Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. Mai 2015, Teil 2

 

Kirsten Liese

 

Berlin (Weltexpresso) - Er gilt als Genie, viele halten Martin Armstrong aber auch für einen Scharlatan. Soviel steht fest: Alle Katastrophen, die der Finanzanalyst vorausgesagt hat, sind tatsächlich eingetroffen, teilweise auf den Tag genau, so zum Beispiel die Weltwirtschaftkrise 1987, der Nikkei-Crash 1989, der Niedergang des japanischen Bullenmarktes 1990 und die Russlandkrise 2000.

 

Marcus Vetter und seine Ko-Autorin Karin Steinberger vertrauen der starken Persönlichkeit ihres Protagonisten, lassen ihn, Angehörige und ehemalige Geschäftspartner unkommentiert reden und verzichten auf kontroverse Positionen. Abgesehen davon, dass Armstrongs Gegner eine Mitarbeit an dem Film auch verweigerten, zahlt sich dieses Wagnis aus. „The Forecaster“ kommt so packend daher wie ein Thriller.

 

Eigentlich sind es zwei Filme in einem. Der erste widmet sich dem Phänomen des Experten, von dessen Weisheiten und exakten Berechnungen die Wirtschaft schon viel profitiert hat, der zweite zeichnet schockierend nach, wie übel ihm die amerikanische Justiz mitspielte. Zwölf Jahre lang saß der Hellseher in einem gefürchteten New Yorker Gefängnis, sah sich Folter und Willkür ausgesetzt und wartete vergeblich auf einen Prozess. Die Geschichte wirkt so absurd, dass man sie nicht glauben würde, wären nicht unlängst ebenso hanebüchene Skandale des FBI bekannt geworden.

 

Allem Anschein nach hatten es Armstrongs Gegenspieler auf einen heiß begehrten Code abgesehen, an dem sich zuvor schon zahlreiche Hacker vergeblich zu schaffen machten. Aber Armstrong war fest entschlossen, eher Selbstmord zu begehen, als sein geheimnisvolles Computerprogramm preiszugeben, das nach wiederkehrenden Zyklen die Daten künftiger Einstürze an der Börse ermittelt.

 

Dieser Mann ist nicht klein zu kriegen. Kaum war er wieder auf freien Füßen, nahm er seine Arbeit wieder auf, seither verkündet er weiter unbequeme Wahrheiten.

Auch seine zukünftigen Prognosen beunruhigen: So dramatisch, wie sich die europäische Schuldenkrise bereits zugespitzt hat, lässt sich der baldige freie Fall des Euros nicht ganz ausschließen.