Bildschirmfoto 2025 07 12 um 02.18.21Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 10. Juli 2025, Teil 5

Redaktion

Berlin (Weltexpresso) - Sep Ruf (1908–82) zählt zu den bedeutendsten Architekten der Nachkriegszeit in Deutschland. Seine Bauten sind gekennzeichnet durch eine transparente und leichte Bauweise und eine Auseinandersetzung  mit Tradition und Geschichte.
In München geboren und aufgewachsen studierte Ruf von 1926 bis 1931 an der damaligen Technischen Hochschule Architektur. Trotz einer weitgehend konservativen Ausbildung orientierte er sich am „Neuen
Bauen“ der Bayerischen „Postbauschule“. Erste Bauaufträge für Privathäuser erhielt er noch während des Studiums und konnte sich deshalb nach dem Diplom sofort selbstständig machen. Bereits beim Wohnhaus für den Journalisten Karl Schwend in München-Bogenhausen (1998 abgebrochen) bewies Ruf seine besondere Fähigkeit, auf den spezifischen Ort einzugehen, traditionelle und regionale Elemente aufzunehmen und doch einen eigenständigen modernen Bau zu gestalten. Auch nach 1933 konnte er bei seinen Wohnhäusern Elemente moderner Architektur bewahren, indem er regionale Bauformen mit asymmetrischer Fassadengestaltung und Fensterbändern kombinierte sowie lichtdurchflutete, zur Sonne ausgerichtete Räume gestaltete, denen ein „naturverbindendes Bauen“ als Leitidee zugrunde lag. Raumhohe, sturzlose Öffnungen wurden zu einem Kennzeichen seiner Architektur.

Ruf war kein Parteimitglied und verhielt sich distanziert zum Nationalsozialismus. 1939 wurde er zum Wehrdienst eingezogen, erhielt aber 1940 eine Freistellung für „wehrwichtige Bauten“ und war im Beraterstab von Generalbaurat Hermann Giesler am Ausbau der „Hauptstadt der Bewegung“ für die Wohnbauten an der Forstenrieder Straße (Oberlandsiedlung) zuständig. 1941 plante er für die Hugo Junkerswerke in Allach eine – nicht ausgeführte – moderne Industrieanlage. 1942 wurde er erneut einberufen und diente in Russland in der Wehrmacht im Stab der „Panzer-Jäger-Abteilung“ als Kartenoffizier.

Politisch unbelastet konnte Ruf nach dem Zweiten Weltkrieg schnellwieder als Architekt Fuß fassen und nahm auch aktiv an den Diskussionen um den Wiederaufbau teil. Im Herbst 1947 wurde er zum Professor für Architektur und Städtebau an die Akademie der Bilden- den Künste in Nürnberg berufen, wo er sechs Jahre unterrichtete und dann 1953 an die Akademie der Bildenden Künste München wechselte. In Nürnberg war er auch als Mitglied im Kuratorium für den Wiederaufbau der Stadt tätig. 1950 gewann er den Wettbewerb für den Neubau der Nürnberger Akademie der Bildenden Künste. Das Ensemble aus verglasten Pavillons, das sich organisch mit der Natur verbindet, zählt zu den herausragenden Bauten der frühen Nachkriegsarchitektur. In Nürnberg entstanden weitere Großbauten wie die Bayerische Staatsbank bei St. Lorenz sowie ab 1953 die Gebäude für das Germanische Nationalmuseum – Beispiele für eine moderne Architektur, die mit Material, Proportion und Kubatur Rücksicht auf die umgebende Bebauung nimmt und die Bautradition der Region berücksichtigt. Etwa zeitgleich entstanden in München das Wohnhaus an der Theresienstraße (1950/51) und die Neue Maxburg (mit Theo Pabst, 1952–57), eine aufgelockerte, durchgrünte städtische Anlage für Bürgerinnen und Bürger.


Mit den Landhäusern am Tegernsee (Wohnhäuser Sep Ruf und Ludwig Erhard, 1951–56) gestaltete Ruf  eindrucksvoll eine Verbindung von Architektur und Natur. Ende der 1950er-Jahre umfassten seine Aufträge fast alle Bauaufgaben von Wohn- und Geschäftshäusern über Schulen, Banken und Lichtspieltheater bis zu Forschungsinstituten und kirchlichen Bauten, darunter die Pfarrkirche St. Johann von Capistran in München (1957–60). Rufs Bedeutung als Architekt zeigt sich ab Mitte der 1950er-Jahre auch an seinen großen repräsentativen Bauaufgaben. 1954 wurde er als einziger bayerischer Architekt zur Teilnahme an der Interbau1957 in Berlin aufgefordert.

Als Deutschland 1958 wieder an einer Weltausstellung teilnehmen durfte, schuf er zusammen mit Egon Eiermann in Brüssel den Deutschen Pavillon. Die Konzeption verweist auf die Nürnberger Akademie.
Die leichten, scheinbar über der Landschaft schwebenden Bauten mit fließenden Übergängen zur Umgebung vermittelten den Besucherinnen und Besuchern das Gefühl eines friedlichen Beisammenseins und dienten als Demonstration eines neuen demokratischen Deutschlands, das sich zuletzt 1937 auf der Weltausstellung in Paris mit dem monumentalen Bau von Albert Speer präsentiert hatte.

1963 erhielt Ruf von Vizekanzler Ludwig Erhard den Direktauftrag zum Bau des Kanzlerbungalows in Bonn. Der gläserne, transparente Pavillon, in dem bis einschließlich Helmut Kohl fast alle deutschen 
Bundeskanzler wohnten und ihre Gäste empfingen, entfachte eine heftige Diskussion unter Politikern wie auch in der Bevölkerung über die adäquate Repräsentation der Bundesrepublik. Obwohl Rufs Pavillon-Architektur zum Symbol für das moderne Deutschland und dadurch auch zu einem Leitbau deutscher Nachkriegsgeschichte wurde, fand sein Werk lange Zeit nicht die seinem Rang adäquate 
Würdigung. Während seiner Hauptschaffenszeit in Bayern wurde er von konservativen Kräften heftig angefeindet, diffamiert und nicht seiner Bedeutung und Leistung entsprechend anerkannt. Im historischen Rückblick muss festgestellt werden, dass Ruf mit seiner konsequent auf eine moderne Gestaltung ausgerichteten Architektur wesentlich zur Identitätsfindung der jungen Bundesrepublik beitrug und großen Anteil daran hatte, dass Deutschland kulturell wieder zu hohem Ansehen gelangte. Aufgrund seiner Verbindungen zu Museumsdirektoren wie Ludwig Grote, Kurt Martin und Erich Steingräber sowie zu den Initiatoren der documenta, Arnold Bode und Werner Haftmann, und zu zahlreichen Künstlern wie Olaf Gulbransson, Fritz König, Josef Oberberger oder Bernhard Heiliger war er wie kein anderer Architekt im Nachkriegsdeutschland in die Welt der Bildenden Kunst einbezogen. Während seiner fast 20-jährigen Lehrtätigkeit, wie auch während seiner Zeit als Präsident, öffnete er die Münchner Akademie der
Bildenden Künste für die internationale Moderne. Zudem wirkte er als gefragter Gutachter und war beispielsweise in dem Beratergremium tätig, das Hans Döllgast beim Wiederaufbau der Alten Pinakothek
zur Seite gestellt wurde. Rufs Spätwerk, wie die Berliner Handelsgesellschaft im Frankfurter Rothschildpark (1960–65) oder die Bauten der Bayerischen Vereinsbank im Münchner Tucherpark (1968–86), ist durch Großformen von einer robusten Gestaltung gekennzeichnet. Anfang der 1970er Jahre nahm er Partner in sein Büro auf und verbrachte aufgrund einer Krankheit immer mehr Zeit auf seinem Weingut „Querce Sola“ in der Toskana. 1982 starb er 74-jährig in München. Unter den vielen Kondolenzschreiben befand sich auch ein Telegramm des Bundeskanzlers Helmut Schmidt, der schrieb, Sep Ruf habe die Architektur in Deutschland der vergangenen 30 Jahre beispielhaft beeinflusst, „seine Arbeit hat ihm weit über die Grenzen unseres Landes hohe Anerkennung eingebracht“.

Foto:
©Verleih

Info:
SEP RUF
Architekt der Moderne
Ein Film von Johann Betz
Koproduzenten German Kral und Max Plettau
Technische Daten
Produktionsland
Deutschland
Jahr
2025
Filmlänge
96 Minuten
Format
1:1,85

Regie, Drehbuch, Produzent.    Johann Betz

 Abdruck aus dem Presseheft