf welche Widerstände in diesem Ambiente Fritz Bauer dann ab 1957 stieß, war dann auch Gegenstand der Reden zur Einweihung der Tafel.

Gekommen waren diejenigen, die von der Feierstunde wußten und sich an einem Freitagvormittag dafür Zeit nehmen konnten. Ja, es hat sich etwas getan in Frankfurt. Nach der Tafel im Plenarsaal der Stadtverordnetenversammlung, die an die 50 Jahre Auschwitzprozeß erinnert, der hier begann und ob des Publikumandrangs in das Haus Gallus verlegt wurde, neben der Fritz Bauer Straße inmitten der Straßen von Nazi-Verfolgten, dem gewaltigen Denkmalsblock nur DIE SPITZE DES EISBERGS vor dem Oberlandesgericht auf der Zeil, dem von Bauer selbst initiierten Anbringen des Artikel 1 des Grundgesetzes DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST UNANTASTBAR an der Außenwand der Staatsanwaltschaft, nun also eine Würdigung des Menschen Bauer und ein Gedenken, das von denen im Frankfurter Westend ausging, denen er am nächsten stand: seinen Genossen.

Es war Hermann-Josef Birk, der als Stellvertretender Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Westend die Idee hatte und die Initiative ergriff, die sich dann – durchaus nach längerer Diskussion und dem Beharren auf dem Tafeltext durch den Ortsvereinsvorsitzenden der SPD Westend Martin Frankowski, - der Ortsbeirat 2 (Bockenheim, Kuhwald, Westend) zu eigen machte  und das Prozedere der Anbringung der Tafel in Gang setzte, zu deren Enthüllung jetzt die politischen Repräsentanten sprachen.

Das war einmal der Ortsvorsteher Axel Kaufmann (CDU), der alle begrüßte. Gottfried Kößler, Stellvertretender Leiter des Fritz Bauer Instituts war derjenige, der den Zusammenhang zwischen der Entrechtung und Ermordung der jüdischen Westendbevölkerung und den Nachbarn von Fritz Bauer in den Fünfziger und Sechziger Jahren aufgriff, die lieber in Ruhe in ehemaligem jüdischen Besitz leben wollten, als von einem Aufklärer auf ihre Kumpanei aufmerksam gemacht zu werden. Er war ein Störenfried im aufblühenden Wirtschaftswunderland, dieser Fritz Bauer, der noch dazu kein verkniffener Jurist, sondern ein weltoffener, Kultur genießender  und kunstinteressierter Mensch war.

Das war heute nicht Thema, aber jeder, der sich an die Szenen, die im Dokumentarfilm von Ilona Ziok  FRITZ BAUER – TOD AUF RATEN (Weltepremiere auf der Berlinale 2010) auftauchen, erinnert, hatte die modern eingerichtete Wohnung von Fritz Bauer im Sinn, vor dessen Stirnwand nun die Tafel jedem Vorübergehenden signalisiert, daß hier ein wichtiger Mann gelebt hat. Wie wichtig, erkennt man im Nachhinein noch klarer als die damaligen Zeitgenossen.

Und die Kulturpräferenz und der Kunstgeschmack von Fritz Bauer werden in den Aufnahmen von seinem Dienstzimmer auch deutlich, die selbst in den drei Spielfilmen über ihn eine Rolle spielen: die auffällige schwarz-weiße Tapete nach den Entwürfen von Les Corbusier. Nein, darum konnte es heute nicht gehen. Um sein Dienstzimmer schon. Denn im Zusammenhang mit den sozialen Schwierigkeiten und den Feindseligkeiten, denen sich ein linker Sozialdemokrat im gutbürgerlichen Westend gegenübersah, erwähnte Kößler auch den berühmten Aussprach von Fritz Bauer, daß er feindliches Ausland betrete, wenn er sein Dienstzimmer verlasse. Schon sein Stellvertreter war ein Alt-Nazi. Die meisten seiner Kollegen mußte sein weiterer Ausspruch, Gehorsam sei keine Tugend, aufbringen. Und Kößler fragte auch: „Warum hat es so lange gedauert?“, bis das Gedenken an Bauer Kraft gewann? Fortsetzung folgt.

Foto: Gedenktafel (c) Claudia Schulmerich

Info: www.fritz-bauer-film.de