Islands1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 8. Mai 2025, Teil 5

Margarete Ohly-Wüst

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Tom (Sam Riley) war früher ein bekannter Tennisspieler, jetzt arbeitet er als Tennistrainer in einer Hotelanlage auf Fuerteventura. Was auf den ersten Blick wie der Traum vom endlosen Sommer wirkt, ist für den ehemaligen Profi längst monotone Routine geworden - zu seinem Leidwesen schon ab neun Uhr morgens. Während die Touristen in einem nicht endenden Strom kommen und gehen, spielt er Woche für Woche hunderte Bälle übers Netz und füllt die Leere mit flüchtigen Affären und Alkohol, denn die Nächte schlägt er sich mit Alkohol und Drogen in Clubs und mit One-Night-Stands mit Touristinnen um die Ohren. Doch während seine Liebschaften wieder abreisen können, sitzt er auf der Insel fest, unfähig etwas zu verändern.


Einer seiner wenigen Freunde auf der Insel ist der alte Rafik (Ahmed Boulane), der auf seiner etwas außerhalb gelegenen Farm Kamelreiten für Touristen anbietet. Da seine Kinder aber ihre Ausbildungen abgeschlossen haben, hat er seine Farm verkauft und wird zusammen mit seiner Frau Amina (Fatima Adoum) demnächst nach Marokko zurückkehren.

In einer Zigarettenpause beobachtet er vor dem Hotel die Ankunft neuer Touristen. Kurz danach trifft Tom die neuen Hotelgäste Anne (Stacy Martin) und Dave Maguire (Jack Farthing) wieder, die ihren siebenjährigen Sohn Anton (Dylan Torrell) zum Tennisunterricht anmelden möchten. Auch wenn Tom eigentlich keine Termine mehr frei hat, nimmt er den Jungen zu einem sehr frühen Termin an, denn die Familie entspricht eigentlich nicht dem Bild der üblichen Pauschaltouristen. Die erste Stunde läuft aber so gut, dass Anne direkt die nächste bucht. Dieses Mal taucht aber nicht der Mutter, sondern Antons Vater auf.

Trotzdem kommt Tom der gesamten Familie näher, auch wenn ihn seine Mitarbeiterin Maria (Bruna Cusí) warnt, sich zu stark mit der Touristen einzulassen. Hilfsbereit besorgt Tom der Familie eine bessere Suite, nimmt sich sogar einen Tag frei, um ihnen die raue Vulkanlandschaft der Insel zu zeigen. Tom erkennt recht schnell, dass es in der Ehe der Maguires kriselt, doch er fühlt sich zur geheimnisvollen Anne hingezogen.

Nachdem man den Abend zusammen in der Suite verbracht hat, legt sich Anne schlafen und Dave überredet Tom, doch noch auf einen kurzen Trink mit ihm in einen angesagten Club zu gehen. Allerdings will dann der betrunkene Dave dort doch noch länger bleiben und beginnt mit anderen Gästen tanzen. Tom verlässt leicht angetrunken allein die Bar.

Islands2Am nächsten Morgen erfährt Tom von Anne, dass Dave in der Nacht nicht in ihr Hotelzimmer zurückgekehrt ist. Er ist ganz einfach verschwunden. Tom kümmert sich nun um Anne und Anton. Er begleitet Anne zum ihm bekannten Polizisten Jorge (Pep Ambròs) von der Policia Local. Die Polizei beginnt zusammen mit Kommissar Mazo (Ramiro Blas) aus Madrid zu ermitteln, dabei findet der heraus, dass Anne etwas verheimlicht. Gleichzeitig weckt Annes Verhalten immer mehr Zweifel an den wahren Hintergründen, so dass in Tom langsam ein Verdacht aufkeimt…


″Islands″ ist der neuste Film von Regisseur Jan-Ole Gerster, der auch nach einer eigenen Geschichte zusammen mit Blaž Kutin und Lawrie Doran das Drehbuch verfasst hat. Es ist nach ″Oh Boy″ (2012) über einen ziellosen Ex-Studenten in Berlin und ″Lara″ (2019) über eine einsame Frau an ihrem 60. Geburtstag, sein erster Film, der nicht in Deutsch, sondern in Englisch gedreht wurde und der auch nicht in Berlin spielt. Aber auch in diesem Drama dreht sich wieder alles um die Einsamkeit – hier die eines ziellosen Tennislehrers auf der kanarischen Ferieninsel Fuerteventura.

Islands″ ist ein Mystery-Thriller, der daneben auch Romanze, Alltagsbetrachtung und Charakterstudie ist, der aber gleichzeitig auch ein Thriller ist. Dabei liegt die große Stärke des Films in seiner Subtilität. Denn es entwickelt sich erst ganz allmählich eine geheimnisvolle Story, in der sich erst langsam mögliche Puzzle-Teile nach und nach ineinander fügen. Denn die Story liefert lange keine eindeutigen Antworten, sondern nur Andeutungen. Doch plötzlich erscheinen Szenen, die erst einmal unabhängig voneinander sind, in einem neuen Licht.

Im Mittelpunkt des Film steht der Tennislehrer Tom, toll gespielt von Sam Riley, der seine Tage zwischen Unterrichtsstunden, Alkohol und bedeutungslosen Affären verbringt. Als dann aber eines Tages die Familie Maguire mit dem Bus ankommt, gerät sein trostloser Alltag ins Wanken. Dabei weckt Anne in ihm unerwartete Emotionen, denn sie scheint ihn an etwas oder jemanden aus seiner Vergangenheit zu erinnern. Es wird nie klar, ob es eventuell Anne selbst ist, die Tom früher möglicherweise schon kennen gelernt hat. Dabei wird Tom immer wieder von Mitarbeitern der Hotelanlage gewarnt, sich nicht zu sehr auf diese Urlaubsgäste einzulassen. Denn die betrachten die Einheimischen als jemanden, die ihnen eine schöne Zeit bereiten müssen und zusätzlich als seltsame Fremde, mit deren Realität man eigentlich nichts zu tun haben möchte.

Doch als Dave dann von einem nächtlichen Barbesuch zusammen mit Tom nicht mehr ins Hotel zurück kommt, beginnt die Polizei und vor allem der ehrgeizige Kommissar aus Madrid zu ermitteln und plötzlich stehen sowohl Anne als auch Tom unter Verdacht, etwas mit Toms Verschwinden zu tun zu haben, vor allem, da die Polizei nachweisen kann, dass sich Anne immer wieder in Lügen verstrickt. Doch auch hier legt der Film regelmäßig falsche Fährten, ohne sich auf eine eindeutige Richtung festzulegen. Ehrlicherweise ist dann allerdings die Auflösung doch etwas trivial, auch wenn sie vom lokalen Polizisten vorher schon so vermutet wurde.

Islands3Der in Berlin lebende englische Schauspieler Tom Riley spielt Tom sehr zurückgenommen, aber nie spannungsarm, dadurch lädt er die Zuschauer nie zur direkten Identifikation mit seiner Figur ein. Trotzdem verleiht er dem schweigsamen Mann eine kaum verhüllte Verletzlichkeit. Allerdings wünscht man ihm, dass er endlich bereit ist, aus seiner Lethargie aufzuwachen. Dabei ist das Tennisspiel ganz sicher ein zentrales Motiv, denn Tom spielt in seinen Trainerstunden, die Bälle meist nur zu, und zeigt den reichen Urlaubern gegenüber kein wirkliches Interesse. Zusammen mit der Familie Maguire erfährt man als Zuschauer von Toms Freund Rafik, dass er früher ein bekannter Tennisprofi war, der wegen einer Schulterverletzung seinen Karriere aufgeben musste. Welche Entscheidung Tom aber letztendlich trifft, kommt dann aber doch recht plötzlich.

Auch die weiteren Charaktere sind nuanciert gezeichnet. Dies gilt besonders auch für Dave, der die Firma, die seine Frau geerbt hat, an die Wand gefahren hat und der möglicherweise auch nicht der Vater von Anton ist. Seine Frau Anne ist vor allem gelangweilt und eigentlich auch an ihrem Sohn nicht allzu sehr interessiert. Irgendwann verschwindet sie einfach und lässt den Jungen in Toms Obhut zurück, der sich dann allerdings vermutlich besser als seine Eltern um ihn kümmert.

Die Polizei, die das Verschwinden von Dave untersucht sind zum einen der von Pep Ambròs gespielte einheimische Polizist Jorge, der zwar - wegen eines nicht eingehaltenen Versprechens - auf Tom wütend aber trotzdem loyal ist und Ramiro Blas als ehrgeiziger Kommissar Mazo aus Madrid, der am liebsten gleich Anne und Tom wegen Mordes verhaften würde und dann ziemlich kleinlaut wird, als man in einer großangelegten Aktion nicht Dave, sondern die immer wieder entlaufende Kamelstute von Rafik aus dem Wasser zieht.

″Islands″ wurde von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) mit dem Prädikat besonders wertvoll ausgezeichnet, da der Film statt zu einem rasanten Thriller zu einer poetischen Reise an die Grenzen von Identität und Zugehörigkeit wird. Dadurch entfaltet das Drama sich zu einen Arthouse-Film der leisen Töne, der trotzdem eine ungeahnte Sogwirkung entwickelt und letztlich weit mehr Fragen aufwirft, als er beantwortet.

Weiterhin erhielt der Film vier Nominierungen für den Deutschen Filmpreis 2025 und zwar als bester Spielfilm, Sam Riley als bester Hauptdarsteller, Dascha Dauenhauer für die beste Filmmusik sowie Stefan Soltau, Thomas Kalbér und Tobias Fleig für die beste Tongestaltung. Für Sam Riley ist es die zweite Nominierung beim diesjährigen Deutschen Filmpreis, neben seiner Nominierung für seine Rolle als John Cranko in ″Cranko″.

Islands4Insgesamt ist ″Islands″ ein spannender Thriller mit Film-Noir-Charakter. Bei den verschiedenen Themen die Regisseur Jan-Ole Gerster anschneidet, wie Lebenskrise, Beziehungssehnsucht oder Thriller, zeigt er auch deutlich das Machtgefälle zwischen Gästen und Gastgebern und behandelt die Frage, wie viel persönliche Beziehung zu den zahlenden Besuchern überhaupt gesund ist. Dazu geben die Bilder der rauen Wüsten- und Küstenlandschaft von Kameramann Juan Sarmiento G. und die dunklen Töne der Filmmusik von Dascha Dauenhauer einen ausgesprochen stimmungsvollen Gesamteindruck. Es lohnt, sich den Film im Kino anzusehen.

Foto 1: Sam Riley als Tom © LEONINE Studios
Foto 2: Anne (Stacy Martin) und Anton (Dylan Torrell) warten auf den Tennislehrer (Sam Riley) © LEONINE Studios
Foto 3: Jorge (Pep Ambròs) von der Policia Local und Kommissar Mazo (Ramiro Blas) aus Madrid rätseln, ob Dave im Meer ertrunken ist © LEONINE Studios
Foto 4: Tom (Sam Riley) kümmert sich um Anton (Dylan Torrell) © LEONINE Studios

Info:
Islands (Deutschland 2024)
Originaltitel: Islands
Genre: Drama, Thriller
Filmlänge: ca. 120 Min.
Regie: Jan-Ole Gerster
Drehbuch: Jan-Ole Gerster, Blaž Kutin und Lawrie Doran
Nach einer Geschichte von Jan-Ole Gerster
Darsteller: Sam Riley, Stacy Martin, Jack Farthing, Dylan Torrell, Pep Ambròs, Bruna Cusí, Ramiro Blas, Ahmed Boulane, Fatima Adoum, Maya Unger, Alina Schaller, Iker Lastra, Ainhoa Hevia, Isabella Stoffel, Fernando Navas, Agnes Lindström Bolmgren u.a.
Verleih: LEONINE Studios
FSK: ab 6 Jahren