
Julian Vogel
Berlin (Weltexpresso) - In meiner EINZELTÄTER-Trilogie habe ich mich über Jahre hinweg den Angehörigen der Opfer der rechtsextremen Anschläge von München 2016, Halle 2019 und Hanau 2020 gewidmet. Diese Erfahrungen prägten mich zutiefst. Ich stand Menschen gegenüber, die durch den Hass und die Gewalt von Einzelnen, die tief in rechtsextremen Verschwörungserzählungen verwurzelt sind, Angehörige verloren haben. Der Umgang mit diesen Geschichten und den damit verbundenen Traumata war sowohl eine Herausforderung als auch eine Verpflichtung.
Doch nach EINZELTÄTER führte mich mein Weg zu SOLDATEN DES LICHTS. Es war ein radikal anderer Schritt – den Blick auf Menschen zu richten, die zumindest ideologisch mit der Täterseite in Verbindung
stehen. In dieser Konfrontation sah ich eine Notwendigkeit: Wir dürfen nicht nur auf die moralische Distanz zum politischen Gegner setzen. Es geht darum, die zugrundeliegenden Mechanismen zu erkennen,
die diese Ideologien nicht nur ermöglichen, sondern auch verstärken. Dies war für mich eine der größten Herausforderungen als Filmemacher. Denn es ging darum, einerseits die individuellen Protagonist*innen „verstehbar“ zu machen, andererseits jedoch nicht in eine „entschuldende“ Individual-Psychologie zu verfallen.
Unsere dokumentarische Aufgabe suchten wir daher darin, die ökonomischen Strukturen und Macht-Hierarchien, die diese Ideologien unterstützen, ins Bild zu setzen. Die Analyse dieser Verflechtungen erfordert nicht nur politische Klarheit, sondern auch eine filmische Herangehensweise, die einen offenen Blick wahrt und gleichzeitig mit filmischen Mitteln kommentiert.
In der Kameraarbeit habe ich versucht, eine Bildsprache zu finden, die diesen Prozess der Ideologieproduktion greifbar macht. Dabei orientierte ich mich an der Ästhetik einer Fabrik – einem mechanischen Ort, an dem Gedanken und Überzeugungen wie Produkte gefertigt werden. Jede Szene, jede Bildkomposition sollte dieser Produktionsweise Rechnung tragen. Doch je weiter der Film fortschritt, desto mehr wuchs bei mir die Erkenntnis, dass es nicht nur darum geht, Ideologien zu entlarven. Es geht immer auch darum, Empathie zu entwickeln – auch für die, die in diese Welt hineingezogen wurden. Als wir Timo und später seine Familie kennenlernten, wurde mir klar, dass die reine distanzierte Beobachtung ab irgendeinem Punkt nicht mehr richtig war und ich auch innerlich manche Protagonist*innen an mich „heranlassen" musste. Im Schnitt haben wir versucht, vor allem auch den Emotionen, die Timos Weg bei uns auslöste, gerecht zu werden.
SOLDATEN DES LICHTS ist also nicht nur ein Film über Menschen, die einer gefährlichen Ideologie folgen. Es ist auch ein Film über die Frage, wie wir als Gesellschaft mit den (emotionalen) Wurzeln des
Extremismus umgehen können. In einer Zeit, in der die Diskurskorridore immer enger werden, sehe ich es als dringend notwendig, den offenen Blick nicht zu verlieren – jenseits von moralischer Abgrenzung, hin zu einer echten Auseinandersetzung mit den Systemen, die diese Ideologien überhaupt erst möglich machen.