 Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 30. Oktober 2025, Teil 8
Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 30. Oktober 2025, Teil 8
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Was wäre das für ein toller Film geworden, wenn der Schweizer Regisseur Stefan Haupt Frischs STILLER voll Albrecht Schuch überantwortet und nicht die Fehlentscheidung getroffen hätte, das Alter Ego von Stiller, eben seine frühere Version, von einem anderen Schauspieler darstellen zu lassen, noch dazu schlecht fotografiert und manchmal dann doch in das Gesicht von Schuch übergleitend.
Was wäre das für ein toller Film geworden, der zudem Albrecht Schuch nicht so unterfordert hätte. Der Arme war auf die Rolle des sich als Amerikaner verteidigenden Mannes festgelegt, die etwas eindimensional ist. STILLER von Max Frisch gehörte zu den großen literarischen Erfolgen der Nachkriegszeit, weil Fragen nach der Identität damals nach den Verbrechen und Verstrickungen so vieler in den Nationalsozialismus erst recht interessant waren, so oft verschleiert wurden und wie wir heute wissen, gesuchteTop-Nazis mit bundesdeutscher Hilfe im Ausland überleben konnten.
Nein, so heftig kommt es jetzt nicht. Aber interessant ist der Fall schon, als an der Grenze zur Schweiz der US-Amerikaner James Larkin White überprüft und festgenommen wird. Der Vorwurf lautet, Personentäuschung. Er sei überhaupt kein US-Amerikaner, sondern in Wirklichkeit ein Schweizer, nämlich der vor sieben Jahren verschwundene Künstler Anatol Stiller, der damals in einen Skandal verwickelt war und polizeilich gesucht wird. Eine Patt-Situation. Im Film bestreitet White heftig, dieser Bildhauer zu sein, während die Strafbehörde ihn dafür hält, aber Beweise braucht. In dieser Situation bittet die Staatsanwaltschaft die inzwischen in Paris lebende Ehefrau Stillers, Julika (Paula Beer), zu kommen und ihren Mann zu identifizieren.
Doch auch beim Zusammentreffen negiert White jegliches Kennen und auch Julika kommt dieser Mann fremd vor. Jetzt nimmt der Film zwei Perspektiven ein. Während einerseits die Handlung, nämlich die Klärung der Identität fortschreitet, wird die Leinwand andererseits genutzt, um uns über das Eheleben von früher und was dann passierte zu informieren, beispielsweise, dass aus dem Ballettstar durch einen Unfall die Ballettlehrerin wurde. Diese Passagen sind in Schwarzweiß gedreht und – siehe oben – mit Sven Schelker als jüngerer Stiller. Während diese Szenen informativ sind und sich die damalige Ehe und die vorhandenen Probleme darstellen, hat Albrecht Schuch als James Larkin White ununterbrochen damit zu tun, sich gegen die Zuschreibung als Stiller zu wehren. Das gibt schauspielerisch nicht viel Spielraum.
Da ist man zufrieden, dass Ehefrau Julika in ihren Passagen uns einerseits vermittelt, warum der Stiller von damals problematisch war, andererseits ganz offen hin und her schwankt in ihrer Beurteilung, ob dieser Mann da ihr Ehemann Anatol Stiller ist. Mal meint sie ja, dann verneint sie dessen Identität als ihr Ehemann. Aber sie soll ja im staatlichen Auftrag eine Aussage machen, da macht immer wieder Treffen mit dem Amerikaner nötig. Und längst ist zwischen diesen beiden eine neue Intimität entstanden.
Wichtig, die dramatische Zuspitzung, als sich herausstellt, daß der amtierende Staatsanwalt Rehberg (Max Simonischek) durchaus persönliche Motive für die Verfolgung von White/Stiller hat, die mit seiner Frau Sibylle (Marie Leuenberger) zu tun haben. 
Ach, wie toll wäre dieser Film geworden, wenn Albrecht Schuch beide Rollen, die des jungen Stiller und des sieben Jahre älteren Amerikaners hätte spielen können. Dann hätten wir uns wie Julika auf die Spur gemacht, jede Stillersche Bewegung, jede Mimikänderung genauestens wahrzunehmen, zu interpretieren, uns selbst auf die Suche nach dem wahren Stiller zu machen. Es gäbe derzeit keinen deutschen Schauspieler, der diese Doppelrolle so spielen könnte wie Albrecht Schuch, weil er ein körperliches Mimikry hinbekommt, dass man nur staunen kann. Schade. So darf er nur den sich verteidigenden White spielen.
Foto:
©Verleih
Info:
BESETZUNG
James Larkin White     Albrecht Schuch
Julika                            Paula Beer
Anatol Stiller                 Sven Schelker
Staatsanwalt Rolf Rehberg        Max Simonischek
Sibylle Rehberg                         Marie Leuenberger
Dr. Bohnenblust                         Stefan Kurt
Sturzenegger                             Martin Vischer
Knobel                                       Marius Ahrendt
STAB
Regie                      Stefan Haupt
Drehbuch               Alex Buresch, Stefan Haupt
 
											