you tibrSerie: DIE EWIGE FLAMME - Gabriele D'Annunzio und sein unvergänglicher Einfluss auf Kultur und Politik, Teil 4/15

Davide Zecca

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - D’Annunzios „Unmöglichkeit des Verzichts“ bei all seinen vielen Liebschaften kam am ehesten bei der italienischen Schauspielerin Elenora Duse zum Vorschein. Diese Verbindung, wobei sie  zweifelsohne als eine der größten Musen verstanden werden muß, führte sowohl für den fünf Jahre jüngeren Dichter als auch für die renommierte Schauspielerin zu einem enormen schöpferischen Auftrieb. An ihrer Seite entwarf er Pläne zur Konzeption eines italienischen Nationaltheaters, „sie ist die Muse meiner Sinne, die mich zu den höchsten Höhen der künstlerischen Ekstase trägt“.

„Ghisola“ hingegen, so nannte er seine größte Liebe, gab ihre ganze Kraft, Vermögen und Ruhm für ihn auf und versuchte, seine Stücke bekannt zu machen, indem sie nunmehr fast allein seine Stücke spielte – obwohl sie mit diesen Rollen Schwierigkeiten hatte. Aber diese Liebe – wie jede von ihm – endete mit dem gleichen notorischen modus operandi: Untreue – diesmal mit der neapolitanischen Adligen Alessandra Starabba di Rudinì im Jahre 1904. Als die Duse dies merkte, beendete sie die Beziehung, aber liebte ihn entgegen aller Vernunft weiterhin – so wie fast alle seine Frauen. D'Annunzio ist unerbittlich und gnadenlos, äußert sie sich. In dem autobiographischen Roman „Das Feuer“ offenbarte der Dichter seine Liebesgeschichte und gab die Geheimnisse des Alkovens preis. Über seinen „L'incantesimo solare“ („Sonnenzauber“), schrieb er „nur in ihrem Lächeln finde ich den Reiz, den ich in allen Frauen vergeblich gesucht habe“.

Für sie endete es in einer Depression „Man muss solche Tage, dem Geist so schwere, vergessen. Ich bereue es so! So sehr. Ich bin so glücklich gewesen […] und der Mensch, der meine Seele empfängt, war so hochherzig und gut, dass wahrhaftig mein Kummer nur zu verzeihen ist für – die zu große Seligkeit, die mir heute verloren scheint.“ Der zynische Herzensbrecher wird erst ein Jahr vor dem Tod der „Divina“ einsichtig und zeigt tätige Reue. 1923 schrieb er ihr „Ich liebe dich mehr als zuvor“ und beendet den Brief: „Ich küsse deine Hände so sehr, dass ich sie verzehre.“ Er könne sie nicht vergessen, sodass er im Raum „l'officina seiner Villa „Vittoriale“ eine Büste von Eleonora Duse aufstellte, die er „musa velata“ („verschleierte Muse“) nannte, da er sie mit einem Schleier bedeckte, um beim Anblick den Schmerz zu vermeiden, dieses Bild wiederzusehen, das sie jung und immer noch schön zeigt.

Aber für den zynischen Herzensbrecher, immer gewandet in bestem Tuch von ausgesuchter Eleganz, ein Herrscher von verführerischer Kraft, war der Erfolg bei der Damenwelt nicht immer so ganz rosig. Die junge polnische Art-déco-Ikone Tamara de Lempicka besuchte ihn im Zuge ihrer Italienreise auf Einladung des Dichters in seinem „Vittoriale, um von ihm ein Porträt zu malen – obwohl seine Gewohnheiten für sie kein Geheimnis waren – ließ sie sich dennoch darauf ein. D'Annunzio begrüßte den Einzug der polnischen Art-déco-Ikone triumphal mit den Worten: „Alla Polonia! Alla vostra arte! Alla vostra bellezza!“. Dabei wurden diese Worte durch Kanonenfeuer begleitet. Aber der „Schuss ging spätestens dann nach hinten los“, als er bemerken musste, dass sie seine Annäherungsversuche nicht erwiderte und das operettenhaften Schloss – ohne ein Porträt vom Dichter angefertigt zu haben – dafür mit einem massiven Silberring mit einem großen Topas versehen, freiwillig verließ. D'Annunzio konnte eine solche Abfuhr nicht auf sich sitzen lassen; die „nein heißt nein“-Formel kannte er so noch nicht. Deshalb schickte der Pescareser ihr einen Brief hinterher, mit folgendem Inhalt: „Du bist keine Dame, du bist nur eine Schlampe.“ Aber eine noble Schlampe, das gebe ich zu“. Sie erwiderte daraufhin gekonnt und bezeichnete ihn als „alten Zwerg in Uniform“. Demnach fanden nicht alle seine wirklichen und erhofften Geliebten im Bankrott, im Morphiumwahn, im Kloster oder Irrenhaus ihr Ende.

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