f leuchten2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 4. Januar 2018, Teil 8

Paolo Virzì

Berlin (Weltexpresso) - Ein amerikanischer Film? Von mir?  Ich hätte nie gedacht, dass ich einen Film in einem anderen Land machen würde, noch dazu in einer Sprache, die nicht meine Muttersprache ist. Ich weiß auch immer noch nicht genau, wie das passieren konnte. Ich werde versuchen, die Entstehungsgeschichte zusammenzufassen:

Der Ursprung von DAS LEUCHTEN DER ERINNERUNG liegt ein paar Jahre zurück. Damals nahm ein Film von mir an der lustigen und leicht absurden Prozedur der Oscar®-Verleihung für den „Besten fremdsprachigen Film“ teil (DIE SÜSSE GIER, 2014). Er kam in den USA ins Kino, und auch mein vorheriger Film (LA PRIMA COSA BELLA, 2010) hatte einen amerikanischen Kinostart gehabt. Nachdem beide Filme gut ankamen, erhielt ich immer wieder Angebote, doch einmal in Amerika zu drehen - ich weigerte mich jedoch, irgendwo anders zu arbeiten als in Italien. Zudem lagen bei diesen Angeboten meist bereits fertige Drehbücher vor, und, ehrlich gesagt, keines der Projekte weckte mein Interesse.

f leuchten1Aber ich hatte Freunde in den USA, die sich damit nicht zufriedengeben wollten. Sie saßen bei „Indiana Production“, einer Produktionsfirma, die meine zwei amerikanischen Kinostarts begleitet hatte, und sie verstanden einfach nicht, warum ich nie außerhalb Italiens drehen wollte. Schließlich kam ich ihnen einen Schritt entgegen: Wenn wir einen tollen Stoff fänden, in einer literarischen Vorlage vielleicht, und wenn ich mit diesem Stoff so arbeiten könnte, wie ich es gewohnt bin – selber das Drehbuch schreiben zum Beispiel – dann wäre ich bereit, mir die Amerika-Idee noch einmal zu überlegen.

Von da ab schickte mir das Büro der „Indiana Production“ kistenweise Romane und Kurzgeschichten. Eines Tages war eine Erzählung von Michael Zadoorian dabei, sie handelte von zwei alten Eheleuten aus Detroit, die noch einmal in ihren Campingbus steigen und auf der legendären Route 66 nach Kalifornien fahren. Der subversive Geist der Geschichte reizte mich, denn sie erzählte von der Rebellion dieser beiden Alten gegen ihre Ärzte, gegen ihre Kinder, gegen soziale und medizinische Vorschriften. Denn eigentlich sollte das Ehepaar ins Krankenhaus, um dort den Rest des gemeinsamen Lebens zu verbringen, anstatt spontan nach Kalifornien auszureißen. Was mich allerdings störte, war gerade dieses Ziel Kalifornien. Die Reise dorthin, die Landschaft, die Konnotation von Freiheit war schon in zu vielen guten Filmen vorgekommen. Ich sah die Gefahr, von Klischees verführt zu werden, so wie es amerikanischen Regisseuren passiert, wenn sie in Italien drehen. Ihre Filme zeigen oft genau die gleichen pittoresken Bilder, die hier von jedem Touristen fotografiert werden. Also legte ich Zadoorians Buch wieder beiseite und widmete mich anderen Dingen: Ich drehte einen italienischen Film, in Italien.

Einige Zeit später baten mich dann italienische Freunde, die Drehbuchautoren Francesca Archibugi und Francesco Piccolo, die Sache nicht so einfach abzutun. Sie schlugen vor, Zadoorians Geschichte als Vorlage zu nehmen, aber die Reiseroute und das soziokulturelle Profil der Figuren zu verändern. Also erfanden wir einen Literaturprofessor im Ruhestand, mit einer Frau aus South Carolina, die sich zusammen auf den Weg nach Key West machen, um das Haus von Hemingway zu besuchen. Wir schrieben ein paar Szenen und Dialoge auf Italienisch, übersetzten sie mit Hilfe meines geschätzten Freundes und Romanautors Stephen Amidon ins Englische, und hatten damit die erste Version eines Drehbuchs.

Ich erinnere mich, dass ich zu diesem Zeitpunkt eine Art Zugeständnis machte: Falls Donald Sutherland zustimmen würde, die Rolle des Ehemannes John zu übernehmen, und falls außerdem Helen Mirren bereit wäre, dessen Ehefrau Ella zu spielen, dann würde ich diesen Film machen. Ich hoffte, mit solchen Bedingungen hätte ich dem amerikanischen Projekt die Chance auf Realisierung genommen. Aber meine Produzentenfreunde und meine Ko-Autoren fanden die Idee fantastisch und sorgten schließlich dafür, dass meine leichtfertigen Sätze auf mich zurückfielen: Ich weiß bis heute nicht warum, aber Mirren und Sutherland sagten zu. Ein paar Wochen später stand ich schon auf dem Set, ohne dass ich Zeit gehabt hatte, mir richtig klarzumachen, was eigentlich passiert. Aber da war ich, in Amerika, mit einem Team, das ich zur Hälfte aus Italien mitgebracht hatte, und mit all meinen italienischen Gewohnheiten. Die bestanden darin, im Guten wie im Schlechten durchzusetzen, wie ich die Dinge sehe und wie ich Filme machen will. Ich hatte den Ozean nicht deshalb überquert, damit aus mir ein „amerikanischer Regisseur“ würde.

Aber die Arbeit mit einer grandiosen Schauspielerin wie Helen Mirren und einer echten Legende wie Donald Sutherland war nicht nur elektrisierend, sie war auch äußerst lehrreich. Es faszinierte mich, sie zusammen spielen zu sehen – er ist würdevoll, aber gleichzeitig amüsant und immer für eine Überraschung gut; sie ist schlagfertig, weise, witzig, und zeigt dann plötzlich Wut oder Schmerz. Oft fiel es mir tatsächlich schwer, am Ende einer Szene „cut!“ zu rufen, so sehr genoss ich es, mit zwei Schauspielern zu arbeiten, die mich begeistern und bewegen. Diese beiden waren vielleicht der beste Grund, nach Amerika zu fahren, um dort einen Film zu drehen – wenigstens einmal in meiner Geschichte als italienischer Regisseur, oder besser, als Regisseur aus Livorno.

Fotos: © Concorde Filmverleih

Info:
DIE SCHAUSPIELER 

HELEN MIRREN (Ella Spencer) 
DONALD SUTHERLAND (John Spencer) 
CHRISTIAN MCKAY (Will Spencer) 
JANEL MOLONEY (Jane Spencer) 
DANA IVEY (Lillian)