Veröffentlichungen des Paritätischen Gesamtverbandes, Teil 1038
Redaktion
Berlin (Weltexpresso) - Insgesamt haben 650 Verbände, Organisationen und Einzelpersonen den Aufruf unterzeichnet. Ein starker und breiter gesellschaftlicher Zuspruch, der den dringenden Handlungsbedarf unterstreicht. Der Appell ist an Abgeordnete der Ausschüsse Gesundheit, Bildung und Familie sowie Arbeit und Soziales gegangen. Die Kinderbeauftragte im BMBFSFJ, Parlamentarische Staatssekretärin Mareike Wulf, wurde wegen eines offiziellen Übergabetermins angefragt.
Etwa vier Millionen Kinder und Jugendliche leben (zeitweilig) mit einem psychisch oder suchtkranken Elternteil. Das ist eine schwere Belastung. Es gibt über alle politischen Fraktionen hinweg Einigkeit, dass Handlungsbedarf besteht, diese Kinder zu unterstützen. Die betroffenen Familien leiden darunter, dass die Sozialversicherung (Krankenversicherung und Rentenversicherung als Reha-Träger) nur den erkrankten Menschen in den Blick nimmt und nicht systemisch auf die gesamte Familie schauen kann. Die Teilhabhabeleistungen für qualifizierte und nicht qualifizierte Elternassistenz, die die Betreuung und Versorgung von Kindern sicherstellen soll, greifen erst, wenn eine chronische Erkrankung oder Behinderung bei einem Elternteil vorliegt. Die Kinder- und Jugendhilfe wird oft erst hinzugezogen, wenn eine Kindeswohlgefährdung nicht mehr zu übersehen ist.
Es ist für ihr gesundes Aufwachsen zentral, belastete Kinder in ihrem Unterstützungsbedarf frühzeitig zu erkennen, Zugänge aus Kita, Schule, Gesundheitswesen, psycho-sozialer Versorgung und Suchthilfe zu nutzen und gezielt präventive Angebote zu machen. Das betont auch der Antrag „Prävention stärken – Kinder mit psychisch und suchterkrankten Eltern unterstützen“ (BT-Drs 20/12089), den der Deutsche Bundestag am 31. Januar 2025 einstimmig verabschiedet hat.
Aus Sicht der Unterzeichnenden müssen folgende Punkte dringend umgesetzt werden:
- Wir brauchen gesetzliche Regelungen, die Familien mit einem psychisch und/oder suchterkrankten Elternteil bedarfsdeckende Hilfen und Unterstützung ermöglichen und das Ineinandergreifen von bestehenden Hilfen verbessern. Ziel sind sozialgesetzbuch-übergreifende, familienorientierte, einheitliche, komplexe und mischfinanzierte Leistungen (gemeinschaftsfinanzierte Komplexleistungen), um die Schnittstellen in der Versorgung und Hilfegewährung besser zu gestalten und Finanzierungslücken zu schließen. Um passgenaue und effiziente Hilfen anbieten zu können, müssen die Familien in deren Gestaltung und Planung einbezogen werden.
- Nicht nur die Erkrankten, sondern die gesamten Lebenssituation ihrer Familien müssen in den Blick genommen werden. Sie sollen einen Anspruch erhalten auf eine koordinierte, strukturierte und interdisziplinäre Versorgung wie aus einer Hand. Dafür müssen die rechtlichen Regelungen zur strukturierten, verpflichtenden Kooperation der beteiligten Systeme nachgeschärft werden und sich in allen relevanten Sozialgesetzbüchern (V, VI, VIII, IX, XII) spiegeln.
- Handlungsrahmen für kommunale Gesamtkonzepte zur Entwicklung, Umsetzung, Evaluation und Verstetigung von Hilfen werden momentan auf Länderebene parallel in Modellprojekten, zum Teil mit dem GKV-Bündnis für Gesundheit, entwickelt. Der Bund sollte sich hier beteiligen, um eine flächendeckende und einheitliche Versorgung sicherzustellen.
- Die 19 Empfehlungen, die eine aufgrund eines Bundestagsbeschlusses eingesetzte interdisziplinäre Arbeitsgruppe Kinder mit psychisch kranken Eltern (AG KpkE) konsentiert und im Dezember 2019 vorgelegt hat (BT-Drs 19/16070), sind nur teilweise umgesetzt. Nötig ist ein systematisches Monitoring der Umsetzung.
- Wer sich schämt und deshalb schweigt und sich versteckt, ist schwer mit Hilfen zu erreichen. Für den Zugang zu Betroffenen und ihren Familien ist Entstigmatisierung darum sehr wichtig. Die Aktion von Wall, dem BMBFSFJ, NACOA und KidKit im August 2025 zeigt: Kampagnen haben Wirkung, müssen aber regelmäßig laufen. Wir brauchen längerfristige, nachhaltig wirkende Entstigmatisierungskampagnen für Familien mit psychisch oder suchtkranken Eltern, unter Beteiligung der Zivilgesellschaft.
Dieser Appell ist entstanden im Rahmen der Tagung "Kleine Held*innen in Not 10” (6./7.11.2025), einer Veranstaltung des Dachverbands Gemeindepsychiatrie e. V. unter anderem in Zusammenarbeit mit dem AFET - Bundesverband für Erziehungshilfe e. V., der Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder psychisch erkrankter Eltern, dem Paritätischen Gesamtverband e. V., der DGSF – Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie, NACOA Deutschland e.V. und von Seelenerbe e. V..
Hier finden Sie den Appell mit einer Auflistung aller Mitzeichnenden.
Auch wenn die Mitzeichnung nun abgeschlossen ist, bleibt das Bündnis KipsFam engagiert. Es begleitet weiterhin den politischen Prozess, bringt die Forderungen in fachliche Dialoge ein und setzt sich für die Umsetzung der im Appell und im Antrag des Bundestags formulierten Ziele ein. Bitte unterstützen Sie uns weiter dabei!
Dokumente zum Download
Appell+Mitzeichnungen (378 KB)
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