Gérard Denizeau bringt Meisterwerke der Malerei von Michelangelo bis Chagall im Lambert Schneider Verlag - WBG

Susanne Sonntag

Darmstadt (Weltexpresso) - Wir sind ein Fan der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (WBG), die nicht nur Verlagen mit kulturellem Schwerpunkt durch Aufnahme ein Weiterexistieren sichert, sondern grundsätzlich im besten Sinne kulturgeschichtliche Werke veröffentlicht, die nicht nur bilden, sondern auch erfreuen, wie dieser Band.

 

Daß Bilder Geschichten erzählen, ist ein alter Hut. Heute bringen uns schon die urzeitliche Höhlenmalereien zum Fabulieren. Und denkt man an die antiken Skulpturen, so ist man oft mitten in Dramen oder in dem, wofür heute Agenturen beschäftigt werden: das Ansehen eines Außergewöhnlichen zu mehren. Sei es der TITUSBOGEN in Rom, der dezidiert vom gewonnenen Krieg erzählt, oder DER STERBENDE GALLIER, mit dem die Römer wenigstens die Würde des Unterlegenen betonten. Sehr viel später war es dann die Kirche,  die die Bilder zum Geschichtenerzählen nutzte. Vor allem in der romanischen Zeit gab es an den Gotteshäusern die Steinerne Bibel, wie es beispielsweise die äußere Apsis von Schöngrabern/Österreich zeigt. Da konnten die Dorfbewohner mit eigenen Augen sehen, wie es zuging, als im Sündenfall Gott seine Geschöpfe in die Welt schickte und was passiert, wenn man sich nicht an die Gebote hält. Da war es schon besser,  die religiösen Vorgaben zu beachten. Die Funktion von Geschichtenerzählen durch Bilder und gleichzeitig das Gewissen der Gläubigen zu instruieren, war hier perfekt erfüllt. 

 

Ein Beispiel dafür sind auch die herrlichen Wandfresken an den inneren Westmauern der Kirchen, ganz besonders im oströmischen Bereich. Durch diese verließ man nach der Messe die Kirche, es war die letzte Botschaft und mußte bis zur nächsten Messe halten. War es zuerst ausschließlich das Jüngste Gericht, das in Bildgewalt zeigte, wie das sein wird, wenn die Taten der Menschen einst gewogen werden und den Himmel verheißen oder mit der Hölle drohen, so kam auf die Westwand ein neues Motiv: die Koimesis, die Entschlafung Mariens, also der Marientod mit den Aposteln um ihr Lager und Jesus Christus hinter ihrem Leichnam mit ihrer als Kleinkind verschnürrten Seele, die von den Cherubim und Seraphim gen Himmel getragen wird. Hier erzählt das Gemälde nicht nur eine bekannte Geschichte, sondern uns erzählt es heute auch etwas über die krichlichen Strategien im Umgang mit Gläubigen. Denn aus der deutlichen Drohung an der Westwand von Kirchen beim Druchschreiten der Gläubigen nach draußen ins Leben, wurde eine Gewißheit, daß man sich an Maria wenden könne, deren Seele doch von ihrem Sohn persönlich den himmlischen Heerscharen übergeben worden war. So wurde die Westwand zur einer kraftspendenden Nachhausegehbotschaft.

 

Mit ihren heiligen Szenen hat die Bibel zahlreiche Künstler zu großartigen Werken inspiriert. Das waren zuerst Auftragswerke der Kirche, herrliche Altäre von Künstlern, die sich als Handwerker verstanden, die zur Ehre Gottes ihre Werke schufen. Später als aus den 'Handwerkern' Künstler geworden waren, die sich zunehmend autonom verstanden, wenngleich sie weiterhin Aufträge ausführten, entstanden auch viele christlichen Bilder in intrinsischer Motivation.

 

Nach der Reformation tat sich die Katholische Kirche gerade durch Bilder an Wänden, durch Altäre, durch Leinwände und Skulpturen hervor gegenüber einer abgespalteten Evanglischen Kirche, die ihr Heil allein in der Schrift suchte. Die Themen reichen von der Erschaffung des Menschen bis zum Jüngsten Gericht. Und in früheren Zeiten verstanden die Betrachter auch das, was sie sahen, denn das Wissen um die Entstehung der Welt im Alten Testament und um die Leidens- und Heilgeschichte des Jesus Christus im Neuen Testament wurde schon mit der Muttermilch eingesogen, diese Geschichten waren Bestandteil des täglichen Lebens. Das ist heute anders, weshalb es auch meist nicht mehr genügt, sich nur die Bilder anzuschauen. Die allermeisten brauchen Erklärungen dazu.

 

Als dann auch noch im 20. Jahrhundert Erwin Panowsky daherkam und völlig zu Recht von der in christlichen Bildern "versteckten Symbolik" sprach, waren selbst die Bibelfesten sehr oft bildliche Analphabeten. Hier geht es darum, welche - dem Kundigen offene - Botschaften Dinge wie ein mit Wasser gefülltes Glas bei Mariens Verkündigung durch den Erzengle Gabriel oder das Flattern der Taube bedeuten. Ganz einfach, beides symbolisiert Mariens Empfängnis, denn wie mit einem Pfeil durchdrang der Heilige Geist im Lichtstrahl das Wasserglas, das heil blieb, so auch den Körper Mariens, so daß es zu einer jungfräulichen Geburt kommen konnte. Das wußte der Maler des Bildes, so verstanden es dessen gläubige Betrachter.  Das nur als Beispiel, denn viele der Symbole, wie zum Beispiel die weiße Lilie als Sinnbild der Unschuld, haben sich bis in unsere säkulare Zeiten erhalten.

 

»Die Bibel in Bildern«

In »Die Bibel in Bildern« versammelt nun Gérard Denizeau ausgewählte Höhepunkte der Kunstgeschichte und hilft durch sachkundige Erläuterungen, Bedeutung und Botschaft der Gemälde zu entziffern.  



Viele große Maler haben ihre Themen der Bibel entnommen. Doch was bedeutet der Schafbock neben Abrahams Sohn? Welche Personen sieht man bei der Kreuzigung zu Christi Füßen? Woran erkennt man Judas beim letzten Abendmahl? Gérard Denizeau lädt mit seinem neuen Band »Die Bibel in Bildern« dazu ein, die Meisterwerke von Michelangelo, Marc Chagall oder Gustav Klimt neu zu entdecken. Jedes Gemälde deutet er sachgerecht und benennt die zugrundeliegende Bibelstelle.

 

Einleitende Zitate und Zusammenfassungen stimmen auf die biblischen Geschichten ein, die heutzutage oft nicht mehr präsent sind. Herausgehobene Vergrößerungen und Hintergrundinformationen erschließen bemerkenswerte Details. Denizeau widmet sich unter anderem Masaccios ›Vertreibung aus dem Paradies‹ ebenso wie ›Turmbau zu Babel‹ von Pieter Brueghel oder van Goghs ›Guter Samariter‹. Zu den bekanntesten biblischen Bildern zählen aber sicherlich Michelangelos Deckenfresken der Sixtinischen Kapelle im Vatikan.  Das Bild, auf dem Gott mit ausgestrecktem Zeigefinger Adam zum Leben erweckt, wird oft reproduziert. Wie Denizeau erklärt, ist es dabei keineswegs zufällig, dass der Zeigefinger Gottes den Adams nicht berührt. Durch diesen Abstand wird deutlich, dass die wahre Macht in Gottes Hand ruht und nicht in der des Menschen.

 

 
Über den Autor
Gérard Denizeau ist Kunsthistoriker, Musikwissenschaftler, Schriftsteller und Publizist. Er hat zahlreiche Veröffentlichungen zur Kunst- und Musikgeschichte vorgelegt.

 

Info:   
Über das Buch


Gérard Denizeau
Die Bibel in Bildern
Meisterwerke der Malerei von Michelangelo bis Chagall
Lambert Schneider Verlag - WBG
2016. 224 S. mit etwa 130 farb. Abb., Glossar, Zeittafel und Reg., geb. mit SU.
Aus dem Franz. von J. Beaufort und M. Kaiser.
Preis: € 49,95 [D]
ISBN 978-3-650-40152-6
Erscheint am 12. September 2016