f 7tageSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 3. Mai 2018, Teil 10

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der Film wurde im Wettbewerb der Berlinale gezeigt und dort war dasselbe Phänomen zu erleben, wie bei den Pressevorführungen in den verschiedenen Städten, daß die meisten, die allermeisten Journalisten vom politischen Ereignis ENTEBBE überhaupt keine Vorstellung, keine Erinnerung hatten, dagegen aber beispielsweise die ENTFÜHRUNG nach MOGADISCHU ein tiefer Begriff ist.

Und eh wir auf den Film kommen, muß der Zusammenhang beider Ereignisse geklärt werden, wobei schon auffällig ist, daß MOGADISCHU im kulturellen Gedächtnis überwinterte, die Bedeutung von ENTEBBE dagegen nur den wirklich politisch Bewußten klar blieb.

Die Kurzform:

Am 27. Juni 1976 kaperte eine zusammengewürfelte Gruppe von palästinensischen und deutschen Politaktivisten, die sich im Recht fühlten, die Air France Maschine, die von Tel Aviv nach Paris unterwegs war. Der Ausgangsort Tel Aviv war wichtig, weil in der Maschine sehr viele Israelis saßen, die als Geiseln ‚benutzt‘ werden und gegen in Israel inhaftierte palästinensische Gefangene ausgetauscht werden sollten. Der ruhmsüchtige Diktator Ugandas, der damals berühmt- berüchtigte Idi Amin, hatte zugesagt, daß die Maschine in der Hauptstadt ENTEBBE landen dürfe. Die Verhandlungen zogen sich hin und nach sieben Tagen griff in einer geheimen Operation israelisches Militär ein, tötete die meisten Terroristen, so daß ENTEBBE als Fehlschlag in die Geschichte einging. Es gab vor diesem Film nur zwei amerikanische Fernsehverfilmungen unmittelbar nach der Tat.

Am 13. Oktober 1977 kaperten vier Palästinenser, von denen sich einer Kapitän Märtyrer Mahmud  nannte, der Kampfname des ein Jahr zuvor in ENTEBBE getöteten deutschen Terroristen Wilfried Böse, die Lufthansamaschine Landshut, LH 181, die von Palma de Mallorca nach Frankfurt am Main unterwegs war. Der Zielort war wichtig, weil sich in der Maschine überwiegend Deutsche befanden, was deshalb wichtig war, weil die Entführung nach MOGADISCHU in Somalia, wo die Maschine nach vielen kurzfristigen Halts und Auftanken endlich dauerhaft landen konnte, dem Zweck diente, die in Stammheim festgehaltenen wichtigsten Führer der Roten Armee Fraktion (RAF) im Austausch freizupressen. In einer geheimen Aktion war es hier die GSG 9 des deutschen Grenzschutzes, die am 18. Oktober 5 Minuten nach Mitternacht drei der Terroristen tötete und die Geiseln fast unverletzt befreite.

Warum MOGADISCHU ins kulturelle Gedächtnis überging hat sicher damit zu tun, daß in der selben Nacht, nach der Befreiung der Geiseln von Mogadischu, von den vier inhaftierten RAF-Führern Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe und Andreas Baader den Tod fanden, Irmgard Möller schwer verletzt überlebte, Ulrike Meinhof hatte sich schon am 9. Mai 1976 in Stammheim umgebracht. Selbstmord, wurde offiziell gesagt, mit Verdächtigungen ihrer Ermordung in inoffizieller Lesart. Deren Folge war wiederum die Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer, der entführt war, als die Aktion MOGADISCHU lief, alles Ereignisse, die den schwarzen Herbst, den sogenannten Deutschen Herbst 1977 ausmachen. Zweimal ist diese Entführung in aufwendigen deutschen Fernsehspielen aufgearbeitet worden.

Das war uns wichtig als historischer Hintergrund, auf dem wir den von José Padilha mit einer internationalen Besetzung verantworteten Film nach dem zweiten Sehen rundherum empfehlen können. Sowohl die Zeit, wie auch der Vorgang, wie auch die Motive der Handelnden und warum die Aktion im Sinne der Entführer schief ging, zeigt der Film einsichtig.

Der Film hat vordergründig drei Spielebenen, die ineinandergreifen und zum Schluß als Reflex auf der Tanzbühne enden. Da ist zum einen die eigentliche Handlung im und um das Flugzeug, wo Wilfried Böse (Daniel Brühl) und Brigitte Kuhlmann (Rosamunde Pike) aus den Revolutionären Zellen zusammen mit zwei Palästinensern der Volksfront zur Befreiung Palästinas die Maschine mit 12 Besatzungsmitgliedern und 258 Passagiere, darunter sehr viele Israelis entführen.

Die Unsicherheiten der Terroristen mit den gegenseitigen Verdächtigungen, man sei zu weich, man sei zu hart, sind interessant anzuschauen, wobei das keine psychologische Verklärung, sondern echte Klärung der unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Interessen ist. Sehr einfühlsam wird an der Person von Wilfried Böse der Konflikt dargestellt, der auf einmal für einen, der die Nazis haßt, entsteht, wenn er die Ängste der israelischen Geiseln erlebt, von denen Ältere allein schon die deutsche Sprache fürchten, weil es die Sprache der Aufseher in den KZs war. Daß er, Wilfried Böse, Israelis genau dieselbe Angst bereitet, kann er kaum ertragen.

Total spannend, wenn die Nachricht von dieser Entführung in eine Sitzung des israelischen Kabinetts platzt, wo Premierminister - der später ermordete - Yitzhak Rabin (Lior Ashkenazi) vom Verteidigungsminister Shimon Peres (Eddie Marsan) ständig herausgefordert wird. Nämlich ein Falke zu werden, das Militär zu stärken. Die israelische Regierung hat – wie ein Jahr drauf die Deutschen – als Prinzip festgelegt, auf keine Erpressung durch Entführung einzugehen. Hier sind es zudem 53 palästinensische Häftlinge, die als ‚Freiheitskämpfer‘ von den Entführern befreit werden sollen sowie 5 Millionen Dollar Lösegeld.

Längst ist klar, daß in einer Geheimaktion die Entführer in ENTEBBE überwältigt werden sollen, was gelingt. Daß man auf diesem Weg erfährt, was Eingeweihte schon länger wissen, daß neben den erschossenen Terroristen auch der Anführer des israelischen Elite-Kommandos, Yoni Netanyahu ums Leben kommt, ist wichtig.Er ist tatsächlich der ältere Bruder des heutigen Ministerpräsidenten Israels. Auch wenn es Klippsychologie ist, führt man dessen starre politische Haltung sofort auf den Tod seines Bruders zurück.

Das Tanztheater ECHAD MI YODEA führt szenisch in Übertragung der Positionen der Interessengruppen den Vorgang auf der Bühne dar, was so gespenstisch wie eindringlich wirkt.

Der Handlungsverlauf selbst wurde von uns ausführlich in der Besprechung zur Berlinale gewürdigt:
https://weltexpresso.de/index.php/kino/12259-7-days-in-entebbe


Foto:
© Verleih

Info:
Besetzung

Wilfried Böse           DANIEL BRÜHL
Brigitte Kuhlmann    ROSAMUND PIKE
Shimon Peres          EDDIE MARSAN
Yitzhak Rabin          LIOR ASHKENAZI
Jacques Lemoine    DENIS MENOCHET
Zeev Hirsch             BEN SCHNETZER
Idi Amin .                 NONSO ANOZIE


Stab
Regie             JOSÉ PADILHA
Drehbuch       GREGORY BURKE