f leuchtenSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 4. Januar 2018, Teil 7

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Gehen denn so viele ältere Leute ins Kino, das sich Filme über das Älterwerden generell und über Probleme dabei finanziell lohnen – oder sind es gar die Jungen, die sich das fidele bis traurige Seniorenleben anschauen, weil sie sicher sind, daß sie so was nie erleben werden?

Auf jeden Fall ist bei diesen Seniorenfilmen dann doch interessant, wie unterschiedlich der Ansatz ist und eben auch die Perspektive, auf die sie verweisen. War es beim heute ebenfalls anlaufenden Film aus Luxemburg ALTE JUNGS das anarchische Potential von vier Männern zwischen 65 und 86 Jahren, wo altersbedingte Wehwehchen oder echte Krankheiten mit dem Schwung des autonom Leben-zu-wollen hinweggefegt wurden, so geht es bei dem mit Helen Mirren und Donald Sutherland prominent besetzten Altersfilm um ein seit Ewigkeiten verheirateten Ehepaar, daß sich entgegen der wirklichen geistig gesundheitlichen Lage des Ehemann, dem wir beim Abgleiten in die Demenz zusehen, trotzdem auf den Weg macht, beim Fahren das eigene Leben zu rekapitulieren. Ein Roadmovie also der ganz speziellen Sorte.

Wenn man weiß, daß Bewegung für ältere Menschen geradezu als Aphrodisiakum fürs Weiterleben gilt, dann fallen beim Fahren mit dem Auto zurück in die Sehnsuchtsorte des eigenen Lebens beide Teilbereiche für Bewegung: geistige und körperliche zusammen. Es ist also eine therapeutische Maßnahme, die Regisseur Paolo Virzì John Spencer (Donald Sutherland) und damit auch seinem Film zukommen läßt. Zudem ergibt sich die Idee zur Reise und auch dessen Ziel sehr schlüssig aus dem Leben des Paares.

John Spencer war Literaturprofessor, seine Frau Ella (Helen Mirren) sicher eine ebenbürtige Gesprächspartnerin. Die gemeinsamen Kinder haben alle ihr eigenes gut situiertes Leben und außer mit den Krankheiten, dem dauernden Rennen zum Arzt und den Altersblessuren fertig zu werden, gäbe es keine größeren Probleme, wenn da nicht die beginnende Demenz bei John das bisherige gute einvernehmliche Leben sprengte. Wer vergißt, macht sich und anderen Angst. Denn sich auf sein Gedächtnis und damit auf das gelebte Leben verlassen zu können, ist uns Menschen so tief eingegraben, daß der Verlust von Erinnerung auch den Verlust der Autonomie einschließt. Kann man noch leicht zynisch sagen, daß der, der vergißt, ja auch vergißt, daß er dement wird, - was im übrigen nicht stimmt, denn die Trauer über das vergessene Gestern, die sich leicht zur Wut steigert, ist immanent - , so muß man für denjenigen, der die Krankheit des Vergessens am Partner miterlebt, den andauernden Schock konstatieren. Er muß jetzt für zwei denken und sich für zwei erinnern. Leicht führt das zu sehr übergriffigen Situationen.

f hem home 002Das generell. Sehr gekonnt löst der Regisseur aufkommende Probleme. Sie werden einfach Teile der Handlung. Und schon wieder wird ein Automobil Träger des Widerstands gegen das Alter und das mechanische Instrument für einen flotten Geist. War es in ALTE JUNGS der alte General Motors Van, einen Chevrolet Beauville Sportvan 1981, so wird hier das Oldtimer-Wohnmobil des Paares, getauft auf „The Leisure Seeker“ zum dritten Mitspieler. Mit ihm nämlich will das lädierte Paar, das in Massachusetts lebt, nach Key West fahren, um endlich das Haus von Hemingway zu besuchen. Das liegt da unten auf einer der kleinen Florida vorgelagerten Inseln. Das paßt, daß ein Literaturprofessor und seine Frau das Haus des ehemaligen literarischen Nationalhelden Ernest Hemingway aufsuchen wollen. Mitten im Film fällt einem dazu allerdings ein, wie vergessen der einstige Besteller- und Schlagzeilen machende Schriftsteller heute ist. Eine andere Zeit.

Und genau diese andere Zeit erleben die beiden auf ihrer Reise, die Odyssee zu nennen zu hochtrabend ist, obwohl sie genau wie Odysseus ihre Abenteuer zu bestehen haben. Und nur, weil dies gut konstruiert und durch die Darsteller kongenial auf die Leinwand gebracht wird, lohnt sich der Filmbesuch, obwohl man doch vieles schon im voraus erwartet. Aber wie die beiden an jedem Campingplatz ihre Diashow durchs Leben vollziehen, hat selbst so etwas wie das Stemmen gegen die Vergeßlichkeit. Wer macht heute noch Dias? Wer setzt sich heute noch im Familien- und Bekanntenkreis zum Diaabend zusammen, wo die Reisen vorgeführt werden und die Kinder, wie sie klein waren. Also wird auch dieser Kulturtechniken gedacht, die wie alte Leute aus der Mode kommen und dann entschwinden.

In der Tat sind es solche kleine Beobachtungen, die den Wert dieses Films ausmachen, der ansonsten einfach sehr gut gemacht ist und trotz der Vorerwartungen dann auch noch Überraschendes serviert, wenn die wohlanständige Lady Ella mit der Knarre in der Hand die jugendlichen Räubern das Fürchten lehrt.

P.S. Den Filmtitel finden wir sprachlich schön und inhaltlich passend und freuen uns auch, wieder einmal einen deutschen Titel genießen zu können. Denn das LEUCHTEN DER ERINNERUNG setzt in uns selbst sofort derartige Erinnerungen in Gang, wo das Erinnern zum inneren Leuchten wurde, weil man natürlich gerne gute Erinnerungen überhöht und schlechte hoffentlich vergißt.

Fotos
© Concorde Filmverleih
Das Reiseziel, das Haus von Hemingway: https://www.hemingwayhome.com/

Info: DIE SCHAUSPIELER

HELEN MIRREN (Ella Spencer)
DONALD SUTHERLAND (John Spencer)
CHRISTIAN MCKAY (Will Spencer)
JANEL MOLONEY (Jane Spencer)
DANA IVEY (Lillian)