Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 9. Februar, Teil 5

Filmheft

Paris (Weltexpresso) - Gerade bei diesem Film MADAM CHRISTINE...fragt man sich, wie es den Franzosen gelingt, mit leichter Hand ein brisantes gesellschaftlilches Thema im Genre Komödie so filmisch aufzubereiten, daß das gesellschaftliche Anliegen weder platt, noch ideologisch, noch verlogen, noch nur eine Partei aufspießend einfach von menschlichen Schwächen handelt, aber auch, wie man diese überwindet. Die Regisseurin des Films spricht. Die Redaktion

Wie kamen Sie auf diese Idee?


Das war vor sieben Jahren. In meinen Filmen interessiere ich mich für Zwangssituationen, in die meine Figuren geraten. In diesem Fall war es der Zwang zur Solidarität. Zunächst schrieb ich ein Treatment mit etwa einem Dutzend Seiten. Als ich das einem Produzenten zu lesen gab, meinte er nur: „Das können Sie vergessen, denn das glaubt Ihnen kein Mensch, dass sich so etwas ereignen könnte. Und so ließ ich das Projekt erst einmal fallen, drehte den Film „Maman“ und glaubte, das sei eben kein Thema für mich …

 

Wieso das?


Das lag einerseits an der mangelnden Risikobereitschaft der Produzenten, aber auch daran, dass es sich hier ja um einen Ensemblefilm handelt. Ich drehe ja lieber kammerspielartige Filme über meine Lieblingsthemen Familie und Paarbeziehungen. Aber nach „Maman“ wollte ich wieder eine Komödie drehen, und ich bin stur. Ich schrieb das Drehbuch alleine und der Produzent Philippe Godeau gab mir dann sein Okay.

 


Nun bekommt Ihr Drehbuch plötzlich eine ungewohnte Aktualität ...


Das ist in der Tat beunruhigend, aber es erstaunt mich nicht wirklich.

 

Die Bewohner des Hauses stehen ja exemplarisch für unsere menschlichen Schwächen. Wie wichtig war es Ihnen, dass sie in einer dramatischen Situation, dennoch über sich hinauswachsen?


Es ist ja normal, dass Menschen nach einem Not-Dekret und einer sozialen Katastrophe aufgewühlt sind. Mir war es aber wichtig, keine Abziehbilder zu zeigen, sondern komplexe Figuren. Man muss das Leben der Menschen aus verschiedenen Blickwinkeln beobachten. Für mich ist dieser Film eine Komödie, bei der man lachen soll, sich dabei aber auch ein wenig verrenkt.


Woher kommt Ihre Vorliebe für Geschichten um Familie, Bourgeoisie, Geld und schlechtes Gewissen?


Also es ist nicht autobiografisch, falls Sie das meinen. Ich bin keine Regisseurin, die Rechnungen zu begleichen hat. Ich gehe von Alltagsgeschichten aus und lasse dann meiner Fantasie freien Lauf.

 


Lassen Sie uns über die Schauspieler reden. Warum haben Sie auf bekannte Darsteller gesetzt?


Das ist in erster Linie eine Geschmacksfrage. Es handelt sich in meinem Film um Schauspieler, deren Arbeit ich schätze. Mit Michel Vuillermoz (Grégory Bretzel) hatte ich bereits zweimal gedreht und wollte ihm diesmal eine größere Rolle geben. Valérie Bonnetion (Béatrice Bretzel) fiel mir im Theater in „Der Gott des Gemetzels“ auf. Sie war so spontan und natürlich, aber dabei auch urkomisch. Als ich ihr das Drehbuch schickte, rief sie mich an und sagte nur: „Das ist so witzig.“ Da wusste ich, wir würden uns gut verstehen.

Mein Produzent Philippe Godeau erzählte mir die ganze Zeit, wie großartig Didier Bourdon sei. Und so traf ich ihn, und wir verstanden uns sofort. Er hat etwas von einem großen Bären, den man einfach mögen muss. Das war ideal für die Rolle von Pierre. Mit Karin Viard wollte ich schon lange einmal drehen. Sie hatte bisher immer abgelehnt, aber diesmal nicht. Und bei der Arbeit stellte sich heraus, dass wir den gleichen Humor lieben.


Mit Patrick Chesnais hatte ich ebenfalls schon gearbeitet. Wir mögen uns. Es war ein Glücksfall, dass er die Rolle des alternden, einsamen Homosexuellen akzeptierte. Und Josianne Balasko in der Rolle der rechtsradikalen Hausmeisterin war schon deshalb ideal, weil man ja ihre linken politischen Ansichten in Frankreich gut kennt. Nur sie konnte den Zuschauern diese bittere Pille als Rassistin und FN-Sympathisantin verabreichen.

 


Sie haben eingangs erwähnt, dass Sie über keine Erfahrung mit Ensemble-Filmen verfügten. Wie liefen die Dreharbeiten?


Ich hatte das Glück, mit einem tollen, solidarischen Team zu arbeiten. Während der Dreharbeiten entwickelte ich ein Gespür dafür, was ich später im Schnitt brauchen würde. Also fügte ich spontan Szenen hinzu oder verzichtete auf einige. Ich schlief kaum und schrieb nachts das Drehbuch um. Dabei feilte ich auch an den Szenen und Dialogen. Ich hatte mein eigenes System und arbeitete wie mit einem Storyboard, das aus Puzzleteilen besteht, die ich immer wieder neu zusammensetze.

 


Ist dieser Arbeitsprozess nicht auch schmerzhaft?


Eigentlich nicht. Ich drehe sehr gerne. Das ist viel erfüllender als zu schreiben. Ich fühle mich beim Drehen sehr lebendig.

 


Sie arbeiten immer wieder mit Ihrem Produzenten Philippe Godeau zusammen – warum?


Er hat meinen ersten Film „Zwei ungleiche Schwestern“ produziert, als mich noch niemand kannte. Er vertraute mir. Das vergisst man nicht. Ich bin jemand, der treu ist. So arbeiten wir auch jetzt wieder an einem neuen Film zusammen: „La vie ratée de Sandrine Slip“ .

 

 

Foto: Der gute Mensch kümmert sich um Arme (c) Verleih

Info:

DIE BESETZUNG

Christine Dubreuil   Karin Viard
Pierre Dubreuil        Didier Bourdon
Béatrice Bretzel       Valérie Bonneton
Grégory Bretzel       Michel Vuillermoz
Hausmeisterin         Josiane Balasko
Exzentrischer Nachbar   Patrick Chesnais
Madeleine               Sandra Zidani
Françoise Dubreuil   Michèle Moretti
Audrey Dubreuil      Pauline Vaubaillon
Fatimata                  Firmine Richard
Mme Abramovitch    Anémone
M. Abramovitch        Jackie Berroye