Frankfurter Buchmesse 8. bis 12. Oktober 2014, Teil 34

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es geht ja nicht nur um Bücher auf der Frankfurter Buchmesse, sondern überhaupt um Gedrucktes. Einen ganz besonders schönen Stand fanden wir in Halle 4.1: den der Kulturzeitschrift Perinique . Magazin Weltkulturerbe“.

 

Mehrere Poster schmücken die Wände, und auf den Regalen findet man eine Auswahl bisherigen Ausgaben, die immer wieder von Besuchern durchgeblättert werden. Auch beeindruckend die graphische Entwicklung der Zeitschrift. Wir treffen bei unserem Besuch den Verleger an. Und er beantwortet bereitwillig unsere vielen Fragen.

 

Claudia Schulmerich: Erst einmal ein Kompliment zu Ihrem Stand.

 

Wolfgang Mielke: Danke.

 

 

Wie lange erscheint Ihre Zeitschrift schon? Und was bedeutet der Titel?

 

Perinique gibt es jetzt seit viereinhalb Jahren. Der Titel ist eine adverbiale Bestimmung aus dem Lateinischen und bedeutet: “dass einem die Dinge nicht gleichgültig sind.“ Das habe ich vor ein paar Jahren entdeckt und fand es sehr passend.

 

 

Was sind Ihre Themen?

 

Kunst, Kultur und Reisen.

 

 

An welche Leser wendet sich Ihre Zeitschrift?

 

Grundsätzlich an alle Altersgruppen, denen es Spaß bringt, eine gut recherchierte Zeitschrift zu lesen. Ein großes Gewicht legen wir auch auf die Qualität der Fotos, die immer wieder gelobt wird.

 

 

Welche Auflage erreichen Sie?

 

Zehn bis Zwölftausend

 

 

Gibt es Themen, die Sie vermeiden?

 

Da gibt es eine schöne Definition in Schillers Briefen „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“. Er sagt dort im 22. Brief: „Darin also besteht das eigentliche Kunstgeheimnis des Meisters, daß er den Stoff durch die Form vertilgt (…) Das Gemüt des Zuschauers und Zuhörers muss völlig frei und unverletzt bleiben, es muss aus dem Zauberkreise des Künstlers rein und vollkommen wie aus den Händen des Schöpfers gehen. Der frivolste Gegenstand muß so behandelt werden, daß wir aufgelegt bleiben, unmittelbar von demselben zu dem strengsten Ernste überzugehen. Der ernsteste Stoff muss so behandelt werden, dass wir die Fähigkeit behalten, ihn unmittelbar mit dem leichtesten Spiele zu vertauschen.“ - Das habe ich mir beispielsweise bei der Ausgabe über die US-amerikanische Künstlerin Judy Chicago zu Herzen genommen, deren Kunst bisweilen dem Vorwurf der Pornographie ausgesetzt war. Oberflächlich betrachtet, könnte man nach dorthin abrutschen, aber ihre Idee, die übrigens aus der Literatur, vor allem durch Virginia Woolf angeregt wurde, meint doch deutlich etwas anderes. Judy Chicago und ihr Mann, der Fotograf Donald Woodman, haben mir das auch gedankt. Sie schrieb: „The magazines arrived today and the print version looks great, even better than the on-line version. Donald and I so appreciate the coverage you gave our work. (…) You did a terrific job (...) it all looks so great. Bravo!!!!“

 

 

Haben Sie viele Zuschriften?

 

Nach jeder Ausgabe erhalte ich immer zahlreiche E-Mails und Anrufe. Besonders gefreut hat mich einmal die Zuschrift einer Leserin, die sich eigentlich überhaupt nicht für das Thema des Artikels interessierte, aber durch die Art, wie es gemacht war, hineingezogen wurde. Sie selbst hat das allerdings viel besser formuliert: „Als ich angefangen habe, war ich sehr angetan, und fand es ziemlich anregend, das Heft zu lesen. (Vor allem die vielen Bezüge auf die Literatur haben mir sehr gefallen!) - Heute hatte ich dann wieder genug Zeit und Ruhe, die das Heft auch verdient, und so habe ich weitergelesen, mich festgelesen, und den Rest des Heftes hatte ich in einer dreiviertel Stunde durch. - Mir hat das Heft also sehr gut gefallen. Die Thematik war anregend, und obwohl manches nicht mein Interessengebiet war, habe ich doch alles mit Interesse gelesen.“

 

 

Haben Sie ein ähnliches Echo auch auf der Buchmesse erlebt?

 

Wir hatten sehr viele Besucher. Die meisten wurden von dem Titelbild der Ausgabe Perinique PQ14 angezogen. Es zeigt eine wunderschöne, in warmen Tönen gehaltene Bibliothek, halb streng, halb gemütlich, könnte man sagen; und der Titel dieser Ausgabe hieß: „... lesen!“ Mir gefällt dieses Titelbild auch besonders gut. Und dann bleiben sie stehen, blättern es an, lesen sich fest, kommen darüber zu den anderen Ausgaben.

 

 

Wie ist denn Ihr Magazin aufgebaut?

 

Es gibt meistens ein größeres Thema und daneben mehrere weniger umfangreiche Themen. Manche Ausgaben sind allerdings auch monothematisch. Oder monothematisch, aber mit sachlichen Ergänzungen versehen. Walter Ruppel, den ich noch vom Thalia Theater in Hamburg kenne, ist ein sehr strenger Leser und hat gerade diese Sachlichkeit, - er nannte es Trockenheit – gerühmt. Hier zum Beispiel, in diesem Heft über den Kameramann und Filmregisseur Roland Gräf, dessen beachtliche Landschaftsfotos vom Fläming, südlich von Berlin, wir veröffentlichen durften. Da haben wir auch noch einen allgemeinen Informationsartikel über diese Landschaft mit hineingenommen. Ähnlich hatten wir das zuvor auch schon in unserer Ausgabe über Köln, Amsterdam und Antwerpen gemacht. Da ging ich der Frage nach, wie eigentlich die Niederlande, die ja bis in die Renaissance-Zeit zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörten, entstanden und weshalb sich dieses losgelöste Gebiet dann in zwei Teile spaltete, eben die Niederlande, also Holland, und Flandern, das den Großteil Belgiens ausmacht. Daraus entwickelt sich dann schon eine Geschichts-Ausgabe. Es ging da um die religiöse Nord-Süd-Teilung durch die durch Luther ausgelösten Religionskämpfe, die dann in den Dreißigjährigen Krieg mündeten, woraus die damalige Neuordnung Europas resultierte.

 

 

Können Sie Ihre Themen immer frei wählen?

 

Grundsätzlich ja. Eine Bekannte äußerte einmal dazu, ich hätte ja einen Traumberuf. Wir haben zwar große Freiheiten, aber eine solche Ausgabe bereitet auch viel Arbeit, lange Recherchen, dann den Versuch der adäquaten Darstellung; es ist also auch sehr arbeitsam. Aber man lernt auch bei jeder Ausgabe wieder etwas. Zum Beispiel haben wir gerade zur Buchmesse eine Ausgabe über die Presse-Reise herausgebracht, die wir im Spätsommer davor durchgeführt haben. Bad Gastein, in Österreich, war eins der Ziele. Dieser Ort ist prall gefüllt mit Kunst und Geschichte: Durch wesentliche Persönlichkeiten, die unvergessen sind, wie den Dichter Franz Grillparzer, oder den Komponisten Franz Schubert, dessen letzte Symphonie an diesem Ort ihre Anfänge nahm. Später kamen dann Kaiser, Könige, Politiker, Wirtschaftsköpfe hinzu. In Bad Gastein fand ein Ereignis statt, das letztlich die Weltgeschichte bis heute eingeleitet hat. Eine Kleinigkeit, könnte man denken, und doch von ungeheurer Wirkung. Den 1. Weltkrieg hätte es ohne das nicht gegeben; sicherlich dann auch nicht den 2. Auch keine Teilung unseres Landes durch den „Eisernen Vorhang“, keine Wiedervereinigung usw.

 

Diese Kleinigkeit bestand einfach darin, daß Bismarck sich weigerte, am Frankfurter Fürstentag teilzunehmen; und in dieser Weise beeinflusste er seinen König. Dadurch stellte sich Preußen Österreich gleichberechtigt dar. Eine völlig neue Situation, die dann wenige Jahre später zum 2. Deutschen Reich führte und damit einem Deutschland, aus dem Österreich ausgeschlossen war. Ein englischer Beobachter nannte das „die deutsche Revolution“, die er in ihrer Bedeutung noch über die Französische Revolution stellte. Das ist eine weitsichtige Einschätzung. Denn die Mitte Europas wurde damit den Einflüssen ihrer vielen Nachbarn entzogen. Heute haben wir wieder – und wie es gegenwärtig aussieht – ein für lange Zukunft von Deutschland dominiertes Europa. Adam Hochschild spricht genau diesen Umstand am Ende seines hochinteressanten Buches über den 1. Weltkrieg an, und kommt kurzgefasst zu dem Schluss, daß man sich die beiden Weltkriege hätte sparen können, dieses von Deutschland dominierte Europa zu verhindern, denn, wie die Gegenwart zeige, wirklich nachteilig sei diese heutige Ordnung Europas nun ja nicht. - Also den Moment, der genau zu diesem Ergebnis führte, konnte ich durch meine Recherche dingfest machen. Und so etwas bringt natürlich Spaß.

 

 

Sind Sie zum ersten Mal auf der Frankfurter Buchmesse?

 

Mit einem eigenen Ausstellungsstand – ja.

 

 

Was sind Ihre Erfahrungen?

 

Als Besucher, wie ich die Frankfurter Buchmesse ja bisher nur kannte und genoss, läuft man frei umher, schaut hier mal, dort mal, kann sich an besonderen Ständen vertiefen, kommt ins Gespräch mit den Standbetreibern, meistens also mit den Verlegern oder den Mitarbeitern eines Verlages. Das ist sehr interessant und anregend. Hat man selbst einen Stand, bildet man selbst einen Anlaufpunkt, in diesem Fall für andere. Daher haben wir uns mit der Gestaltung, Aufmachung unseres Standes besonders viel Mühe gegeben, denn wir wollen natürlich auffallen. Es gibt vermutlich mehrere Tausend Stände auf dem ganzen Messegelände, da muss man sich etwas einfallen lassen. Aber das klingt jetzt nach Leuchtreklame und riesigem Brimborium.

 

Davon kann natürlich an unserem Stand keine Rede sein. Wenn überhaupt, bauen nur die ganz großen Verlage einen solchen Stand. Diese Verlage sind aber in Halle 3 untergebracht, und ihre Stände sind in der Regel Eigenkonstruktionen. Hier in Halle 4.1 sind die Stände durchweg genormt. Sie unterscheiden sich nur hinsichtlich ihrer Größe und Lage. Die kleineren Stände sind 4 Quadratmeter groß, 2 Meter breit und 2 Meter tief. Man könnte sie als quadratische Boxen bezeichnen. Unser Stand ist doppelt so groß, das ist nicht ganz präzise: Es ist doppelt so breit, also 4 Meter breit oder lang, denn die Tiefe ist bei allen Ständen gleich. Die Gassen sind ja wie Straßen: Und natürlich soll kein „Haus“ weiter als die anderen in die „Straße“ hineinragen. Daher ist die Tiefe der Stände immer gleich. - 4 Meter sind schon eine recht lange Front. Da kann man also die Vorbeigehenden optisch ansprechen.

 

Wir haben uns daher Mühe gegeben, unseren Stand so schön wie möglich zu machen. Gleichzeitig ausgewogen und doch aus verschiedenen Teilen und Akzenten bestehend. Das erkennt man an der Anordnung der Regale, die jeder Stand zur Verfügung hat. Unsere Regale sitzen nicht durchgehend auf einer Höhe, sondern auf verschiedenen Ebenen. Das belebt. Aber es würde unruhig werden, wenn nicht ein Optisches Gegengewicht dagegen halten könnte. Daher haben wir die Plakate nicht symmetrisch, sondern gewissermaßen asymmetrisch aufgehängt. Und so kommt ein ruhiger Gesamteindruck zustande – und doch gleichzeitig das, was ich als „lebendige Schönheit“ bezeichnen würde. - Ich habe mir, nachdem wir mit dem Aufbau nach ungefähr 3 Stunden fertig waren, unseren Stand von der gegenüberliegenden Seite angesehen, habe mich sozusagen auf die andere Straßenseite gesetzt und unseren Stand betrachtet und seine Schönheit eine Weile lang genossen. - Zum Glück war das nicht nur eine Form von Selbstverliebtheit, denn das Publikum hat auf den Stand ebenso positiv reagiert.

 

www.perinique.de