Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. April 2016, Teil 3

 

Kirsten Liese

 

Berlin (Weltexpresso) - Laurel Hester sorgt für Recht und Ordnung auf den Straßen von New Jersey, souverän behauptet sich die Polizistin in der Männerwelt. Privat fühlt sie sich zu Frauen hingezogen, aber außer flüchtigen sexuellen Kontakten hat sich lange Zeit nichts ergeben. Als die burschikose Automechanikerin Stacie Andree in ihr Leben tritt, ergibt sich aus einem kleinen Flirt die große Liebe.

 

Weil aber Homosexualität in ihrem Beruf verpönt ist, traut sich Laurel nicht, in ihrem Umfeld zu ihrer Partnerin zu stehen. Erst, als das Glück einem Schicksalsschlag weicht und Laurel an unheilbarem Lungenkrebs erkrankt, ist sie bereit zu einem Coming-Out. Die Frauen lassen ihre Lebensgemeinschaft eintragen und richten sich ein, mit Haus und Hund.

 

Mit seiner tragischen Liebe erinnert der Film „Freeheld“ unweigerlich an die „Love Story“, den Kinohit von 1970. Aber im Gegensatz zu dem damaligen Kassenerfolg geht es hier um eine wahre Geschichte. Und so wie der preisgekrönte Drehbuchautor Ron Nyswaner die richtige Tonlage für das kitschverdächtige Thema findet, kommt der Film ohne melodramatische Anflüge aus.

 

Der Verlust eines geliebten Menschen ist im Filmdrama nur ein Aspekt. Regisseur Peter Sollett konzentriert sich auf den schwierigen, aber von Erfolg gekrönten Kampf um elementare Bürgerrechte. Seine Protagonistin Laurel will ihrer Partnerin ihre Pensionsansprüche überschreiben, damit Stacie das gemeinsame Haus behalten kann. Unter den Gemeinderäten des Ocean County zeigt sich aber vorerst nur einer Laurel Hester gewogen.

 

So sehr ihr auch die Zeit davon läuft, hat Laurel aber den nötigen Atem für langwierige Verhandlungen. Ihr persönliches Erscheinen vor dem Gemeinderatreicht noch nicht aus. Aussichtsreicher wird die Sache erst, als Kollegen von der Polizei und schwule Aktivisten Laurel den Rücken stärken.

 

Unter Laurels Sympathisanten finden sich auch exzentrische, schräge Gestalten, wie der schwule Aktivist Stephen Goldstein. Selbst er muss – wie die Honoratioren der Stadt - erst lernen, sich den provinziellen Gepflogenheiten anzupassen. Wie schließlich das persönliche Gewissen doch die verstockten Räte zu einem gerechten Urteil nötigt, schildert Regisseur Sollett mit unübersehbaren Referenzen an die großen amerikanischen Gerichtsfilme von den „Zwölf Geschworenen“ bis „Philadelphia“.

 

Die Inszenierung lebt von den wunderbaren Hauptdarstellerinnen Julianne Moore und Ellen Page („Juno“). Ihre Blicke, Gesten und Dialoge kommen natürlich und wahrhaftig rüber. Das zähe und tapfere Aufbegehren der beiden Frauen gegen Widerstände wühlt auf. Bei alledem gibt ihre Prominenz dem Film politisch Gewicht. Zwar hatte sich im vergangenen Jahr schon in den Vereinigten Staaten die Homo-Ehe durchgesetzt, bevor der Film in Toronto zur Weltpremiere kam. Aber die in den Debatten anklingenden haarsträubenden Vorurteile kursieren nach wie vor in weiten Kreisen der amerikanischen Gesellschaft.

Mit dem großen Zuspruch für den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump rücken die Amerikaner derzeit noch weiter nach rechts. So gesehen ist „Freeheld“ mehr als nur ein Dokument einer bereits gewonnenen Schlacht: vielmehr ein kämpferischer Beitrag für die Akzeptanz der gleichgeschlechtlichen Liebe.