kuratorM.W. Craven zeigt diese Tätigkeit als besondere Kunst eines Serienmörders

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Gleich vorneweg. Dieser Krimi ist harte Kost mit massenhaft Toten und entsetzlichen Todesarten, vor allem Verstümmelungen und massiver Folter. Aber der Autor packt das in eine phantastische Geschichte, die stringent durcherzählt wird, so dass man mit Respekt von einer sauberen Krimiarbeit sprechen muß, die auf 452 Seiten ohne Tricks die Spannung hält.


Das umfangreiche literarische Personal ist ausgesprochen individuell charakterisiert. Durch die Aufklärungsarbeit eines sehr ungewöhnlichen Falls führt DS Washington Poe, der beleidigt ist, wenn er mit seinem Vornamen angesprochen wird. Poe langt und ist richtig. Er arbeitet besonders erfolgreich mit Frauen. Tilly Bradshaw steht ihm in Sachen Exzentrik nichts nach, nein, sie überholt ihn sogar, denn sie hat eine Spezialbegabung, die sich für die Aufklärung von Gewaltverbrechen besonders eignet. Analystin nennt sie sich, die aber für ihre Begabung, aus dem Netz die allerkleinsten Fitzelchen zu Personen und Geschehnissen zu finden, eben das Netz braucht, sprich: eine Verbindung zum Internet, das in diesem Krimi eine der heutigen Zeit angemessene Wichtigkeit erhält.

Es beginnt mit den Fingern. Grausames Spiel, wenn hintereinander drei Personen auf je unterschiedliche Weise Finger abgehakt, abgeschnitten und zertrennt werden, die sich dann beispielsweise in Weihnachtsgeschenken wiederfinden. Einen groben, aber zugleich satirischen Spaß erlaubt sich Craven, wenn er uns zu Beginn auf völlig falsche Spur lotst, wenn nämlich im Becher-Weihnachtsgeschenk eines widerlichen Mannes, das bei der Firmenweihnachtsfeier von der Auserwählten ausgepackt wird, nicht der Verlobungsring steckt, wo dieser Widerling beim Auspacken auf die Knie fallen wollte und der Betreffenden den Heiratsantrag machen wollte, sondern sich blutige Finger zeigen….

Das ist nur der Anfang, anderswo unter völlig anderen Umständen werden ebenfalls Finger gefunden und auf eindrucksvolle Weise hangeln sich Poe und Tilly durch ein Gestrüpp von undurchsichtigen, für uns abenteuerlichen Erkenntnissen, denn es sieht so aus, als ob es der beiden genialen Spürnasenfähigkeit gelingt, dem potentiellen Täter und damit auch den einstigen Inhabern der drei Fingerpaare nahezukommen, ihn zu stellen.

Gebannt liest man das alles, was sich, das merkt Poe beizeiten, aber als Schnitzeljagd herausstellt. Der oder die Täter haben alles so melodramatisch drapiert, dass sich Poe und Tilly immer als intellektuelle Überflieger fühlen konnten, wo sie doch nur der ausgelegten Spur des/der Mörder folgten. Dazu gehörte nämlich, dass die Leichen aufgefunden wurden, von drei Menschen, die im wirklichen Leben überhaupt nichts miteinander zu tun haben – bis auf eins, was nach aufwendigen Untersuchungen herauskommt. Es gibt im Leben der Drei einige spezielle, also identische Wochen, in denen sie nicht am Arbeitsplatz waren. Das war vor drei Jahren und es ging um zwei Wochen. Aha, also Urlaub!? Das auch das ganz anders ist, zeigt die Phantasie des Autors, die keine Grenzen kennt.

Höchste, allerhöchste Zeit von der Chefin zu sprechen, Steph Flynn, die hochschwanger, also wirklich im neunten Monat sich an der Aufklärungsarbeit derart halsbrecherisch beteiligt, so dass die Leserin sich dauernd um das Leben der Mutter und des noch ungeborenen Kindes sorgen muß. Sie wird unterstützt von ihrer Schwester Jessica, einer begeisterten Bergsteigerin, die über ausreichend finanzielle Mittel verfügt, so dass zumindest Luxus geboten ist.

In die Suche nach der Gemeinsamkeit der drei Opfer schlägt ein Anruf aus den USA wie ein Meteorit ein, denn die FBI-Agentin, die sich meldet, berichtet von einem ähnlichen Fall in den USA, wo sie den Täter den Kurator nannten, weil er im Auftrag eine Mordserie hinlegte, die spektakulär und nicht aufklärbar war. Sie, die Agentin fiel in Ungnade, weil sie immer weiter ermitteln wollte. Aha, das sind wichtige Hinweise, denn wenn es sich nicht um einen ‚normalen‘ Serientäter handelt, wo der Mörder aus ihm eigenen Motiven mordet, was eine Einengung auf den Täterkreis möglich macht, sondern dieser Mörder „nur“ im Auftrag Menschen das Leben nimmt, dann wird eine Mörderermittlung sehr viel schwieriger, wenn nicht aussichtslos, weil beispielsweise das persönliche Tätermotiv völlig entfällt. Und das gezahlte Geld für den Auftragskiller kann man schlecht verfolgen, erst recht, wenn es wie hier in Bitcoin erfolgt.

Aber die beiden, Auftraggeber und Kurator, haben nicht mit Poe und Tilly gerechnet.

Schade, dass die Aufklärung der so spannend erzählten Geschichte eigentlich nicht angemessen ist. Das heißt, uns gefällt der Auftraggeber nicht so recht. So ein Aufwand! Auch, wenn man das Motiv versteht.

 

Foto:
Umschlagabbildung

Info:
M.W. Craven, Der Kurator, Droemer Verlag 2025
ISBN 978 3 426 28457 5