Veröffentlichungen des Paritätischen Gesamtverbandes, Teil 911

Redaktion

Berlin (Weltexpresso)  - Der Paritätische hat eine Stellungnahme zu den jüngsten Referentenentwürfen des BMI zur Umsetzung der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verfasst. Der Verband kritisiert darin die massiven Verschärfungen im Asylrecht und verweist auf notwendige Änderungen am Gesetzesentwurf.


Die im Juni 2024 verabschiedete Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) ist bis zum Sommer 2026 in den einzelnen Mitgliedstaaten in nationales Recht zu überführen. Der Paritätische Gesamtverband hat die GEAS-Reform wiederholt kritisiert, da sie eine erhebliche Verschärfung des Asylrechts darstellt und den Schutz geflüchteter Menschen in Europa massiv zu untergraben droht. Diese Befürchtung bestätigt sich nun auch mit Blick auf die geplante Umsetzung in Deutschland. 

Die aktuell vorliegenden Referentenentwürfe des BMI - Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Rechts an die GEAS-Reform sowie Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AZRG und weiterer Gesetze in Folge der Anpassung des nationalen Rechts an GEAS - beinhalten die größte Änderung der deutschen Asylgesetzgebung seit dem Asylkompromiss 1993.  

Der Paritätische kritisiert, dass viele der in Folge der Verbände- und Länderbeteiligung zu dem bereits im Jahr 2024 vorgelegten Referentenentwurf erfolgten Verbesserungen des Gesetzesentwurfs wieder rückgängig gemacht wurden. Stattdessen wurden weitere Verschärfungen eingefügt, die über die zwingenden Vorgaben der europäischen Verordnungen und Richtlinie hinausgehen und in Teilen gegen Grund- und Menschenrechte der Betroffenen verstoßen. Insbesondere aber liegt dem vorliegenden Gesetzesentwurf erneut ein Abschreckungs- und Abschottungsgedanke zugrunde, den der Paritätische Gesamtverband nicht nur als inhuman, sondern vor dem Hintergrund der Notwendigkeit internationaler Verantwortungsteilung im Flüchtlingsschutz sowie des demographischen Wandels und des damit einhergehenden Fach- und Arbeitskräftewandels, als politisch vollkommen verfehlt ansieht. 

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Neuregelungen extrem unübersichtlich gestaltet sind und das schon jetzt äußerst komplexe Rechtsgebiet des Asyl- und Aufenthaltsrechts noch weiter verkomplizieren werden. Die Rechtsklarheit und -sicherheit wird hierunter massiv leiden, Verwaltungsverfahren werden sich verzögern und die Zahl der Gerichtsverfahren steigen. Selbst für Expert*innen ist mit dem vorliegenden Entwurf nur schwer erkennbar, durch welche konkreten Normen aus den insgesamt zehn EU-Verordnungen sowie der Aufnahme-Richtlinie die bislang geltenden Regelungen des deutschen Rechts ab 2026 abgelöst werden sollen. Eine übersichtlichere Regelung ist aus diesem Grund unabdingbar und stellt auch keinen Verstoß gegen das sogenannte Normwiederholungsverbot des EU-Rechts dar, wonach Vorschriften aus EU-Verordnungen im nationalen Recht nicht wiederholt werden sollen. Sie ist vielmehr europarechtlich geboten, da die bisher geplante Umsetzung der GEAS-Reform gegen die Prinzipien der Normklarheit, der Rechtssicherheit und der praktischen Wirksamkeit des Europarechts („effet utile“) verstößt. Für die Umsetzung der GEAS-Reform muss eine Regelungstechnik gewählt werden, die die Notwendigkeit der praktischen Wirksamkeit der Neuregelungen im Sinne des Unionsrechts systematisch in den Blick nimmt und durch Übernahme der Normen ins deutsche Recht sichtbar macht. 

Aus Sicht des Paritätischen Gesamtverbandes müssen insbesondere folgende Änderungen am Gesetzesentwurf vorgenommen werden: 

  • Ausschluss von Regelungen, die zu unverhältnismäßiger Anwendung von Haft und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit Schutzsuchender führen  
  • Keine Einführung von Aufnahmeeinrichtungen für Verfahren zur Sekundärmigration sowie der damit einhergehenden unbefristeten Wohnverpflichtung, Bewegungseinschränkungen sowie Leistungskürzungen 
  • Gewährleistung einer systematischen Identifizierung und Berücksichtigung von Schutzbedarfen bei der Unterbringung und Entlassung aus Aufnahmeeinrichtungen sowie im Asylverfahren  
  • Sicherstellung des Vorrangs der Kinder- und Jugendhilfe in allen Verfahren, auch an der Grenze und im Screening 
  • Gesetzliche Verankerung eines effektiven und ausreichend finanzierten unabhängigen Monitoringmechanismus 
  • Streichung der Leistungsausschlüsse und -kürzungen im Asylbewerberleistungsgesetz 
  • Streichung der über die europarechtlichen Vorgaben hinausgehenden Regelungen im Außengrenzverfahren 
  • Streichung europarechtswidriger Regelungen zur Verweigerung der Einreise in § 18 AsylG 

Die Stellungnahme des Paritätischen steht hier zum Download zur Verfügung. 

Dokumente zum Download

250708-STN-GEAS-Paritätischer.pdf (297 KB)

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